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Mythos Anonymous

Anonymous: immer wieder taucht jener Name auf, wenn es um gehackte Webseiten geht – aber auch um Demonstrationen gegen religiöse Gruppen. Zuletzt hat das Kollektiv vermutlich am vergangenen Wochenende zugeschlagen, als zahlreiche israelische Seiten – darunter auch die des Mossad – nicht aufrufbar waren. Doch wer oder was verbirgt sich hinter dieser Gruppe?

Von Jan Rähm | 12.11.2011
    "An open letter from Anonymous to the Government of Israel"

    Eine synthetische Stimme auf einem Video-Portal im Internet. Das Markenzeichen von Anonymous. Eine Botschaft an die Regierung Israels. Die Stimme spricht über den Gaza-Streifen, die verhinderten Hilfslieferungen. Anklagen gegen den Staat am Mittelmeer.

    Die Aktionen seien illegal, gerichtet gegen Demokratie, Menschenrechte, internationale und Seefahrtsgesetze. Die Stimme droht: Würden die humanitären Flotten weiter behindert, würde es Gegenangriffe geben.

    Steckte also Anonymous hinter den Serverausfällen in Israel? Die Israelis sagen: Nein, technische Probleme waren schuld. Kann es Anonymous gewesen sein? Ja. Das Muster passt. Vermutlich wurden die Server gezielt durch sogenannte Distributed Denial of Service Angriffe lahmgelegt. Dabei wird der Rechner mit so vielen Anfragen vieler tausend Computer überhäuft, dass er nicht mehr antworten kann. Die Folge: Der Server ist eine Zeit lang unerreichbar.

    "WIR SIND ANONYMOUS.

    WIR SIND VIELE.

    WIR VERGEBEN NICHT.

    WIR VERGESSEN NICHT.

    ERWARTET UNS."

    Doch wer ist Anonymous?

    Einspieler Youtube:

    "Anonymous ist keine Hackergruppe, Anonymous besteht nicht nur aus Nerds."

    Anonymous ist ein loser Zusammenschluss von Menschen aus der ganzen Welt. Anonymous selbst bezeichnet sich als Kollektiv, seine Mitstreiter als Aktivisten. Die meisten kennen sich nur aus dem Internet, kennen nur ihre Nicknames, ihre Namen im Netz. Sie bleiben anonym. Mitmachen, sagt Anonymous, kann jeder.

    Einspieler Youtube:

    "Anonymous ist keine Terroristenvereinigung, Anonymous agiert nicht ausschließlich im Internet."

    Wer zum Ziel der Proteste wird, ist niemals klar. Mal ruft nur ein Mensch zu Aktionen auf und viele folgen. Manchmal werden Protestaktionen aber auch kollektiv abgelehnt. Wie jüngst im Fall Facebook. Anonymous wehrte sich gegen den Aufruf eines einzelnen Internetbenutzers, das soziale Netzwerk anzugreifen.

    Einspieler Youtube:

    "Anonymous ist keine Gruppe oder Organisation, Anonymous ist keine reine Jugendbewegung."

    Feste Strukturen oder offizielle Sprecher gibt es nicht. Es gibt auch nicht eine Internetseite, ein Forum. Anonymous nutzt alle Kommunikationskanäle des Internets. Soziale Netzwerke wie Twitter, Chats wie das System IRC. Hinzu kommen Dutzende Blogs, Wikis und andere Webseiten.

    Einspieler Youtube:

    "Anonymous ist eine Idee."

    Anonymous ist politisch. Spätestens seit der Blockade der Spenden an WikiLeaks unterstützen Anonymous-Anhänger die Whistleblower-Plattform. Sie griffen im Rahmen der Operation Payback mehrere Zahlungsdienstleister wie Paypal an. Den Aktivisten von Anonymous geht es um Freiheit. Sie kämpfen gegen Zensur. Sie protestieren gegen die religiöse Bewegung Scientology. Diese Proteste machten Anonymous auch erstmals einem weiten Kreis bekannt. Vor den Niederlassungen der religiösen Bewegung versammelten sich die Aktivisten. Um sich zu schützen, trugen die Teilnehmer die sogenannten Guy-Fawkes-Masken. Sie entstammen einem Comic und sollen das Gesicht des britischen Attentäters Guy Fawkes aus dem 16. Jahrhundert darstellen. Die Masken sind als eine Art Logo auch in vielen Botschaften von Anonymous zu finden. Sei es als Bild auf einer gekaperten Website oder in den vielen Videos im Netz. Auch Deutschland war schon Adressat einer solchen Mitteilung.

    Einspieler Youtube:

    "Sehr geehrte Regierung der Bundesrepublik Deutschland, wir möchten Ihnen für die uns geschenkte Aufmerksamkeit danken, welche uns aktuell durch die Neueröffnung des Cyber-Abwehrzentrums zuteil wird, und diese sogleich nutzen, um unseren Zielen ein Stück näher zu kommen."

    Anonymous ist nicht die einzige anonyme Gruppe im Netz. Mit vielen Hacks unter anderem gegen den Elektronikkonzern Sony wurde LuzSec bekannt. Die Gruppe, die sowohl aus Spaß aber durchaus auch mit politischem Hintergrund hackte, soll sich im Juni aufgelöst haben. Jedoch gab es schon kurz danach einen großen Angriff auf das britische Magazin "The Sun" des Medienunternehmers Rupert Murdoch. Aussagen über Auflösung oder Gründung einer Gruppe sind also immer mit Bedacht zu sehen. Denn wie Anonymous ist auch LulzSec keine Gruppe mit fester Organisationsstruktur. Jeder kann LulzSec sein – oder Anonymous.