Pestizide töten Insekten – dafür sind sie da. Bislang stellt sich die chemische Industrie dabei auf den Standpunkt: Wenn Insektengifte korrekt angewendet würden, verursachten die Substanzen keine weiteren Schäden in der Umwelt. Die Krefelder Studie zum Insektenrückgang hat der Diskussion über Pestizide in der Landwirtschaft vor einigen Monaten neuen Schwung gegeben. Welche Ursache der massive Rückgang von Insekten hat – das sei allerdings noch keineswegs klar, sagt Christian Maus. Der Biologe beschäftigt sich beim Chemieriesen Bayer mit dem Schutz von Bienen und anderen Bestäubern.
"Das schreiben ja auch die Autoren der Krefeld-Studie, was hier eine Rolle spielen könnte, was die Einflussfaktoren sind, das wäre noch zu klären. Wir müssen alle möglichen Einflussfaktoren prüfen und eine klare Stellungnahme, was denn hier die Ursachen sind, aber auch was für Maßnahmen getroffen werden müssen, um Abhilfe zu schaffen, kann nur auf wissenschaftlichen Daten und sachlichen Faktoren erfolgen."
Die ehrenamtlichen Insektenforscher aus Krefeld und ihre Partner von den Universitäten in Nijmegen und Sussex hatten beobachtet, dass in den letzten knapp 30 Jahren die Masse der Fluginsekten um etwa drei Viertel zurückgegangen ist. Bei den Ursachen ergab sich jedoch kein klares Bild. Sie zu erforschen kann sehr lange dauern. Auf abschließende Ergebnisse will allerdings auch Christian Maus nicht warten.
"Dass Aktionen notwendig sind, das sehen wir genauso, und das schließt sich auch mit dem Bedarf für weitere Forschung nicht aus. Ich denke mal, Beides muss sich ergänzen."
Dialog mit Chemieindustrie nötig
Naturschutzverbände und Chemieindustrie bewerten die Auswirkungen von Pestiziden in vielen Punkten unterschiedlich. In diesem Punkt stimmen sie immerhin überein. Nicht zuletzt deshalb sei es wichtig, auch mit Vertretern der Chemieindustrie zu sprechen, sagt Josef Tumbrinck, der Vorsitzende des NABU Nordrhein-Westfalen.
"Wir wollen in den Dialog reingehen, wir wollen vieles, was die schädigt – Abschaffung von Neonicotinoiden, zum Beispiel, Glyphosatdiskussion führen – das ist klar, aber wir müssen mit denen auch im Dialog sein, und es ist auch bei Bayer so, dass sie natürlich auch wissen wollen, ob sie es sind, was diesen Rückgang verursacht. Und deswegen sind sie ja auch am Gucken, am Forschen. Wir überlegen auch zusammen, welche Forschungen notwendig sind, weil auch wir als Naturschützer wollen wissen: Was sind denn die Hauptursachen? "
Denn nur wenn die bekannt sind, könnten sie auch gezielt abgestellt werden. Aber:
"Man sollte nicht zuwarten, bis man alles weiß, also schon frühzeitig handeln, aber wir müssen trotzdem wissen, was die Ursachen und Wirkungen sind, das sind für denen, denen wir dann auch reingrätschen – wie der Landwirtschaft – schuldig, dass wir das gut ermitteln."
Verhandlungen über strengere Vorgaben für Landwirte
Auch mit der Landwirtschaft steht der NABU im Dialog. Die Hälfte der Fläche Deutschlands ist landwirtschaftlich genutzt. Strengere Vorgaben für Pestizide oder Landschaftselemente wie Blühstreifen hätten deshalb eine besonders weitreichende Wirkung. Entsprechende Veränderungen könnten Teil der Agrarreform der Europäischen Union sein. Verhandlungen darüber haben bereits begonnen.
"Agrarreform, da ist klar: Das wird jetzt in den nächsten zwei, drei Jahren entschieden, wohin die Reise geht, "
Und weil die Ergebnisse dieser Verhandlungen die Agrarpolitik über Jahre prägen, sei es jetzt schon unverzichtbar, sich dafür einzusetzen, dass Landwirte mehr für den Schutz der Biodiversität unternehmen und dafür auch mehr Förderung erhalten.
Pestizide in Naturschutzgebieten
Ein anderes Problem zeigt sich auf den Naturschutzflächen, die die Krefelder Entomologen untersucht haben: Auch dort wird vielfach konventionelle Landwirtschaft betrieben – mit allem, was damit in Verbindung steht.
"Jeder denkt eigentlich, in Naturschutzgebieten werden keine Pestizide eingesetzt, aber das Gegenteil ist der Fall. Und da kann man jetzt schon ansetzen und mehr Fördermittel gezielt einzusetzen in der Landwirtschaft, ist auch eine Diskussion, die wir mit der Landwirtschaft führen, damit auch jeder Euro möglichst viel bewegt. Da müssen wir auch nicht warten dann."