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Muslim Jewish Conference
Muslime und Juden wollen Feindbilder zerreden

Muslime sind strenggläubige Gewalttäter und Juden Geschäftemacher und Okkupanten: Typische Feindbilder, die in der jeweils anderen Religionsgemeinschaft weit verbreitet sind. Bei der Muslim Jewish Conference in Berlin zeigen junge Aktivisten aus aller Welt dass esauch anders geht - und religiös-politische Themen friedlich besprochen werden können.

Von Jens Rosbach |
    Der Schriftzug "Moschee und Synagoge" an einem Terminal des Flughafens in Frankfurt am Main
    Ein friedliches Zusammenleben der Religionen - dafür setzen sich auch die Teilnehmer an der Muslim Jewish Conference ein. (picture alliance / dpa / Angelika Warmuth)
    Sulaiman Khatib ist Palästinenser, als Teenager attackierte er israelische Soldaten. Dafür saß er zehn Jahre lang im Gefängnis. "Als ich 14 war, hielt ich den bewaffneten Kampf für die einzige Lösung. Aber während meiner Gefängniszeit las ich Bücher über Nelson Mandela und Mahatma Gandhi. So kam ich zu der Überzeugung, dass es keine militärische Lösung gibt für unseren Konflikt. Meine Meinung und meine Gefühle änderten sich; ich wurde Aktivist für Frieden und Veränderung."
    Khatib, 43 Jahre alt, engagiert sich heute bei Combatants for Peace, einer Initiative aus ehemaligen palästinensischen Aufständischen sowie israelischen Ex-Soldaten. Kürzlich war er in Oslo, um für Verständigung zwischen Moslems und Juden zu werben. "In Oslo sprachen wir in einer Schule für Immigranten, das waren vor allem Moslems aus dem Irak, aus Afghanistan, Tschetschenien und Afrika. Als sie meinen israelischen Partner sahen, hatten sie anfangs ein Problem. Weil sie Israelis nur aus den Massenmedien kannten als Killer und Kämpfer. Aber am Ende der Stunde kamen alle zu uns, um Fotos zu machen. Wir haben Vertrauen aufbauen können – gerade wegen unseres Hintergrundes."
    Junge Multiplikatoren und Führungskräfte aus rund 40 Ländern
    Der Palästinenser - sowie rund 160 weitere Muslime und Juden - diskutieren nun in Berlin, wie sich die Religionen weiter annähern können. Es handelt sich um zumeist junge Multiplikatoren und Führungskräfte aus rund 40 Ländern. Ilja Sichrovsky ist 32 Jahre alt und hat Entwicklungspolitik studiert. Der Wiener Jude rief vor sechs Jahren die erste Dialog-Konferenz ins Leben. "Schlussendlich haben wir gemerkt, dass es wirklich einen Veränderungsprozess bewirkt, der innerhalb von sieben Tagen es schafft, Vorurteile und Hass, der sich 25 bis 30 Jahre lang aufgebaut hat, in Stücke zu schmettern."
    Ob religiöse Intoleranz, Geschlechterfragen oder Gaza-Konflikt – die Muslim Jewish Conference kennt keine Tabus. Was die Teilnehmer trotz vieler Streitpunkte eint: Beide Religionsgruppen leiden häufig unter Anfeindungen; unter Islamophobie beziehungsweise Antisemitismus. Sichrovsky: "Man muss einfach langsam mal realisieren, dass man gegen alle Formen des Rassismus gemeinsam auftreten muss, wenn wir irgendwann einmal Kinder in die Welt setzen wollen, die nicht ständig Hass ausgesetzt sind aufgrund der Art und Weise wie sie beten, wie sie aussehen oder wo sie geboren wurden."
    Viele Teilnehmer können nur im Kleinen wirken
    Doch in vielen islamischen Staaten ist der Einsatz für eine muslimisch-jüdische Verständigung ein riskantes Unterfangen. So können viele Konferenz-Teilnehmer zu Hause nur im kleinen Rahmen wirken – wie der Pakistaner Aziz Sohail. Der 25-jährige Kunst-Dozent versucht an seiner Universität etwa, über die Historie Brücken zu schlagen: "Eins unserer Module hat sich mit der sogenannten entarteten Kunst beschäftigt. Als Hitler an die Macht kam, hat er diese Kunst vernichten und die Künstler einsperren lassen, darunter viele Juden. Wir haben dann Mitgefühl für die Verfolgten entwickelt, weil wir die Verbindung zu unserem eigenen Land aufzeigen konnten - zu Diktatur und Zensur in Pakistan. Wir sprachen auch darüber, dass wir für Toleranz und Offenheit kämpfen müssen."
    Die nunmehr sechste jüdisch-muslimische Konferenz tagt erstmals in Berlin – nach Wien, Kiew, Bratislava und Sarajevo. Sie erhält zwar Unterstützung vom Auswärtigen Amt. Doch innerhalb der eigenen Religionsgemeinschaften ernten die Friedensstifter viel Kritik: Nämlich dass sie naiv seien und Konflikte verharmlosten. So wird das Forum von keiner weltweiten religiösen Dachorganisation gefördert. Der jüdische Konferenz-Gründer Ilja Sichrovsky glaubt, dass sein Forum viele provoziert: "Weil es einfach ein ziemlich beängstigender Gedanke war für die Herren, die die Macht haben in den beiden Religionsgemeinschaften, dass auf einmal ein vollkommen unkontrollierbarer Haufen von jungen Aktivisten das zustande bringt, was offiziell unmöglich ist: Nämlich sich hinzusetzen und miteinander die wichtigen Themen durch zu besprechen."