Antje Allroggen: Auch im früheren Burma wurde viel Blut vergossen, als sich im Sommer 2007 Bürger auf die Straßen des einstigen Militärregimes gewagt hatten, um gegen die Unterdrückung der Meinungsfreiheit friedlich zu demonstrieren. Die Kundgebungen waren nur einen Monat später von der Regierung des Landes gewaltsam niedergeschlagen worden. Das Land, früher Burma genannt, stand seit 1962 unter Militärherrschaft. Erst Anfang 2011 gibt es einen zivilen Präsidenten als Staatsoberhaupt, wenngleich die jetzige Verfassung dem Militär immer noch Vorrechte zuschreibt. Myanmar befindet sich also in einem sachten Demokratisierungsprozess. Das Linden-Museum in Stuttgart zeigt nun eine kulturhistorische Ausstellung über das Land - die erste, die seit der Öffnung Myanmars in Deutschland zu sehen ist. Kuratiert wurde sie von Georg Noack. Wer sich ein wenig mit dem Land beschäftigt, erkennt sofort, dass das dortige Leben vor allem vom Buddhismus geprägt wurde. Ich habe Georg Noack deshalb zunächst gefragt, ob die Stuttgarter Ausstellung Exponate zeigt, die diese starke Bindung Myanmars an den Buddhismus verdeutlichen.
Georg Noack: Ja. Letztlich ist das das Leitmotiv unserer Ausstellung, oder auch der rote Faden, der da durchführt, dass wir uns verschiedene Ausdrucksformen gelebter Religionen anschauen. Das beginnt mit Dingen des Alltages, von ganz einfachen Dingen wie Gefäßen zur Aufbewahrung von Trinkwasser, Dosen für die Aufbewahrung von Betel und anderen Genussmitteln, die aber immer auch gleich mit religiösen Ornamenten verziert sind, die beispielsweise mit Motiven aus der buddhistischen Überlieferung verziert sind, mit astrologischen Symbolen, glücksbringenden Symbolen verziert sind. Also auch hier in wirklich ganz alltäglichen Dingen finden sich bereits schon viele Anzeichen dafür, viele Zeichen dafür, dass das Leben auch heute sehr stark religiös bestimmt ist.
"Selbstbild von Myanmar als einem buddhistischen Land"
Allroggen: Gilt das religionsübergreifend? Schließlich gab es im früheren Burma ja immer wieder auch ethnische Konflikte. Die Christen kämpften ab 1949 für einen unabhängigen Staat. Die Lage verschärfte sich, als der damalige Premierminister den Buddhismus zur Staatsreligion erklärte und damit die anderen Religionen des Landes ja auch brüskierte. Was ist denn mit der Kulturgeschichte dieser Minderheiten, Herr Noack? Findet sie in Ihrer Stuttgarter Ausstellung auch Platz?
Noack: Ich denke, es ist nicht ganz so einfach. Wir haben einen Unterschied zwischen Hochland und Tiefland, einen Unterschied zwischen der ethnischen Mehrheit der Birma oder Birmanen, die das Tiefland besiedeln und die fast zu 100 Prozent Buddhisten sind, und dann den verschiedenen ethnischen Minderheiten, die in den Berggebieten wie ein Hufeisen um dieses Tiefland herum leben und die lange Zeit eigene Religionsformen hatten und im 19. und 20. Jahrhundert dann teilweise den Buddhismus, überwiegend aber das Christentum angenommen haben. Erst mit der Unabhängigkeit werden diese Bergregionen dann einer stark zentralistischen Regierung unterstellt, die naturgemäß von der Tieflandmehrheit der Birma dominiert wird, denn es gibt ein ganz starkes Selbstbild von Myanmar als einem buddhistischen Land.
Auch die Rede vom goldenen Land, was sich ja in unserem Ausstellungstitel wiederfindet, nimmt darauf Bezug, das legendäre goldene Land, was sich schon in der indischen Überlieferung findet, und aus dieser Konstruktion der eigenen Identität, der nationalen Identität, die ganz, ganz stark über die buddhistische Religion passiert, ist es nicht immer ganz einfach, da auch einen religiösen Pluralismus, einen ethnischen Pluralismus drin zu integrieren.
Das heißt nicht, dass das andere ausgeblendet ist. Wir haben Texte, Themen, Medien, auch einzelne Objekte, die zum Beispiel die Minderheiten thematisieren, gerade im Bereich der äußeren Erscheinung. Trachten spielen eine ganz wichtige Rolle, um auch ethnische Differenzen zum Ausdruck zu bringen. Aber wenn es beispielsweise um darstellende Künste geht, wenn es um die Welt der Geister geht, oder auch um die hohe buddhistische Kunst, ist es doch so, dass der Schwerpunkt deutlich im Tiefland, also bei der ethnischen Mehrheit liegt.
"Vorwiegend doch kulturell interessierte Touristen"
Allroggen: Tiefland und Hochland - vielleicht ist beides demnächst einfach besser bekannt durch die Tatsache, dass immer mehr Touristen seit 2011 auch nach Myanmar reisen. Viele Menschenrechtsorganisationen sehen diese Entwicklung ja durchaus kritisch. Was ist Ihre Haltung dazu? Vielleicht etwas ketzerisch gefragt: Schaden Touristen nicht auch dem Erhalt des kulturellen Erbes, das durch den Kontakt mit den Reisenden immer mehr verwestlicht?
Noack: Das kommt sicherlich darauf an, wie Tourismus stattfindet. Bislang haben wir, obwohl der Tourismus in Myanmar stark zugenommen hat, vorwiegend doch kulturell interessierte Touristen, die dann auch einigermaßen behutsam vorgehen und zu einem meines Erachtens doch sehr wichtigen zunehmenden Kulturaustausch beitragen. Und es ist, denke ich, schon eine wichtige Entwicklung, denn Myanmar ist über das 20. Jahrhundert oder über die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinweg sehr lange relativ isoliert gewesen und ist dadurch auch ein bisschen in eine Sackgasse geraten. Ich habe das sehr stark gemerkt bei Recherchen an der Universität in Rangun, Yangon jetzt. Ich bin dort in die Bibliothek gegangen und habe gesehen, da sind seit 1962 keine ausländischen Bücher mehr importiert worden. Erst dann in den 90er-Jahren sind vereinzelt wieder welche ins Land gekommen. Aber es gibt dort eine ganz große Lücke des Austausches, den in vielen Bereichen Kulturschaffende, Künstler, Schriftsteller und so weiter jetzt auch bemerken und versuchen, ein Stück weit auszugleichen. Das Einfrieren hat eigentlich eher negative Auswirkungen gehabt, unter denen dann viele auch gelitten haben.
Allroggen: Georg Noack war das, Kurator der Ausstellung "Myanmar- Das Goldene Land", die noch bis Mitte 2015 ist im Stuttgarter Linden-Museum zu sehen ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.