Archiv


"Muslimische Jugend in Deutschland" unter Verdacht

In der "Muslimischen Jugend in Deutschland" versammelt sich eine neue Bildungselite junger Muslime. Seit einiger Zeit taucht die Organisation im Bericht des Verfassungsschutzes auf. Dagegen hat die Jugendorganisation nun geklagt - teilweise erfolgreich.

Von Jan Kuhlmann | 20.02.2012
    Nicht nur den Glauben ihrer Mitglieder will die "Muslimische Jugend in Deutschland" stärken – die MJD will sich auch in der Gesellschaft engagieren. Sie beteiligt sich an Projekten, die die Demokratie stärken sollen. Explizit wendet sie sich gegen radikale Formen des Islams und gegen Gewalt. Trotzdem taucht die Organisation in Berichten von drei Landesämtern und vom Bundesamt für Verfassungsschutz auf. Diese Behörden sehen in der MJD eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Die Organisation schüre unter anderem anti-westliche Emotionen. Doch diesen Vorwurf weist MJD-Vorstandsmitglied Malika Mansouri zurück:

    "Wir sagen genau das Gegenteil. Wir wollen, dass man differenziert und dass wirklich die muslimischen Jugendlichen die Möglichkeit haben, sich hier wohlzufühlen und hier beheimatet zu werden. Und dazu gehört es aufzuhören zu trennen mit 'Die' und 'Wir', der 'Westen' und die 'islamische Welt'. So einen Gegensatz gibt es nicht, der ist konstruiert. Wir sind Teil des Westens."

    Die MJD war jetzt mit einer Klage gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz größtenteils erfolgreich. Das Berliner Verwaltungsgericht entschied, dass die Kölner Behörde mehrere Passagen über die MJD in ihrem Jahresbericht 2009 streichen muss. So erwähnt das Dokument einen anti-westlichen Schulungsleitfaden, den die MJD für Mitgliederseminare verwendet haben soll. In dem Papier ist die Rede von "Schönfärberei der westlichen Regierungen (...), um muslimische Regime aktiv zu destabilisieren". Doch dieses Zitat muss der Verfassungsschutz streichen – laut Gericht ist es nicht hinreichend beweisen, dass die MJD es verwendet hat. Anders urteilte die Kammer jedoch zu einem zweiten Zitat aus diesem Papier. Es lautet:

    "Die Teilnehmer sollten am Ende dieses Kurses erkennen, dass Allah die beste Anleitung zu den Prinzipien eine Regierung zu führen zur Verfügung gestellt hat, dass Sakularismus im Islam keinen Platz hat und dass die Muslime daher sich bemühen müssen, Allahs Anleitung in allen Belangen umzusetzen."

    Dieses Zitat darf im Verfassungsschutzbericht weiter stehen – das Gericht zeigte sich überzeugt, dass es sich um Material der MJD handelt. Die genaue Urteilsbegründung steht noch aus. Die MJD beteuerte in der Verhandlung, keines der erwähnten Zitate jemals verwendet zu haben. Malika Mansouri:

    "Was dieses Textpassagen aussagen, ist einfach nur Hetze. Das würden wir auch einfach aus unserem Selbstverständnis nicht machen, weil wir uns damit selber schaden würden. Also, das sind genau die Punkte, gegen die wir ankämpfen, gegen die wir antreten."

    Erfolgreich war die MJD mit einem zweiten Klagepunkt. Im Jahresbericht des Verfassungsschutzes darf es nicht mehr heißen, sie empfehle ihren Mitgliedern, sich in allen Fragen der islamischen Rechtsauslegung am europäischen Fatwa-Rat ECFR zu orientieren. Kritiker sehen dieses Rechtsgelehrtengremium aus Dublin in Verbindung mit den islamistischen Muslimbrüdern. Die MJD habe sich nur in wenigen einzelnen Fällen auf die Rechtsgutachten des Rates berufen, sagt Vorstandsmitglied Malika Mansouri. Viele muslimische Jugendliche suchten Antworten auf Fragen und stießen vor allem im Internet auf Aussagen von radikalen Muslimen, die zum Beispiel Musik verbieten würden.

    "Wenn wir vor allem diese Jugendlichen erreichen wollen und auch davon überzeugen wollen, einer anderen Auslegung zu folgen, hat es einfach noch einmal eine andere Akzeptanz zu sagen – beispielsweise das Thema Musik, ist gut, ist wichtig, wunderbar – das sehe ich so. Und es ist nicht so, dass ich damit dem Islam widerspreche, sondern es gibt auch Gelehrte, die das auch vertreten."

    Hier zeigt sich deutlich, wie wichtig es ist, in Deutschland eine islamische Theologie zu etablieren. Die MJD nutzt Gutachten des ECFR auch deswegen, weil es keine anderen Expertengremien gibt. Es mangelt an islamischen Autoritäten, die mit hiesigen Werten und Normen vertraut sind. Weder der Verfassungsschutz noch dessen Anwalt wollten sich zu dem Prozess äußern. Die MJD hält der Behörde vor, einseitig auf die Jugendorganisation zu blicken und deswegen ein verzerrtes Bild wiederzugeben. Die Erwähnung in Verfassungsschutzberichten bringt für die MJD große Probleme. Einst wurde sie vom Bundesjugendministerium gefördert – das ist lange vorbei. Mögliche Partner aus dem gesellschaftlichen und politischen Bereich sind skeptisch, wenn es um eine Zusammenarbeit geht. Auch für Mitglieder sei der Verfassungsschutzbericht ein Problem, sagt der MJD-Vorsitzende Hisham Abul Ola:

    "Das hinterlässt bei ihnen mindestens ein mulmiges Gefühl. Aber ich glaube, auch genau das ist die Absicht damit, jemanden im Verfassungsschutzbericht zu erwähnen. Man muss ja ganz offen sagen: Die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht – damit ist eine Sanktionierung des Verbandes verbunden, und auch bewusst verbunden. Und diese Sanktionierung spüren wir durchaus."

    Beide Seiten können gegen das Urteil noch Berufung einlegen.

    Infos:

    Muslimische Jugend in Deutschland