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Mythos Ballermann
Feiern und den Alltag vergessen

Seit den 70er-Jahren steht der Ballermann für Feiern, Spaß und Alkohol. Die Wirtschaft hat sich darauf eingerichtet. An den Kiosken gibt es Bier und Schnaps in großen Mengen zum kleinen Preis. Man spricht deutsch. Doch nicht alle fahren nur zum Trinken dorthin. Eine Reportage vom Ballermann.

Von Alexandra-Christina Rank |
    Strandleben an der Playa de Palma in S'Arenal, fotografiert am 03.05.2016 in Arenal (Spanien) bei Palma de Mallorca.
    Viele Party-Touristen gehen gar nicht ins Wasser, wenn sie am Ballermann sind (dpa / Jens Kalaene)
    "Es gibt die Sommergruppe und die Wintergruppe. Und die Sommergruppe sind diejenigen, die an den Ballermann kommen und praktisch ein Riesenchaos hinterlassen."
    Mein Bekannter Holger gehört zur Wintergruppe. Auch wenn es mit März, April eigentlich Frühjahr ist, wenn er zum Ballermann reist.
    "Also ich sag jetzt mal, diese Partykomponente war für uns überhaupt kein Thema gewesen. Wir haben uns gesagt, wir sind nur da zum Fahrradfahren. Um uns fit zu machen."
    Zur Wintergruppe gehören Sportler wie Holger oder auch Rentner, die keine Lust auf die Kälte in Deutschland haben, wobei es auch auf Mallorca kalt und ungemütlich werden kann. Bis zum Frühjahr ist es ruhig an der Playa de Palma, selbst wenn viele Urlauber da sind.
    "Die Fahrradfahrer, die benehmen sich, die lassen die Hotels sauber zurück."
    Die Fahrradfahrer sind die Ballermann-Urlauber, die wohl mit Abstand am meisten von der Insel sehen: Sie fliegen nach Mallorca, um richtig Strecke zurückzulegen.
    "An Plätzen, wo eigentlich kaum einer hinkommt. Muss man eindeutig sagen. Wir waren in Ortschaften gewesen, in ganz verschlafenen Nest, unheimlich nette Leute, super Essen und preislich auch alles sehr sehr stabil."
    Eine frittierte Seezunge liegt auf einem weißen Teller.
    Eine Seezunge - oder vielleicht doch irgendetwas anderes? (imago / NBL Bildarchiv )
    In fünf Tagen hat Holger mit seinen Jungs 710 Kilometer zurückgelegt. Der Ballermann ist der Ausgangspunkt für Touren ins Landesinnere. Das Durchschnittstempo lag zwischen 30 und 32 Kilometern pro Stunde.
    "Also Durchschnittsgeschwindigkeiten. Es gab aber auch mal eine Gerade, das glaubt man gar nicht: Wenn man da so einen leichten Rückenwind hat und so was alles, dann kam man schon auf 60 Stundenkilometer."
    Ein Radprofi ist Holger nicht. Er gehört vielmehr zu der Art von Hobbysportlern, die für ausgiebige Trainingseinheiten zum Ballermann fliegen.
    "Wir waren wenige unter Tausenden."
    Im Mai wird es warm auf der Insel. Dann wird Fahrradfahren zu einer richtigen Herausforderung. Es beginnt die Sommerurlaubszeit.
    Ich kenne die Insel nur im Sommer. Seit dem Winter freue mich auf diesen Urlaub: in der Sonne liegen, entspannt mit den Zehen im Sand buddeln, Tapas essen, spanisches Bier trinken.
    Wer nach Mallorca fliegt, hat keine Chance, dem Ballermann zu entkommen
    "Den Ballermann, exzessives Party machen, grölen und saufen habe ich nicht auf meiner Urlaubsliste."
    Aber wer nach Mallorca fliegt, hat keine Chance, dem Ballermann zu entkommen – auch wenn der gar nicht das eigene Reiseziel ist. Mich erwischt die Partymeute eiskalt direkt am Flughafen Köln/Bonn – in Form der Party Tommies.
    Dicke Titten, Kartoffelsalat verfolgen mich seit der Abflughalle. Die Party Tommies sind Stammgäste am Ballermann so wie Hunderttausende weitere Deutsche für die es kein schöneres Urlaubsziel gibt.
    Ansprache Pilot – willkommen in Palma de Mallorca liebe Gäste, lieber Kinder.
    Mehr Lieder als über die Playa de Palma gibt es wohl nur über Köln.
    "Die Koffer sind gepackt, der Flieger geht gleich los wieder auf die Insel, das wird riesengroß. Ich freu mich seit Silvester auf diese Feierei. Mein Herz schlägt bis zum Hals – Mallorca ich komme heim."
    Auch für mich fühlt es sich an wie Heimkommen. Vor vielen Jahren habe ich mich in das Land verknallt und in die Insel Mallorca gleich mit. Am Flughafen lasse ich den Massentourismus hinter mir und tauche ab ins Hinterland:
    Höre die Grillen zirpen, das Meer rauschen, verliere den Überblick über meine Sommersprossen. Lese innerhalb von fünf Tagen drei Bücher. Buch Nummer vier ist über Mallorca – mit dem Untertitel: Was Reiseführer verschweigen – darin steht: Der Ballermann soll für manche ein Lebensgefühl sein. Wer sagt das von sich? Sind die grölenden Ballermänner und -frauen auch auf den zweiten Blick nur zum Flucht ergreifen? Oder können sie auch nett sein? Holger gehört ja schließlich auch zu den Ballermann-Urlaubern auch wenn er dort gar nicht Party macht. Ich beschließe einen Tag Entspannungsurlaub zu verschenken und einzutauschen gegen einen Tag Abenteuer Ballermann.
    Urlauber sitzen am Badestrand von SÂArenal auf der spanischen Baleareninsel Mallorca und trinken Sangria mit Strohhalmen aus einem Eimer, aufgenommen am 28.07.2006. SÂArenal (früher auch El Arenal genannt) ist ein weitestgehend künstlich angelegter Touristenort östlich von Palma - die Hochburg des Pauschaltourismus auf Mallorca. Vor 1970 gab es hier nicht mehr als Sand, Dünen und ein paar Bäume. Mittlerweile stehen auf dem etwa sechs Kilometer langen Küstenstreifen mehr als 200 Hotels mit einer Kapazität von über 50.000 Betten. Die bei den Deutschen besonders beliebte Ferieninsel Mallorca liegt im westlichen Mittelmeer und ist mit einer Fläche von 3.624 Quadratkilometern die größte der Balearen-Gruppe. Sie verfügt über eine Küstenlinie von 398 Kilometer Länge. Foto: Andreas Lander +++(c) dpa 
    Trinkende Männergruppe am Strand von Mallorca (picture alliance / dpa / Andreas Lander)
    Der Strand Playa de Palma ist mehr als vier Kilometer lang, ein deutsches Reiseportal hat allein für diesen Abschnitt rund 90 Hotels im Angebot.
    Flacher Einstieg ins Meer, sehr breiter Sandstrand – stand im Reiseführer. Und weiter: Die touristische Infrastruktur lässt kaum einen Wunsch offen, außer man möchte einen ruhigen Urlaub verbringen.
    Mit jedem Schritt vom Auto zum Strand stapfe ich tiefer in eine fremde Welt herein. Gleich im ersten Lokal sitzt eine Gruppe Mittdreißiger (Atmo Menschen lachen) – vor jedem steht ein großes Glas Bier. Bei 28 Grad im Schatten ist die Trinkfrequenz schnell. Dass es erst halb zehn Uhr morgens ist spielt dabei keine Rolle.
    Die liebsten Gäste - fast jeder dritte Tourist ist Deutscher
    Ich brauche erst mal einen Kaffee und lande in einem gut bürgerlichen Lokal direkt an der Strandpromenade inklusive Schlagermusik aus der Konserve. Es heißt gut deutsch "Zur Krone". 2014 waren 13,5 Millionen Touristen auf der Baleareninsel – fast jeder Dritte kam aus Deutschland. Für Gastwirtin Beatrice Ciccardini sind das die liebsten Gäste.
    "Okay, manchmal ist es ja so, dass sie ein bisschen über die Strenge schlagen und halt zu viel trinken. Aber eigentlich: Die Deutschen sind immer friedlich. Die bringen wirklich viel Geld hierher.
    Wir alle, die hier leben an der Playa de Palma wir sind alle – wir sind happy mit den Leuten. Wir freuen uns über die, die sind so treue Gäste. Also wenn man die nett und freundlich behandelt – die kommen immer wieder."
    Die ehemalige Schweizerin kam vor rund 40 Jahren nach Mallorca und dank ihr schwappte auch der deutsche Schlager kurze Zeit später auf die Insel: Mit ihrem damaligen Mann eröffnete sie diverse Diskotheken, buchte deutsche Musiker wie Jürgen Drews, Heino oder Roy Black für Auftritte.
    "Lief auch eigentlich gar nicht so besonders und dann haben wir immer früher Miss- und Mister-Wahl gemacht. Und lustigerweise an den Tagen hatten wir mehr Gäste als an den Tagen, wo Sänger da waren.
    Und dann irgendeinmal sagt unser Discjockey – der Helmut – der ist übrigens immer noch hier – der sagt dann, oh, wenn du dich jetzt hier oben ohne hinstellst, dann kriegst du 100 Punkte mehr. Zack zack zack, standen alle oben ohne da."
    Oder auch ganz nackig – das gab noch mehr Punkte. Bis heute denken viele beim ‚Ballermann’ zuerst an die Sommergruppe: an Alkohol in rauen Mengen und an Urlauber, die ein sexuelles Abenteuer suchen.
    "Du, ich glaube das ist gar nicht so extrem. Gut, wenn sich da zwei finden und die haben Lust aufeinander – logisch, machen sie es. Aber es ist eigentlich mehr Feiern. Also, so wie ich die Deutschen sehe: Die singen halt und die feiern und die trinken und die sind richtig immer gut drauf und happy."
    Von Beatrice erfahre ich auch: Den Ballermann selber gibt es eigentlich gar nicht. Er ist vielmehr eine Wortschöpfung deutscher Touristen: Entlang der Promenade an der Playa de Palma reihen sich mehrere Strandkneipen. Auf Spanisch balnearios –, die der Einfachheit halber durchnummeriert wurden. Die beliebten Bars, Tanzlokale und Diskotheken liegen in der Nähe von Balneario seis – also sechs. Der damit vereinfacht zum Ballermann sechs und zum magischen Anziehungsort deutscher Urlauber wurde.
    Manche kommen nur für ein verlängertes Wochenende her: Sportmannschaften, die nicht ins Trainingslager gehen sondern den Abschluss der Saison an der Playa de Palma feiern oder Junggesellenabschiede.
    "Ich habe eine Pampers an"
    Thomas ist seit knapp 30 Stunden auf der Insel und sieht nach einem Tag am Ballermann so aus, als hätte er schon einen kompletten Urlaub hinter sich.
    "Also ich wurde heute angezogen – ich habe eine Pampers an (lacht). Ich habe eine Goldkette an und meine Haare wurden toupiert, weil bei uns im Freundeskreis ist ein Friseur, der hat mir die Haare nach oben gemacht und ich habe eine Sonnenbrille an. Und unter meiner Pampers habe ich einen Tanga an, der wie ein Elefant aufgebaut ist."
    Sonnenschutz ist unwichtig in diesem Männerurlaub – der Oberkörper des Pampers-Mannes ist dunkelrot verbrannt. Insgesamt 20 Mann tragen am Ballermann ein dunkelblaues T-Shirt mit ihrem Namen in neongrüner Schrift.
    "Also es ist so, dass es von der Tradition her und von den Freunden her so ist, dass wir sagen: Wir sollen noch einmal eine richtig schöne Tour zusammen haben und wie eine kleine Bestrafung für den Jungen – okay, der heiratet aber trotzdem kriegt der noch einen mit – von den ganzen Jungs – okay, jetzt bist du weg von uns."
    Die Jungs haben sich bestens vorbereitet auf ihre vier Tage lange Dauerparty: Während die zwei jüngsten der Clique als Bierboys nicht nur fürs Bier holen, sondern auch für den hochprozentigen Nachschub zuständig sind, gibt Kumpel Andy den DJ.
    Nicht jeder hat mittags um halb zwei so viel Elan und entdeckt den Strand als riesige Freiluftdisko. Manch einer sitzt zusammengesunken mit einer Dose Bier auf der Strandmauer, der Großteil spielt mit vollem Körpereinsatz Volleyball.
    Pure Ironie von Jakob, der seine Stimme irgendwo zwischen Flughafen und Ballermann verloren hat.
    "Aber scheiß drauf, Malle ist nur einmal im Jahr"
    Die Clique von Junggeselle Thomas hat bereits mächtig viel Geld ausgegeben. Mit 1.600,- Euro sind die Jungs am Tag zuvor nach Mallorca gestartet. Aktuell sind noch 800,- Euro in der Kasse und noch mehr als 40 Stunden zu feiern – das meiste wurde in Alkohol investiert.
    Nach Sonne, Strand, Volleyball und trinken – geht es abends weiter mit trinken und Partymachen.
    "Es ist ja eher anstrengend für die ganzen Playa de Palma Gäste, sie müssen ja den ganzen Tag trinken – am Strand, sie sind nachmittags zum Tanz im Bierkönig und dann nur kurz Abendessen, duschen und gleich wieder los."
    Sagt Peter Wackel, der als deutscher Schlagersänger auch zum Mallorca-Zirkus gehört. Der Partymacher tritt seit mehr als 15 Jahren in den Clubs rund um die Playa de Palma auf. Sein größter Hit ist überall zu hören:
    "Aber scheiß drauf, Malle ist nur einmal im Jahr"
    Am Strand, auf den Straßen, in den Kneipen.
    "Wenn ein Urlauber es schlau anstellt an der Playa de Palma, dann hat er auch einen verdammt günstigen Urlaub: Es gibt überall Happy Hour, Freibier zu gewisser Stunde, dann hier wieder Lockangebote, dass man reinkommt. Ich glaube, wir haben fünf sechs Stunden Happy Hour am Tag. Also wenn man zu diesen Zeiten kommen mag, gibt’s die doppelten Getränke."
    Jeder spricht Deutsch an der Playa de Palma. Direkt hinterm Strand beginnt die offizielle Partymeile, reiht sich Lokal an Lokal. Mit jedem Meter landeinwärts wird es voller auf der Straße und es klingelt in den Ohren: Die Musik vermischt sich zu einem kaum erkennbaren Brei.
    Eine der großen Locations ist der Bierkönig – Gastwirtschaft, Schlagerbühne und Diskothek in einem – Partyheimat von Peter Wackel. Im Jahr hat er dort mehr als 80 Auftritte. In der Hauptsaison schauen jeden Tag mehr als 10.000 Urlauber vorbei, versacken hier für ein paar Stunden oder auch für den Rest des Tages.
    Konzert Peter Wackel. Auf dem Boden liegen zahlreiche Ein-Meter-Strohhalme. Ein Gemisch aus Bier, Cola und Schnaps sorgt für gute Bodenhaftung.
    "Wir müssen aufhören weniger zu trinken, wir brauchen viel mehr Alkohoool, wir müssen aufhören weniger zu trinken sonst werden wir heute nicht mehr voll"
    Zum ersten Mal bin ich froh, dass ich trotz der Hitze feste Schuhe trage. Zwischen den Gläsern auf den Tischen tanzen junge Mädels, die weniger anhaben als die Gäste, dafür aber die schöneren Körper.
    Die Worte von Peter Wackel prangen auch auf einigen T-Shirts. Neben einer blauen, grünen oder orangenen Plastiksonnenbrille gehört zum Malle-Outfit ein entsprechendes T-Shirt. Zum Beispiel: "Der Klügere kippt nach". Zwei Mädels tragen selbstbewusst "Alle wollen mit mir schlafen, dabei bin ich gar nicht müde" auf ihrer Brust. Ein Mann mit knallrot verbrannten Oberarmen: "Ich bin nicht perfekt, aber verdammt nah dran". Sein Kumpel "Sauf mal mehr, die Leute gucken schon".
    "Ja, hier kann man alles rauslassen. Hier muss man sich nicht verstellen. Hier kann man einfach mal feiern. Das ist egal, wie man aussieht, ist egal, wie alt man ist, wie jung man ist. Man kann einfach mal kurz feiern und abgehen und das kann man in Deutschland nicht so gut wie hier."
    Schon acht Mal auf Mallorca und noch nie im Meer schwimmen
    Reporterin: "Man erholt sich doch nicht wirklich in so einem Urlaub, oder? Wenn man erst am Strand liegt und sich die Sonne auf den Pelz scheinen lässt – das Austrocknen und dann noch feiern geht."
    Touristin: "Also wir liegen nie am Strand, ja."
    Touristin 2: "Also nach nem Malle-Urlaub braucht man eigentlich noch mal 'nen Erholungsurlaub. Weil wir gehen auch um 11:30 Uhr zum Megapark – Freibier – danach nur noch saufen."
    Reporterin: "Du nimmst mich auf den Arm – du wirst doch auch mal am Strand liegen?"
    Touristin: "Nee, wir gehen wirklich nicht an den Strand. Wir sitzen vielleicht mal kurz auf der Mauer für eine Stunde oder zwei, aber da jetzt ja Alkoholverbot ist, muss man da auch aufpassen. Und von daher – wir laufen am Strand vorbei, ja. Aber wir liegen nicht am Strand."
    Reporterin: "Du gehst auch nicht im Meer schwimmen?"
    Touristin: "Ich war schon jetzt glaube ich sieben oder acht Mal auf Mallorca und noch nie im Meer schwimmen."
    Der braungebrannte Sportler, der gerade eben noch mit der netten Handballerin herumschäkerte, ist irgendwo in der Partymeute verschwunden.
    Reporterin: Das tut mir leid, jetzt ist der Typ abgehauen, weil wir uns unterhalten haben.
    Touristin: Macht nix. Hier sind so viele Typen unterwegs, da kommt es auf einen nicht drauf an.
    Reporterin: Ist das einfach, hier jemanden kennenzulernen?
    Touristin: Ja, ist megaeinfach. Also ich würde behaupten, ist nirgends einfacher als hier auf Mallorca, jemanden kennenzulernen.
    Touristen schlendern am 06.06.2015 durch eine Straße in Magaluf, Mallorca, während leicht bekleidete Tänzerinnen in einem Lokal schon mittags die Stimmung anheizen. 
    Touristen schlendern durch eine Straße in Magaluf, Mallorca. (picture alliance / dpa / Emilio Rappold)
    Reporterin: Aber ist es denn auch nett mit denen oder sind das eher hinterher anstrengende Besofskis?
    Touristin: Nein – das ist wirklich meistens nett mit denen. Das kann man echt sagen. Wir sind ja alle Gleichgesinnte: Alle wollen feiern, alle wollen Spaß haben – von daher – man lernt sich kennen – man kommt schnell ins Gespräch und genauso schnell sind die auch wieder weg. Von daher alles ganz unkompliziert und ganz ohne irgendwelche Hintergedanken. Alles super.
    Reporterin: Tschuldigung!
    Autsch – ich trete einem kugelrunden Flipflop-Mann unsanft auf seine nackten Zehen. Er nimmt's gelassen, stellt sich als Stefan vor.
    Reporterin: Du fährst extra zum Partymachen hierhin?
    Stefan: Ja, fahre ich extra hierher.
    Reporterin: Dann bist du doch danach noch urlaubsreifer als vorher.
    Stefan: Stimmt. Aber ich habe ja noch ein Wochenende, um mich zu erholen, und dann geht das schon wieder.
    Stefan ist mir schon eine ganze Weile aufgefallen: Zufrieden wippt er den Abend über im Takt der Musik, steht die ganze Zeit am Rand einer Clique oder Sportmannschaft, scheint aber nirgendwo wirklich dazuzugehören. Ich habe den strohblonden Mittvierziger für den Trainer einer Hobbymannschaft gehalten – auch weil er keine Frauen angegraben hat, sondern sich die ganze Zeit korrekt verhält.
    Stefan: Ich bin dieses Mal alleine hier. Ich musste einfach raus in die Sonne.
    Reporterin: Lernt man denn hier schnell neue Leute kennen oder ist das eher schwieriger?
    Stefan: Unterschiedlich: Tagsüber hat man so seine Ruhe am Strand, aber abends lernt man schon ein paar Leute kennen.
    Reporterin: Dann viel Spaß noch hier.
    Stefan: Ja danke,
    Reporterin: Und pass auf deine Füße auf.
    Stefan: Ja.
    Knappe 45 Minuten dauert das Gratiskonzert mit Schlagersänger Peter Wackel. Dafür warten die Gäste auch weit bis nach Mitternacht – so wie Kati und Tim. Sie kennen sich seit drei Stunden.
    Tim: Also, ich kann auch all inklusiv eine Woche nach Ägypten fahren. Kommt dasselbe dabei rum, ja.
    Kati: Es ist viel. Sehr viel. Also, selbst als Frau brauche ich viel. Also ich sage mal, so 300 Euro – also ich.
    Tim: Aber ich sage mal so, Frauen zahlen generell immer weniger. Warum weiß keiner.
    Reporterin: Das heißt, du gibst mehr als 300 Euro aus in der Woche.
    Tim: Ja. Pro, pro, pro Tag 100 Euro.
    Reporterin: Was macht’s, dass es das wert ist?
    Tim: Hast du dich mal umgeguckt?
    Reporterin: Ich bin das erste Mal hier.
    Tim: Das ist ein Gefühl – einfach mal hier zu sein.
    Ziemlich nette Urlauber, trotz Pegel
    Wer das erste Mal zum Ballermann kommt – der liebt ihn entweder oder er hasst ihn – davon ist Schlagersänger Peter Wackel überzeugt.
    "Also, ich möchte auch keine Putzfrau hier sein. Denn um sechs Uhr macht der Bierkönig zu, um acht Uhr geht’s wieder los. Klar, die ersten Flugzeuge gehen in Deutschland ab und um fünf Uhr raus. Die landen um sieben Uhr. Es kann natürlich von diesen Gästen keiner ins Hotel einchecken. Die dürfen alle ab 13, 14 Uhr ins Zimmer. Was macht der Reisegast, der um sieben Uhr landet, um acht Uhr seinen Koffer hat und an der Playa de Palma steht? Er stellt seinen Koffer ins Hotel."
    Reporterin: Aber niemand will morgens um acht Uhr ein Bier!
    Wackel: Dann wünsche ich viel Spaß bei der Beobachtung morgen früh, um acht Uhr dreißig. Da sitzen die ersten zwei-, dreihundert Mann und wissen dann um zwölf Uhr nicht mehr, in welchem Hotel, dass sie wohnen (lacht).
    Bis morgens um sechs schaffe ich es nicht, durchzuhalten. Ich bin müde, zu nüchtern, sehne mich nach dem gigantischen Sternenhimmel, der gerade im stockfinsteren Hinterland zu sehen sein muss. Verliebt habe ich mich bei meinem ersten Besuch nicht in den Ballermann, aber hassen tue ich ihn auch nicht. Dafür waren die Leute zu nett – und so richtig dumm angebaggert wurde ich auch eher weniger. Das hatte ich nämlich erwartet:
    Blöde Anmachen, von Typen, die schon beim ersten Schritt zu nahe kommen – lallen, schwitzen, mich antatschen. Männer, die voll mit Alkohol und Testosteron, aggressiv pöbeln, sich für die Stärksten und vor allem die Tollsten halten.
    Klar, toll finden sie sich fast alle, aber sonst? Obwohl die partyverrückten Urlauber einen ziemlichen Pegel hatten, haben sie friedlich gefeiert, den Alltag vergessen, ihresgleichen gesucht.
    Ein Souvenir habe ich dennoch gegen meinen Willen mitgenommen: Die Ballermann-Hits haben sich in meinem Ohr fest gezeckt.
    Und ich nehme mir vor, die faszinierenden Ecken Insel auch mal im Frühling kennenzulernen, so wie mein Bekannter Holger:
    "Bei den ganzen Radtouren: Das war ja die Jahreszeit, wo es anfing zu blühen. Es gibt nichts Schöneres als Mandelbäume auf Mallorca, wenn die anfangen zu sprießen und zu blühen. Wir haben uns auch zwei oder dreimal erwischt, wo wir gesagt haben: wir müssen anhalten: Wir müssen uns das richtig angucken. Und dann stehst du da und guckst auf wunderschöne Blüten. Ich glaube vielen Leuten entgeht so was."