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Musikunterricht an Schulen
"Musische Erziehung ist keine Privatangelegenheit"

Künstlerische Fächer seien in der Schule genauso wichtig wie Rechnen oder Schreiben, sagte Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates, im Dlf. Die musische Erziehung sei keine Privatangelegenheit. Die Länder seien diesbezüglich in der Pflicht und müssten die Hilfe des Bundes annehmen.

Christian Höppner im Gespräch mit Stephanie Gebert |
    Alexander Saier (r) von der Kreismusikschule im Landkreis Märkisch-Oderland gibt am 16.01.2018 den Schülern (l-r) Luca Lämmerhardt (11), Lilly Lippert (11), Jakob Roggenbuck (12) und Nele Zabel (16) in einem Raum des Theodor-Fontane-Gymnasiums in Strausberg (Brandenburg) Dirigentenunterricht.
    An vielen Schulen fällt der Musikunterricht regelmäßig aus (picture-alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Stephanie Gebert: Wenn an Deutschlands Schulen Unterricht ausfällt, betrifft das oft die Fächer Musik und Kunst. Der Deutsche Musikrat warnt vor dieser Entwicklung. Nach seiner Zählung wird an Grundschulen bis zu 80 Prozent des Musikunterrichts kurzfristig gestrichen. Allerdings gibt es regionale Unterschiede: In Bayern und Baden-Württemberg ist die Lage nicht ganz so dramatisch. In anderen Bundesländern – wie etwa in Sachsen – wird darüber diskutiert, die musischen Fächer grundsätzlich nur noch sporadisch in den Stundentafeln einzuplanen. Professor Christian Höppner ist Generalsekretär des Deutschen Musikrates. Woran liegt es, dass an den Schulen offensichtlich Musik und Kunst nur noch als schmückendes Beiwerk betrachtet wird?
    Christian Höppner: Unsere Gesellschaft lebt mehr und mehr unter einer Ökonomisierung im Denken und Handeln, die alle Lebensbereiche erfasst. Und so sehe ich, gerade auch schon in Elterngenerationen häufig anzutreffen die Meinung, wenn ich mein Kind fit machen will für den künftigen Erwerbskreislauf, dann muss es vor allem chinesisch können und die sogenannten harten Fächer – und das andere ist dann einfach das berühmte Sahnehäubchen.
    Zum Glück macht sich doch die Erkenntnis breit, dass für die Menschenbildung gerade im digitalen Zeitalter, gerade auch in dem Aufleuchten der künstlichen Intelligenz, die uns mehr und mehr auch unser Arbeitsleben auch beeinflussen wird, zum Glück ploppt also mehr und mehr die Erkenntnis auf, wir brauchen für eine Menschenbildung wirklich eine ganzheitliche Bildung. Und natürlich sind die künstlerischen Schulfächer harte Fächer, die genau so wichtig sind – um hier keinen Gegensatz herzustellen – wie Rechnen, Schreiben, Lesen, das ist gar keine Frage.
    "Der Schullehrplan fragmentiert immer weiter"
    Gebert: Jetzt haben Sie die Digitalisierung angesprochen, das bedeutet aber auch, dass die Eltern und auch die Lehrer und Schüler teilweise mehr darauf gucken, was brauche ich denn sonst noch, um im Leben voranzukommen. Und da entstehen dann so Wunschfächer: Ernährung, Medienkompetenz, Wirtschaft. Halten Sie das für unwichtig?
    Höppner: Nee, bloß mir wird das zu fragmentiert. Das ist überhaupt nicht unwichtig. Aber a) findet natürlich statt, dass immer mehr an die Schule delegiert wird. Also da ist auch noch mal ein gesellschaftlicher Diskussionsprozess notwendig, welche Rolle spielen eigentlich die Erziehenden, ich sag auch mal die Familie, in unserem Land. Wir diskutieren jetzt schon über Werteunterricht. Also der Schullehrplan fragmentiert immer weiter, wird damit natürlich heillos überfordert.
    Wie spannend wäre es denn, wenn man in der Schule das Thema, zum Beispiel den Musikunterricht mit der Mathematik, mit dem Erdkundeunterricht, also wirklich interdisziplinär auch betrachtet? Ich glaube, wenn wir in diesen Zug einsteigen, dass wir sagen, es gibt einfach Kernkompetenzen, die zur Menschenbildung dazugehören, die auch fächerübergreifend, die Querschnittsaufgaben sind, die fächerübergreifend gelehrt werden müssten – dann würde sich das Tableau der zu unterrichtenden Fächer auch wieder deutlich reduzieren.
    "Länder sind in der Pflicht"
    Gebert: Aber, wenn ich Ihre Argumentation mitgehe, dann könnte man ja durchaus auch sagen: Die musischen Fächer gehören vielleicht nicht unbedingt zu einem Muss, sondern die können wir in die Verantwortung der Eltern geben. Und es gibt ja durchaus viele Kinder, die nach der Schule noch in den Geigenunterricht oder zu einer Zeichenklasse gehen.
    Höppner: Das schaffen tatsächlich auch einige, obwohl wir durch die Ausweitung des Schulunterrichtes da wirklich Hürden haben. Und ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass die künstlerischen Fächer, die musische Erziehung schlechthin eine Privatangelegenheit ist. Das wird ja auch glücklicherweise von der Politik landauf, landab und parteiübergreifend immer wieder betont.
    Nur wir haben hier eine deutliche Diskrepanz zwischen dem, was sonntags erzählt wird und dem, was dann auch tatsächlich montags passiert, und da sind vor allen Dingen die Länder in der Pflicht, weil auf Bundesseite passiert eine ganze Menge, Impulse zu geben. Ich sag nur mal Stichwort kooperativer Föderalismus, da müssten jetzt bloß die Länder auch noch mal bereit sein, diese Hilfe tatsächlich anzunehmen.
    Gebert: Von den Ländern haben wir unter anderem von Thüringen gehört, dass es auch an Fachpersonal fehlt. Das heißt, Thüringen beklagt unter anderem, dass es für die musischen Fächer gar keine Lehrer mehr gibt, um Stellen zu besetzen.
    Höppner: Genau. Das steht dann am Ende der Nahrungskette sozusagen, der Ausbildungskette, wenn man Leistungskurse an den Gymnasien streicht, dann ist das mit eine Ursache, dass auch die Bewerberzahlen an den Musikhochschulen zurückgehen, und so setzt man eine Kette in Gang, dass man tatsächlich einen Fachlehrermangel hat. Die werden händeringend gesucht und das ist auch nicht von heute auf morgen zu beseitigen. Auch nicht mit den sogenannten Quereinsteigern oder fachfremd Unterrichtenden, was ein diffiziles Thema ist.
    "Gesellschaft braucht pädagogische und künstlerische Kompetenz"
    Gebert: Da würde ich aber gerne noch mal drauf einsteigen auf dieses diffizile Thema. Was halten Sie denn davon, zumindest übergangsweise dafür zu sorgen, dass es wieder Musikunterricht und Kunstunterricht gibt, und dafür auch Menschen, die eben das nicht studiert haben beziehungsweise kein pädagogisches Studium haben, an die Schulen zu schicken?
    Höppner: Ich bin erst mal um jedes Kind froh, was einen anregenden Musikunterricht oder auch Kunstunterricht erhält. Es gibt auch gelungene Fälle, wo Quer- oder Seiteneinsteiger in der Tat erfolgreiche Bildungsbiografien von Kindern und Jugendlichen geprägt haben, und die wird es auch weiterhin geben. Ich habe nur die Befürchtung, dass die Finanzpolitiker der Länder ein Modell, was aus ihrer Sicht funktioniert – das ist dann dieser Quer- und Seiteneinsteigerhype, den wir im Moment haben –, dass das dann dazu missbraucht wird, letztendlich auch differenzierte Ausbildungsgänge, die wir an den Musikhochschulen oder an den Universitäten haben, abzuwickeln beziehungsweise einzuschränken.
    Und das kann es nicht sein. Wir leben in einer gesellschaftlichen Situation, die braucht beides, pädagogische Kompetenz und künstlerische Kompetenz. Solche Menschen brauchen wir, die aber auch mit der heutigen Generation, der Jugendlichen, in der Lage sind, die wirklich zu erreichen und mit ihnen umzugehen. Und das jetzt einfach austrocknen zu lassen oder zu reduzieren, wäre fatal für die Qualität künftiger Generationen in der Schule.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.