Archiv

Myanmar
Rohingyas auf der Flucht vor Hass

Seit militante Rohingyas in Myanmar einige Militärposten in der Region Rakhine überfielen, schlagen die Streitkräfte hart zurück. Die Folge sind brennende Dörfer und verzweifelte Menschen, die ihr Heil in der Flucht ins Ausland suchen.

Von Holger Senzel |
    Rohingya-Flüchtlinge strecken in einem Lager verzweifelt die Hände nach Essen aus.
    Rohingyas werden in Myanmar als illegale Einwanderer aus Bangladesch angesehen und nicht als Staatsbürger anerkannt (AFP)
    Wut und Tränen - Szenen der Verzweiflung ganz oben im Norden Myanmars an der Grenze zu Bangladesh. Frauen mit ihren Kindern – erschöpft und schmutzig von dem langen Fußmarsch aus der Unruheprovinz Rakhine – werfen sich schluchzend vor den Grenzsoldaten aus Bangladesh in den Staub. Die blicken – ihr Sturmgewehr fest im Griff – betreten und starr an den Flüchtlingen vorbei. "Bitte schickt uns nicht zurück", fleht eine. "Wenn ihr uns zurückschickt, werden wir alle getötet. Dann erschießt uns lieber gleich hier, das ist gnädiger".
    In stetem Strom ziehen sie aus dem ärmsten Teil Myanmars Richtung Grenze: In Lumpen gehüllte Frauen, Kinder und Männer – Säcke mit ihrer Habe auf dem Kopf – die barfuß durch den Matsch stapfen. Rohingya – Angehörige der muslimischen Minderheit im überwiegend buddhistischen Myanmar – auf der Flucht vor der burmesischen Armee und buddhistischen Mönchen.
    "Allah – bitte rette die Rohingya-Muslims. Bitte Allah, sie sind in großer Gefahr, die Buddhisten töten unsere Leute, bitte rette sie."
    Auftakt zu einer neuen Welle der Gewalt
    Sie berichten von Mord, Folter, Vergewaltigungen, in Brand gesetzten Dörfern. Nachprüfen lassen sich die Berichte nicht – die burmesische Armee verweigert Journalisten den Zutritt zur Rakhine-Provinz. Doch viele Flüchtlinge haben Schussverletzungen. Ein UN-Bericht hatte vergangene Woche die burmesische Armee wegen ihres Umgangs mit den Rohingya kritisiert und vor Radikalisierung gewarnt – einen Tag nach seiner Veröffentlichung griffen Rohingya-Aktivisten Polizeistationen an, Auftakt zu einer neuen Welle der Gewalt.
    Immerhin 27.000 Rohingya haben es über die Grenze nach Bangladesh geschafft, vegetieren dort in armseeligen Lagern – auch hier unerwünscht. Die Regierung in Dhaka warnt vor einer humanitären Katastrophe, allein in den vergangenen Tagen wurden dutzende Leichen aus dem Meer gefischt – Rohingya die in Nussschalen die Flucht auf die unruhige See gewagt haben.
    Was tut Aung San Suu Kyi?
    In Myanmars größter Stadt Rangun demonstrieren derweil Tausende – angeführt von buddhistischen Mönchen in karmesinroten Roben – gegen die muslimische Minderheit. "Schützt Rakhine" steht auf ihren Transparenten, ein Mönch fordert unter dem Beifall der Menge vom burmesischen Militär mehr Härte gegen die Rohingya.
    Und was tut Aung San Suu Kyi – Friedensnobelträgerin, Ikone der Demokratie, Vorkämpferin der Menschenrechte? Sie schweigt. Man kann das als Desinteresse interpretieren oder machttaktisches Kalkül. Oder als Zeichen, dass in der jungen Demokratie immer noch die Armee die heimliche Herrscherin ist.