Die Therapiesitzung beginnt vor zwei Lautsprechern und einem Tongenerator. Es geht darum, die Höhe des Tinnitus zu bestimmen.
"Ist es ein tonaler Ton oder haben Sie auch ein Rauschen dabei? Okay, dann werde ich Ihren Ton jetzt mal messen. (Ton) Ist er noch höher? - Gut."
Nach ein paar Minuten haben Musiktherapeutin Elke Schellmann und der Patient die Tonhöhe des Tinnitus herausgefunden und mit einer Tabelle ermittelt die Therapeutin die Entsprechung auf der Klaviertastatur. Aber bevor es ans Klavier geht, sollen die Regionen im Hirn, in denen der Tinnitus entsteht, aktiviert werden und das geschieht in der Musiktherapie natürlich mit Musik.
"Okay, jetzt stellen Sie sich davor, und wir machen das gemeinsam. Jetzt schlagen Sie mal den Gong an! (Gong) und jetzt bitte die Schleife singen auf ng."
Und dann geht es ans Klavier. Der ungeübte Sänger soll die Töne treffen;
"Erst zuhören, dann singen! Es ist ja auch ein gewisser Hörtest, und wir wollen Ihr Gehör sensibilisieren, das heißt, gutes Zuhören ist die beste Basis für gutes Singen."
und den Ton, der dem Tinnitus entspricht, in Tonreihen nach oben oder unten variieren. Mit der Folge, so Psychologin Dr. Heike Argstätter: "Der Tinnitus wird auf jeden Fall variabel werden, das heißt, er kann sowohl nach unten als auch nach oben gehen, das ist sehr unterschiedlich bei den Patienten. Wir arbeiten aber in erster Linie darauf hin, dass der Tinnitus schwächer wird, dass er erträglicher wird, und dass man doch lernt, mit diesem Tinnitus besser umzugehen."
Die Therapie gegen den Tinnitus wurde im Deutsche Zentrum für Musikforschung in Heidelberg entwickelt und wird jetzt in der angeschlossenen Tinnitus-Ambulanz durchgeführt. Im Mittelpunkt stand die Erkenntnis, dass der Tinnitus-Ton in den meisten Fällen nicht im Ohr, sondern im Gehirn entsteht:
In der Therapie ist es jetzt so, dass wir schauen, diese Areale im Gehirn aus einem anderen Blickwinkel anzuschauen. Wenn wir Musik machen oder hören, sind genau diese Areale wieder aktiv. Wenn wir Musik hören, ist natürlich unser Hörzentrum beteiligt, Musik bewegt uns, hat einen emotionalen Anreiz, wenn wir die Musik bewusst hören, ist die Aufmerksamkeit gefordert und Musik spricht das Gedächtnis hervorragend an.
Auf Basis dieser Erkenntnisse wurde aus den verschiedenen Bausteinen eine Therapie zusammengestellt. Sie besteht aus neun Sitzungen Einzeltherapie, verteilt auf eine Woche. Dazu gibt es jede Menge Hausaufgaben für die Zeit zwischen den Sitzungen und nach der Therapie.
Und inzwischen haben, so Projektleiterin Argstätter, eine ganze Reihe von Evaluationen und Studien gezeigt, dass die Therapie hilft: "Wir erreichen ungefähr 80 Prozent unserer Patienten, die eine deutliche Verbesserung ihrer Symptomatik haben. Wir messen das mit standardisierten Fragebögen aber natürlich auch auf subjektiver Ebene, und die Ergebnisse, 80 Prozent Erfolg heißen, dass die Patienten nach der Therapie deutliche Verbesserungen in den Problembereichen haben, weswegen sie gekommen sind."
Die Therapiesitzungen bestehen aus dem aktiven mit dem Singen und aus einem sogenannten rezeptiven Teil zum Entspannen. Der Patient liegt auf einer Liege, denkt an etwas Schönes und hört Entspannungsmusik, in die dann plötzlich ein alter Bekannter gemischt wird, der Tinnitus-Ton.
Und das Gehirn soll dabei das lernen, was es bei Menschen ohne Tinnitus ganz allein kann. Störgeräusche wegzufiltern - denn aus Sicht der Neuropsychologen am Zentrum für Musiktherapieforschung ist der Anfang des Tinnitus nichts anderes als ein durchbrochener Filter im Gehirn.