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Elon Musk, Kanye West, Donald Trump
Wenn Milliardäre Meinungen machen wollen

Elon Musk könnte Twitter übernehmen, Kanye „Ye“ West ist an Parler interessiert, Donald Trump hat mit Truth Social bereits seine eigene Plattform. So unterschiedlich diese drei US-Milliardäre sind: Sie eint der Wunsch, die Regeln für Kommunikation selbst bestimmen zu können. Experten sehen das mit Sorge.

Text: Michael Borgers | Simon Hurtz im Gespräch mit Sebastian Wellendorf |
Elon Musk und Donald Trump im Gespräch im Kommandozentrum von SpaceX im Kennedy Space Center in Cape Canaveral
Elon Musk und Donald Trump 2020 (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Alex Brandon)
Mehr als ein halbes Jahr, nachdem er 44 Milliarden US-Dollar geboten hat, könnte Elon Musk nun tatsächlich den Kurznachrichtendienst Twitter übernehmen. US-Medien zufolge will der Unternehmer das Geschäft noch bis Freitag abschließen. Vorangegangen war ein Hin und Her, zwischenzeitlich hatte sich Musk sogar schon wieder von seinen Plänen verabschiedet.
Musk wäre nach dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, bis zu seinem Einstieg in die Politik Geschäftsmann, der nächste Milliardär mit eigener Meinungsplattform; Trump hatte in diesem Jahr „Truth Social“, eine Art Twitter-Klon, gegründet, nachdem Twitter sein Profil gelöscht hatte. Und mit Kanye West, Musiker und Geschäftsmann mit einem geschätztem Vermögen von zwei Milliarden Dollar, könnte bald der nächste Prominente ins Geschäft mit den Meinungen einsteigen. West, der sich selbst seit kurzem „Ye“ nennt, will Parler kaufen . Was die Drei noch eint, sind teilweise ihre politischen Ansichten.

Digitaljournalist Hurtz: Keine große Agenda rechter Kräfte

Dass dahinter aber „eine große Agenda rechter Kräfte“, verbannt Simon Hurtz ins Reich der Verschwörungsmythen. „In allen drei Fällen stecken unterschiedliche Motive dahinter“, sagte er dem Deutschlandfunk. Hurtz schreibt für die „Süddeutsche Zeitung“ und den Social Media Watchblog über Digitalthemen.
Mit seinen antisemitischen Aussagen gelte Kanye West mittlerweile als noch radikaler als Donald Trump, so Hurtz. Musk dagegen begreife sich als Libertärer und habe in der Vergangenheit erklärt, auch die Demokraten gewählt zu haben. (Zuletzt kündigte er allerdings an, künftig für die Republikaner zu votieren.)
Kanye West im Oktober 2018 im Weißen Haus in Washington.
US-Künstler und Geschäftsmann Kanye West, hier 2018 bei seinem Besuch von Donald Trump im Weißen Haus (picture alliance / Consolidated News Photos / Ron Sachs)
Dass reiche Menschen Medienunternehmen kauften, sei außerdem nicht neu, betont Hurtz – und erinnert an Amazon-Gründer Jeff Bezos, der seit 2013 mit der „Washington Post“ eine klassische Tageszeitung besitzt. Dass heutzutage Soziale Netzwerke von Interesse seien, spiegele den Einfluss, den diese Plattformen mittlerweile in der Gesellschaft einnähmen.
Am interessanten sei ohnehin, so der Digitaljournalist, wie sich die Dinge bei Twitter entwickeln würden. Sollte es zum Abschluss kommen, müsse man genau hinschauen, welche seiner Ankündigungen Elon Musk wahrmacht. Parler und Truth Social – für Hurtz sind das zwar radikale, aber irrelevante Orte des Meinungsaustauschs.

Medienethiker Filipović: Der Populismus wird machtvoller

Ihm bereite der Dreiklang aus Musk, West und Trump schon Sorgen, sagte der Wiener Medienethiker Alexander Filipović gegenüber dem Deutschlandfunk. Denn gemeinsam sei den Männern, „mit zum Teil sehr abweichenden Meinungen jenseits des gesellschaftlichen Konsenses mit Ängsten zu spielen und Populismus im schlimmsten Sinne zu betreiben“.
Probleme auf Social Media gebe es natürlich bereits jetzt, stellt Filipović fest: „Plattformen wie Twitter verführen dazu, die eigene Einstellung zu überziehen, um möglichst scharf sichtbar zu sein.“ Und dadurch entstehe der Eindruck, „wir würden uns alle an den Polen von Debatten aufhalten“. Doch das stimme gar nicht, wie Debatten von Angesicht zu Angesicht meist zeigten. Er selbst sei dennoch auf Twitter aktiv, weil er weiterhin an dessen Funktion als Debattenmedium glaube, so der Wissenschaftler:

Die Plattform hat damit eine globale Bedeutung, von daher wäre es schade, wenn sich Twitter stark verändern würde.

Gefragt sei weiterhin vor allem der klassische Journalismus: „Unsere Medien haben eine große Verantwortung, diesen neuen Dreh des Strukturwandels, wenn sich Milliardäre ins Spiel bringen und der Populismus machtvoller wird.“ Umso wichtiger sei es, so Filipović, „unabhängige, gut finanzierte Medien zu haben“.

Jurist Kettemann: Europäisches Recht gilt weiterhin

„Millionäre lassen sich sehr ungern sagen, was sie sagen dürfen. Deswegen kaufen oder gründen sie gerne soziale Netzwerke, um sich gegen Kritik und Moderation zu immunisieren“, findet Matthias Kettemann, Professor für Innovation und Internet-Governance an der Uni Innsbruck. Das sei problematisch, so Kettemann gegenüber dem Deutschlandfunk, „weil Netzwerke mit weniger Moderation nicht mehr Redefreiheit aufweisen“. Im Gegenteil würden Freiheiten „ohne bindende Leitplanken“ besonders für schützenswerte Gruppen schwinden.

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„Bisher durften in den USA Plattformen nach Gutdünken moderieren und auch reiche und mächtige Männer ausschließen“, erklärt der Jurist. Nun versuchten republikanische Politiker in Texas und Florida Gesetze vor den Supreme Court zu bringen, die es Plattformen verbieten würden, legale Inhalte zu moderieren. „Das ist brandgefährlich, weil in den USA sehr viel legal ist“, so Kettemann.
Die gute Nachricht hierzulande laute: Auch ein Twitter, dass Elon Musk gehöre, sei an europäisches Recht gebunden: „So reich man auch ist, europäisches Recht gilt trotzdem auch auf der eigenen Plattform.“