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NABU: In Deutschland stirbt keine Vogelart wegen Katzen aus

Kastrationspflicht von Katzen sei das beste Mittel, um eine Gefahr für Vogelarten auszuschließen, sagt Lars Lachmann vom Naturschutzbund Deutschland. Der Vogelexperte unterstreicht aber, dass entgegen der aktuellen US-Studie Katzen in Deutschland nicht zum Aussterben von Vogelarten beitrügen. Vielmehr hätten sich deren Lebensräume verschlechtert.

Georg Ehring im Gespräch mit Lars Lachmann |
    Georg Ehring: Wenn Sie friedlich auf dem Sofa schnurren, kann man es sich kaum vorstellen: Einer Studie aus den USA zufolge gefährden Hauskatzen die Artenvielfalt mehr als andere Bedrohungen. Die Tiere stellen nicht nur Mäusen nach, sondern töten jedes Jahr auch Milliarden von Vögeln, und sie unterscheiden natürlich nicht zwischen bedrohten Arten und Allerweltstieren. Das Team von Biologen am Smithsonian Conservation Biology Institute in Washington kam zu dem Schluss, dass Hauskatzen sogar schlimmer für die Vielfalt sind als Pestizide oder die Zerstörung natürlicher Lebensräume durch den Menschen.

    Lars Lachmann ist Experte für Vogelschutz beim Naturschutzbund NABU, und ihn begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Lachmann!

    Lars Lachmann: Guten Tag, hallo!

    Ehring: Herr Lachmann, wie gefährlich sind denn Hauskatzen in Deutschland?

    Lachmann: Hauskatzen sind auf jeden Fall ein Vogelschutzproblem, aber ich würde nicht so weit gehen wie die Autoren der Studie. Die Katze, die Hauskatze, ist sicherlich nicht das größte Problem für den Vogelschutz in Deutschland, denn die Verschlechterung der Lebensräume ist sicherlich weiterhin mit Abstand das größte Problem, was aber nicht heißen soll, dass man das Problem ignorieren kann. Man sollte sich wirklich überlegen, was man tun kann, um das Problem zu verkleinern.

    Ehring: Welche Tiere sind denn unter Umständen durch Hauskatzen auch in ihrem Bestand bedroht?

    Lachmann: Also zuerst muss man sagen, dass in Deutschland auf jeden Fall keine Vogelart tatsächlich wegen der Katze aussterben wird, das ist ganz anders als in Ländern, wo keine Landraubtiere vorkommen, zum Beispiel in Neuseeland. Da ist die Katze wirklich eine Art, die andere Vogelarten zum Aussterben bringt, vor allem Vogelarten, die gar nicht fliegen können. So was gibt es bei uns aber nicht, das heißt, da ist das Problem geringer, es gibt bei uns ja auch die Wildkatze – das heiß, bei uns gibt es nur Vogelarten, die grundsätzlich mit Katzen klarkommen können, nur eben nicht in der großen Dichte, die die verwilderten Hauskatzen und die Hauskatzen hier bei uns in Deutschland haben. Es ist auch wichtig zu berücksichtigen, dass man von den absoluten Todesopferzahlen, die jetzt in dieser Studie errechnet wurden, die durchaus sehr groß sind – in Deutschland natürlich etwas kleiner, weil das Land kleiner ist –, aber von diesen Todesopferzahlen kann man nicht direkt auf die Auswirkungen auf die Vogelpopulation schließen. Man müsste dafür Populationsmodelle der verschiedenen Arten berechnen, denn es sterben ja die ganze Zeit irgendwelche Vögel, und man weiß jetzt gar nicht, ob das dieser zusätzliche Todeszoll, ob der wirklich dazu führt, dass Arten abnehmen.

    Ehring: Es gibt ja auch die Auffassung, dass der Selektionsdruck, den Raubtiere wie Katzen ausüben, auch heilsam ist, weil sie vor allem kranke und schwache Tiere fangen.

    Lachmann: Natürlich zuerst Kranke und Schwache, aber bei Katzen ist das sicherlich so, dass auch normale, gesunde Vögel von den Katzen erwischt werden. Ich habe selber auch Katzen gehabt, eine Zeit lang, und eine von diesen Katzen war ein sehr guter Jäger, und da musste man sehr, sehr aufpassen.

    Ehring: Wovon hängt denn die Artenvielfalt gerade in Siedlungsräumen dann ab, wenn die Katze nur eine geringere Rolle spielt, und auch im gesamten Lebensraum Deutschland?

    Lachmann: Ja, also grundsätzlich sagen wir, dass Katzen für die überregionalen Bestände in Deutschland eine geringere Rolle spielen, aber das heißt nicht, dass es im Siedlungsbereich auch so ist. Also es ist durchaus möglich, dass im Siedlungsbereich die Bestände von bestimmten Vogelarten durch eine hohe Katzendichte niedriger gehalten werden oder viel niedriger gehalten werden, als sie normalerweise wären. Das ist hauptsächlich im Siedlungsbereich so, und hauptsächlich bei Arten, die dort häufig vorkommen. Und lokal kann das Problem – und da haben wir auch viele Beispiele für – sehr, sehr deutlich sein, und es kann auch fast zum Verschwinden von Singvögeln kommen, wenn es eine besonders hohe Katzendichte gibt. Ob das natürlich dann bundesweit Auswirkungen auf die Bestände hat, das wissen wir nicht, und das können wir so nicht sagen.

    Ehring: Welchen Umgang empfehlen Sie denn mit dem Problem?

    Lachmann: Ja, grundsätzlich gibt es einerseits Sachen, die jeder Katzenhalter, die ja meistens auch Vogelfreunde gleichzeitig sind, berücksichtigen kann. Dazu gehört hauptsächlich die Frage oder die Idee, dass man Katzen in den kritischen Momenten für die Vogelwelt drinnen lässt. Das ist meistens im Frühjahr, wenn Jungvögel grade ausfliegen – also wenn man zum Beispiel weiß, dass aus einem Meisenkasten heute Morgen wahrscheinlich die Vögel ausfliegen werden, dann muss man die Katze einfach drin lassen für ein, zwei Tage, denn ansonsten hat man eine von den jungen Kohlmeisen ziemlich sicher auch bald im Küchenzimmer. Man kann auch noch bestimmte Bäume mit Katzenabwehrdrähten bespannen und so einem Abwehrgürtel, dann können die Katzen dort nicht mehr hochklettern, aber die wichtigste Sache ist tatsächlich, Freigängerkatzen in den kritischen Momenten drinnen zu behalten.

    Ehring: Und Sie plädieren auch für Kastration von Katzen und Sterilisation?

    Lachmann: Ja, ich denke, die langfristig beste Lösung für das Problem, womit Katzenfreunde und auch Vogelschützer gut leben können, ist das, was auch der deutsche Tierschutzbund fordert, und zwar eine Kastrations- oder Sterilisations- und Kennzeichnungspflicht für alle freigehenden Hauskatzen und gleichzeitig die Sterilisierung von verwilderten, streunenden Hauskatzen, die ja das größte Problem sind. Das ist das sogenannte Paderborner Modell, was im Landkreis Paderborn schon erfolgreich ist und in immer mehr Landkreisen in Deutschland übernommen wird, wo quasi jeder, der will, dass seine eigene Katze ins Freie gehen darf, muss dafür sorgen, dass die sich nicht mehr vermehren kann, ansonsten hat man das Problem, dass diese Hauskatzen, diese Freigängerhauskatzen eben immer zu dieser verwilderten Population von verwilderten Hauskatzen beiträgt.

    Ehring: Lars Lachmann vom Naturschutzbund Deutschland ordnete für uns die Gefahren ein, die von Katzen für die Artenvielfalt ausgehen. Herzlichen Dank!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.