Der Fall war von Beginn an mysteriös. Sowohl die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) als auch der Welt-Leichtathletikverband waren in die Kritik geraten, ebenso das renommierte Anti-Dopinglabor in Köln. Der Vorwurf: Manipulation der positiven Dopingprobe des Gehers Alex Schwazer.
Nun hat ein Zivilgericht in Bozen das Strafverfahren gegen Alex Schwazer wegen Sportbetrugs eingestellt. Man könne kein Fehlverhalten des Olympiasiegers feststellen. Die 2016 entnommenen Urinproben seien manipuliert worden, um ein positives Ergebnis zu erzielen. Richter Walter Pelino kritisierte stattdessen WADA und World Athletics für ihre angeblich "undurchsichtige" Vorgehensweise.
Die WADA zeigte sich in einer Reaktion "entsetzt über die rücksichtslosen und grundlosen Anschuldigungen" durch den Richter. Man habe im Verfahren "erdrückende Beweise" vorgelegt, die von Experten bekräftigt worden seien und behalte sich rechtliche Schritte vor.
Schwazer sieht sich als Opfer eines Komplotts
Der heute 36-jährige Italiener war bereits vor den Olympischen Spielen in London 2012 positiv auf EPO getestet worden. Der Geher-Olympiasieger über 50 Kilometer bei den Sommerspielen 2008 gestand und wurde für gut vier Jahre gesperrt. Ende 2015 sagte Schwazer als Kronzeuge aus und sorgte damit dafür, dass mehrere Menschen in Italien erstmals nicht wegen der Abgabe von Dopingmitteln, sondern wegen der Kultur des Duldens und Wegschauens zu mehrjährigen Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt wurden.
Mit dem italienischen Dopingbekämpfer Sandro Donati als Trainer plante Schwazer daraufhin sein Comeback bei den Olympischen Spielen in Rio 2016. Doch Anfang 2016, kurz nach Ablauf seiner Sperre, gab es wieder eine positive Probe - diesmal auf anabole Steroide. Daraufhin wurde er als "Wiederholungstäter" für weitere acht Jahre gesperrt.
Da die Dopingkontrolle am Neujahrstag durchgeführt worden war, musste die Probe zwischengelagert werden, bevor sie zum Kölner Anti-Dopinglabor gebracht wurde. Für diese Zwischenlagerung gibt es widersprüchliche Angaben. Es sollen mindestens sechs Personen über die notwendigen Schlüssel verfügt haben, um unbemerkt an die Probe zu gelangen. Im Kölner Labor war in der Probe erst Monate danach in einer zweiten Untersuchung von außen zugeführtes, also kein körpereigenes, Testosteron entdeckt worden. Dies führte zur sportrechtlichen Verurteilung Schwazers. Schwazer beteuerte seine Unschuld und erklärte, er sei Opfer eines Komplotts.
Proben Schwazers wurden beschlagnahmt
Auch von italienischer Seite wurden Manipulationsvorwürfe laut. Ein Amtshilfegesuch der Bozener Staatsanwaltschaft führte zur Beschlagnahmung der Proben. "Es sprechen so viele Dinge für ein Komplott gegen den Aufklärer, dass die Südtiroler Staatsanwalt nun per internationalem Rechtshilfeersuchen dafür gesorgt hat, dass Schwazers damalige Dopingprobe beschlagnahmt wurde im Kölner Labor", berichtete damals SZ-Autor Thomas Kistner im Dlf. "Die Bozener Behörden haben den gleichen Verdacht wie Schwazers Betreuer Donati, dass hier von sportpolitischer Seite nachgeholfen wurde, bei diesem Dopingfall."
Teile der A- und B-Proben wurden nach einer Entscheidung des Oberlandesgericht Köln 2017 nach Italien überstellt. Nach Deutschlandfunk-Informationen hatten sowohl die Welt-Anti-Dopingagentur WADA als auch der Welt-Leichtathletikverband bis zuletzt versucht, diese Überstellung zu verhindern.
Mit dem Erfolg vor dem Zivilgericht strebt Schwazer nun sogar eine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio an. "Nach viereinhalb Jahren hat endlich die Gerechtigkeit gesiegt. Dieser Richterspruch ist eine Entschädigung für all das, was ich in diesen Jahren erlitten habe." Dazu müsste seine Dopingsperre aufgehoben werden.
Quellen: eigene Recherchen, dpa, sid