Katja Lückert: Der ägyptische Künstler Wael Shawky wurde im letzten Jahr mit dem Kunstpreis der Schering-Stiftung ausgezeichnet, und damit verbunden ist eine Kunstausstellung in den Berliner Kunstwerken, ein Katalog und ein Preisgeld von 10.000 Euro. Wael Shawky ist derzeit - nicht zuletzt als Ägypter und damit gewissermaßen als Aushängekünstler der Arabischen Revolution - in aller Munde. Sein einstündiger Puppenanimationsfilm "Cabaret Crusades" über die Geschichte der mittelalterlichen Kreuzzüge wurde auf der Documenta gezeigt. Trotzdem, Carsten Probst, für alle, die ihn vielleicht noch nicht kennen: Wer er ist Wael Shawky ,das schreibt sich wie Bernhard Shaw und dann "k", was sich aber nicht spricht, und "Ypsilon", oder?
Carsten Probst: Genau. Er wird im englischsprachigen Raum auch ungefähr so ausgesprochen, "Shawkay", aber er selbst nennt sich natürlich "Shawy", wie Sie es ganz recht ausgesprochen haben. Also: Wer ist Wael Shawky? Er ist Ägypter, er kommt aus Alexandria, er wird natürlich ständig darauf angesprochen, ob er ein politischer Künstler ist, ob er aus dem Geist der Arabellion hervorgegangen ist mit seinem Werk, und darauf sagt er natürlich von sich aus, dass er als Privatmann schon diese Proteste auf dem Tahrir-Platz in Kairo involviert war, aber eben als Privatmann, nicht als Künstler. Diese Trennung zwischen Kunst und Politik oder Gesellschaft verblüfft vielleicht auch auf den ersten Blick ein wenig, aber Sie treffen das bei vielen Künstlerinnen und Künstlern aus diesen Ländern, etwa Nordafrika oder dem Nahen Osten, an, in denen diese Umstürze stattgefunden haben. Denn diese Distanz zu diesen politischen Ereignissen als Künstler sind das Resultat einer Vorsicht, weil man nie weiß, was am Ende dieser Umstürze herauskommt, und Shawky sagt auch, er hätte sich vor einem Jahr nicht denken können, dass nun die Muslimbruderschaft als die großen Gewinner aus dieser Revolution hervorgehen, und deswegen sei es eigentlich von seiner Kunst speziell, aber auch von der Kunst überhaupt aus diesen Ländern nicht zu verlangen, dass sie jetzt Augenblicksbotschaften, politische Augenblicksbotschaften lancieren.
Lückert: Man sieht ja viele Installationen oder mehr auch Filme in den Kunstwerken. Er nennt sich Medienkünstler. Wenn Sie nun zum Beispiel diese Marionetten die Kreuzzüge nachspielen sehen in diesem Film, welche künstlerische Bedeutung hat das für Sie, ist es neu, ist es irgendwie aufregend?
Probst: Ja. Er benutzt Marionetten, er benutzt zum Beispiel auch Kinder, die er aus Schauspieler engagiert, um ziemlich grausame Schicksale zum Teil nachzustellen. Das ist natürlich in erster Linie auch für den Betrachter erst mal ein Verfremdungseffekt, der einen auch stutzen lässt. Beispielsweise hat er dieses Attentat auf Anwar El Sadat, dem ägyptischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträger, im Jahr 1981 mit Kindern nachstellen lassen auf so Tretlastern, die so eine Militärparade nachstellen, und dann auch dieses Attentat, das sich aus dieser Militärparade heraus ergeben hat. Diese Fernsehbilder kennt jeder, der diese Zeit noch erlebt hat. Oder auch gerade bei diesen Kreuzzügen, wenn er da diese Marionetten nimmt, dann hat das auch was sehr Niedliches, Kindliches. Er selbst gibt dafür eigentlich aber eine ganz andere, ziemlich verblüffende Erklärung, dass er in seiner Kindheit sehr stark von diesem Leben in der Wüste geprägt war. Er ist in Saudi-Arabien aufgewachsen, kennt dieses Wüstenleben, und für ihn bedeutet dieses beduinenhafte, das Erleben dieses beduinenhaften Daseins eigentlich eine starke Konfrontation mit der Zivilisation und das ist eigentlich der Subtext, dass er uns ständig mit einer Kinderwelt, mit einer Kindersicht konfrontieren möchte, dabei aber diese unterschwellig hoch brisanten historischen Ereignisse präsentieren möchte aus dieser Kinderperspektive. Und diese Doppelung verwirrt natürlich sehr stark und fasziniert natürlich andererseits auch.
Lückert: Ist denn dieses Reenactment, dieses nachspielen, auch ein bisschen Mode in der Kunst, im Theater - wir werden vielleicht noch darüber sprechen - sowieso?
Probst: Ja, aber schon recht lange natürlich - denken Sie an die 80er-Jahre mit Geoffrey Wall in der Fotografie, diese digitalen Bearbeitungen von Ereignissen, oder auch für Deutschland Thomas Demand mit diesen Wiederherstellungen von bestimmten Orten mit einer gewissen politischen Brisanz. Bei Shawky ist das insofern etwas Besonderes, weil er viele verschiedene Absichten, die hinter so einem Reenactment von Geschichte stehen, zusammenfasst - nicht nur Medienkritik, nicht nur Deutung von Geschichte und Hinweis auf Manipulation von Geschichte, sondern alles zusammen mit einer großen ästhetischen Virtuosität, die ich in dieser Dichte auch selbst nicht so gesehen habe und die auch den westlichen Betrachter aufgrund der vielen Bezüge, die da unter der Oberfläche schlummern, erst einmal, denke ich, überfordern. Das bedarf schon der Erläuterung auch.
Lückert: Carsten Probst über den Medienkünstler Wael Shawky, dessen Werke zurzeit in den Berliner Kunstwerken ausgestellt werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Carsten Probst: Genau. Er wird im englischsprachigen Raum auch ungefähr so ausgesprochen, "Shawkay", aber er selbst nennt sich natürlich "Shawy", wie Sie es ganz recht ausgesprochen haben. Also: Wer ist Wael Shawky? Er ist Ägypter, er kommt aus Alexandria, er wird natürlich ständig darauf angesprochen, ob er ein politischer Künstler ist, ob er aus dem Geist der Arabellion hervorgegangen ist mit seinem Werk, und darauf sagt er natürlich von sich aus, dass er als Privatmann schon diese Proteste auf dem Tahrir-Platz in Kairo involviert war, aber eben als Privatmann, nicht als Künstler. Diese Trennung zwischen Kunst und Politik oder Gesellschaft verblüfft vielleicht auch auf den ersten Blick ein wenig, aber Sie treffen das bei vielen Künstlerinnen und Künstlern aus diesen Ländern, etwa Nordafrika oder dem Nahen Osten, an, in denen diese Umstürze stattgefunden haben. Denn diese Distanz zu diesen politischen Ereignissen als Künstler sind das Resultat einer Vorsicht, weil man nie weiß, was am Ende dieser Umstürze herauskommt, und Shawky sagt auch, er hätte sich vor einem Jahr nicht denken können, dass nun die Muslimbruderschaft als die großen Gewinner aus dieser Revolution hervorgehen, und deswegen sei es eigentlich von seiner Kunst speziell, aber auch von der Kunst überhaupt aus diesen Ländern nicht zu verlangen, dass sie jetzt Augenblicksbotschaften, politische Augenblicksbotschaften lancieren.
Lückert: Man sieht ja viele Installationen oder mehr auch Filme in den Kunstwerken. Er nennt sich Medienkünstler. Wenn Sie nun zum Beispiel diese Marionetten die Kreuzzüge nachspielen sehen in diesem Film, welche künstlerische Bedeutung hat das für Sie, ist es neu, ist es irgendwie aufregend?
Probst: Ja. Er benutzt Marionetten, er benutzt zum Beispiel auch Kinder, die er aus Schauspieler engagiert, um ziemlich grausame Schicksale zum Teil nachzustellen. Das ist natürlich in erster Linie auch für den Betrachter erst mal ein Verfremdungseffekt, der einen auch stutzen lässt. Beispielsweise hat er dieses Attentat auf Anwar El Sadat, dem ägyptischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträger, im Jahr 1981 mit Kindern nachstellen lassen auf so Tretlastern, die so eine Militärparade nachstellen, und dann auch dieses Attentat, das sich aus dieser Militärparade heraus ergeben hat. Diese Fernsehbilder kennt jeder, der diese Zeit noch erlebt hat. Oder auch gerade bei diesen Kreuzzügen, wenn er da diese Marionetten nimmt, dann hat das auch was sehr Niedliches, Kindliches. Er selbst gibt dafür eigentlich aber eine ganz andere, ziemlich verblüffende Erklärung, dass er in seiner Kindheit sehr stark von diesem Leben in der Wüste geprägt war. Er ist in Saudi-Arabien aufgewachsen, kennt dieses Wüstenleben, und für ihn bedeutet dieses beduinenhafte, das Erleben dieses beduinenhaften Daseins eigentlich eine starke Konfrontation mit der Zivilisation und das ist eigentlich der Subtext, dass er uns ständig mit einer Kinderwelt, mit einer Kindersicht konfrontieren möchte, dabei aber diese unterschwellig hoch brisanten historischen Ereignisse präsentieren möchte aus dieser Kinderperspektive. Und diese Doppelung verwirrt natürlich sehr stark und fasziniert natürlich andererseits auch.
Lückert: Ist denn dieses Reenactment, dieses nachspielen, auch ein bisschen Mode in der Kunst, im Theater - wir werden vielleicht noch darüber sprechen - sowieso?
Probst: Ja, aber schon recht lange natürlich - denken Sie an die 80er-Jahre mit Geoffrey Wall in der Fotografie, diese digitalen Bearbeitungen von Ereignissen, oder auch für Deutschland Thomas Demand mit diesen Wiederherstellungen von bestimmten Orten mit einer gewissen politischen Brisanz. Bei Shawky ist das insofern etwas Besonderes, weil er viele verschiedene Absichten, die hinter so einem Reenactment von Geschichte stehen, zusammenfasst - nicht nur Medienkritik, nicht nur Deutung von Geschichte und Hinweis auf Manipulation von Geschichte, sondern alles zusammen mit einer großen ästhetischen Virtuosität, die ich in dieser Dichte auch selbst nicht so gesehen habe und die auch den westlichen Betrachter aufgrund der vielen Bezüge, die da unter der Oberfläche schlummern, erst einmal, denke ich, überfordern. Das bedarf schon der Erläuterung auch.
Lückert: Carsten Probst über den Medienkünstler Wael Shawky, dessen Werke zurzeit in den Berliner Kunstwerken ausgestellt werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.