Ein unscheinbarer Hauseingang in der Nähe des Barbarossa-Platzes in Köln. Abgeriegelt durch ein blaues Eisentor steht hier ein Stück deutsch-muslimischer Geschichte.
"Also '62 kamen ja die Arbeitermigranten aus der Türkei hierher. Das Vorderhaus wurde eben als Wohnquartier für die Arbeiter genutzt. Der Hinterhof, also die Gebäude im hinteren Hof, wurden dann relativ früh, 1965, als Moschee umgeplant."
Die Barbarossa-Moschee ist damit die vermutlich älteste Gastarbeitermoschee Deutschlands. Mehmet Bayrak, in Köln aufgewachsen, studiert in Aachen Architektur. Der 29-Jährige promoviert zum Thema "Hinterhofmoscheen". Als archetypisch für die "Hinterhofmoschee" kann die Barbarossa-Moschee gelten, die im Januar 2015 geschlossen wurde. 50 Jahre zuvor machten die türkischen Arbeiter mit einfachsten Mitteln aus dem verlassenen Gebäude im Hof ein Gebetshaus. So erzählt es Hassan-Ingo Schmiede, der als Architekt heute moderne Moschee-Projekte betreut.
"Also verwaltungsrechtlich gesehen war es damals deutlich einfacher, so einen Versammlungsort genehmigt zu bekommen. Da kam Farbe ran, Teppiche rein, und das war's."
Dazu noch eine Heizung und Waschgelegenheiten. Für die Gastarbeiter sei vor allem erst einmal wichtig gewesen, einen Ort zu haben, an dem sie sich über ihre Probleme austauschen können. Und aus spiritueller Sicht, so betont es Bayrak, könne selbst ein Wohnzimmer in eine Moschee umgewandelt werden.
"Dass nicht das Gebäude eben sakral ist, das ist zum Beispiel ein großer Unterschied zwischen dem Christentum und dem Islam. Dass das eigentlich ein Profanbau ist. Und das nicht der Ort heilig ist, sondern das Gebet den Ort erst heilig macht."
Wichtig ist nur: Es muss ein nach außen abgegrenzter Ort sein, der liturgisch rein ist. Das bedeutet: Man läuft dort nicht mit Schuhen, es gibt keine Hunde oder andere Tiere, die den Ort verunreinigen können. Und: Die Betenden können sich nach Mekka ausrichten.
Es gibt also kaum religiöse Vorgaben für die Architektur einer Moschee. Dennoch zeichnet sich ein neuer Bau-Trend ab. Überall in Deutschland werden große, repräsentative Moscheen errichtet, häufig im osmanischen Stil, mit Kuppeldach und Minaretten. Für viele Muslime ist das ein Zeichen eines neuen Selbstbewusstseins: raus aus dem Hinterhof, rein in die Öffentlichkeit.
Mit dem Auto geht es zu einem Bauprojekt, dass dieses neue Selbstverständnis ausdrücken soll: die Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld, direkt an einer Hauptstraße gelegen. Bauherr ist der türkisch-islamische Verband DITIB, seit sechs Jahren wird an der Moschee gearbeitet. Ein gewaltiges Gebäude, es soll Platz für über 1.200 Gläubige bieten. Die Form ist eine Mixtur aus traditionell-osmanischem Kuppelbau und modernen Glasfassaden. Den Baustil finden Bayrak und Schmiede nicht schlecht. Woran sie sich stören: dass bei solchen Großprojekten nur einige wenige Funktionäre das Sagen haben.
"Bei den alten Moscheen, und die Organisationsstruktur, wie das aufgebaut und umstrukturiert wurde, da hatten die Gemeindemitglieder noch eine ganz andere Rolle", sagt Bayrak. "Ja der eine konnte mauern, der hat die Mauern hochgezogen", wirft Schmiede ein. "Der andere war Maler, der konnte malen. Der Dritte hat die Fliesen hochgezogen. Jeder hat irgendwas gemacht."
Dadurch seien die Moscheen besser an die Bedürfnisse der Gemeindemitglieder angepasst gewesen. Heute würden bei einigen Moschee-Neubauten Glasfassaden eingesetzt werden. Das symbolisiere Transparenz, lenke aber vom Gebet ab. Die Betenden fühlen sich beobachtet. Und gerade ältere Muslime, die oft aus einfachen Verhältnissen stammen, würden durch besonders prunkvolle Innenräume eingeschüchtert.
"Und wenn Architektur das auslöst bei der Gemeinde, dass sie sagen: 'Ah, es ist zu nobel. Es ist nicht das, wo ich mich wohlfühle und in mich gehen kann', dann ist mir egal, wie schön die Architektur ist" sagt Bayrak bestimmt. "Dann ist sie misslungen."
Wir fahren weiter zu einer kleinen bosnischen Hinterhofmoschee. Sie liegt in einem ehemaligen Gewerbegebiet. Vor 20 Jahren suchten Kriegsflüchtlinge vom Balkan hier einen Ort zum Gebet und griffen zurück auf die Erfahrungen der türkischen Gastarbeiter: Ein altes Gewerbegebäude wurde gekauft, es kamen ein paar Teppiche rein und eine Gebetsnische. Dieses Prinzip der Moscheen-Einrichtung findet sich quasi deckungsgleich auch in Großbritannien oder den USA. Bayrak will nun rausfinden, ob man die Hinterhofmoscheen als einen eigenen Baustil bezeichnen könne. Was diese Gebäude meist gemeinsam haben: eine eher schlichte Fassade. Das habe im Orient Tradition, erklärt Schmiede.
"Sehen wir mal ab von den großen Moscheen, die allesamt Sultansmoscheen sind. Dann ist es so, dass es von den Wohnungen bis hin zu Moscheegebäuden, die äußere Ansicht bis in die 90er Jahre hinein unwichtig war – verschlossen ist."
Diese Verschlossenheit der Architektur kann aber in der nicht-muslimischen Mehrheitsgesellschaft auch Misstrauen wecken. Wird hinter den schmucklosen, abweisend wirkenden Fassaden etwas ausgeheckt? Hinterhofmoscheen haben ein gewisses Schmuddel-Image unter Nicht-Muslimen. Zu Unrecht, betont Bayrak. Wer hinter die grauen Wände schaue, sehe, dass es dort warm und friedlich zugeht.
Letzter Stopp der Moscheen-Tour ist Köln-Kalk, das Heimatviertel von Mehmet Bayrak. Wir besuchen eine "Hinterhofmoschee", die nicht in einem Hof, sondern an der Straße steht.
"Die Eyüp Sultan Moschee in Köln-Kalk", sagt Schmiede und zeigt auf die Eingangstür. "Ein Wohngebäude, mit einem Ballsaal hintendran. Der Ballsaal ist geteilt worden, horizontal geteilt worden, zu zwei Gebetsräumen, die jetzt übereinander liegen."
So wurde geschickt gelöst, dass Frauen und Männer getrennt beten können. In manchen Hinterhofmoscheen müssen sich Frauen, wenn sie beten wollen, in kleine Nischen am Ende des Raumes drängen.
Das Innere der Moschee ist unauffällig, aber freundlich: An den Wänden hängen ein paar Fliesen mit Blumenmotiven. Es gibt rote Teppiche und eine kleine Gebetsnische.
"Man fühlt sich hier wohl", sagt Schmiede und geht in die Hocke. "Man nimmt hier sein Abdest, seine Gebetswaschung, spricht die vorgeschriebenen Rakat, Gebetseinheiten, und bleibt dann einfach noch vielleicht zehn Minuten, um zur Ruhe zu kommen. Das wird schwierig bei den großen Moscheen."
Etwa bei den Moscheeneubauten in Duisburg, Dormagen oder Berlin, in denen mehrere hundert oder gar Tausend Menschen Platz finden. Hier verliere sich der einzelne in der Weite – und konzentriere sich nicht mehr auf das Innere, das Zwiegespräch mit Gott. Auch aus finanziellen und raumplanerischen Gründen, so betont es Bayrak, sei es unsinnig, immer mehr auf repräsentative Bauten zu setzen. Hinterhofmoscheen verbrauchen deutlich weniger Ressourcen – und spiegelten somit das islamische Gebot der Bescheidenheit wider.
"Die Genügsamkeit ist einfach sehr, sehr wichtig", sagt Bayrak beschwörend. "Und die Genügsamkeit bei diesen Neumoscheen – die ist weg."
In Politik und Gesellschaft wird häufig von der Notwendigkeit gesprochen, einen "deutschen Islam" zu entwickeln. Aber wie sieht die "deutsche Moschee" aus? Für Bayrak ist wichtig, dass sich Moscheen ins Stadtbild einfügen. Also, wenn schon Neubau, dann bitte ähnliche Materialien wählen wie in der Umgebung. Hassan Schmiede nennt ein Beispiel.
"Ich glaube in Mosbach in Bayern gibt es eine bayrische Moschee, so habe ich das einfach genannt. Das ist ein klassisch bayrisches Gebäude mit einem ausladenden Satteldach und einem gedrungenen Minarett dran. So stelle ich mir dann eine deutsche Moschee vor."
Mosbach liegt zwar in Baden-Württemberg, die dortige Moschee hat aber tatsächlich ein klassisch alpenländisches Design. Im bayrischen Penzberg gibt es auch einen gelungenen Neubau, sagt Bayrak: Dort gibt es zwei kleine Minarette, aber anstatt mit Muezzin-Gesang wird dort mit leuchtenden Schriftzeichen zum Gebet gerufen. Dies füge sich gut ins Stadtbild ein. Er wolle nicht die Hinterhofmoscheen zum absoluten Nonplus-Ultra verklären, sagt Bayrak zum Abschied. Aber es sei wichtig, sowohl den demokratischen Ansatz als auch die Funktionalität dieser Orte als Vorbild für neue islamische Projekte zu nehmen.
"Das was man aus diesen 50 Jahren der Hinterhof-Ära gelernt hat, dass man das als Erfahrungsschatz nimmt und in die Planungen mit einfließen lässt", sagt der Architekt. "Und nicht dass man dem Neuen, und Schönen, und Monumentalen hinterherrennt, und das Wichtige eher vergisst. Davor habe ich Angst."