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NABU-Präsident
"Ein kleiner Zirkel bestimmt die Agrarpolitik"

Ein zentrales Problem der EU-Agrarpolitik sei die enge Verflechtung von Bauernverband, Agrarindustrie und Pestizid-Herstellern, sagte NABU-Präsident Olaf Tschmipke im Dlf. Die Lobby-Strukturen verhinderten politische Veränderung und eine Orientierung am Gemeinwohl.

Olaf Tschimpke im Gespräch mit Jule Reimer |
NABU-Präsident Olaf Tschimpke
Es sei ein relativ überschaubarer kleiner Zirkel, der seit vielen Jahren die Agrarpolitik bestimme, sagte der Präsident des Naturschutzbundes Deutschland, Olaf Tschmipke, im Dlf (dpa / picture-alliance / Hauke-Christian Dittrich)
Jule Reimer: Wer bestimmt eigentlich, was wir essen? – Ein kleiner Zirkel einflussreicher Agrar-Lobbyisten, vorwiegend Männer, die in den deutschen oder europäischen Parlamenten sitzen, oder in führenden Positionen des Deutschen Bauernverbandes, die eng mit Düngemittel- und Saatgutfirmen, Landtechnikherstellern oder Banken zusammenhängen. Das behauptet zumindest eine Studie des Instituts für Arbeit und Wirtschaft in Bremen, die der Naturschutzbund Deutschland in Auftrag gegeben hat. – Ich bin jetzt verbunden mit dem NABU-Präsidenten Olaf Tschimpke. Warum sollen solche Interessenvertreter bestimmen, was bei mir auf den Tisch kommt? Ich bin diejenige, die einkauft und entscheidet.
Olaf Tschimpke: Ja, schönen guten Tag! – Natürlich hat das Einfluss, insbesondere auf die Agrarpolitik, auf die europäische. Da sind wir in den ganzen Jahren ja keinen wesentlichen Schritt vorangekommen. Sie haben ja eben über das Artensterben gehört, was inzwischen globale Ausmaße angenommen hat, und da spielt die Landwirtschaft einen wesentlichen Faktor. Und wenn die Landwirtschaft nicht naturverträglicher wird, wird es am Ende keine Perspektive sowohl für die Bauern wie auch für den Naturschutz geben. Ein zentrales Problem ist die enge Verflechtung von Leuten, die sowohl beim Bauernverband tätig sind, als auch mit der großen Agrarindustrie, als auch mit den Pflanzenschutzherstellern und Pestizidherstellern eng verwoben sind.
"Agrarförderung beeinflusst nicht die Konsumenten"
Reimer: Entschuldigung, Herr Tschimpke, aber entlassen Sie da die Konsumenten nicht zu schnell aus der Pflicht? Ich meine, wir könnten auch anders einkaufen.
Tschimpke: Natürlich haben die Konsumenten auch eine Verantwortung an dieser Stelle. Nur die Agrarförderung, die beeinflussen ja nicht die Konsumenten. Das könnten die Wähler beeinflussen jetzt bei der Europawahl, indem sie sagen, sie wollen das anders, denn das ist im Wesentlichen ja europäisches Geld, ist aber Steuergeld aus Deutschland. Es geht immerhin um fast 40 Prozent des europäischen Etats, die da für Agrarförderung ausgegeben werden, und das beeinflusst die Politik. Der Verbraucher könnte natürlich auch Einfluss nehmen, indem er gewisse Produkte einfach nicht mehr kauft.
Reimer: Bioprodukte kann sich trotz allem, auch wenn es da mittlerweile deutlich mehr billigere Angebote gibt, nicht jeder leisten. Sie spielen ja auf die Parlamentarier an. Martin Häusling von den Grünen im Europaparlament rührt auch kräftig die Trommel für die Ökolandwirtschaft, und er bekommt zum Beispiel auch Subventionen für seinen Hof.
Tschimpke: Na gut. Es geht ja darum: Ich hatte das Thema Artensterben angesprochen. Wer ist denn nun verantwortlich? Wir haben das Problem der Überdüngung, Grundwasserbelastung. Wir haben seit 2008 zum Beispiel eine EU-Nitrat-Richtlinie. Deutschland hat ein Vertragsverletzungsverfahren bekommen und hat die bis heute nicht umgesetzt. Auch die letzte Düngeverordnungsveränderung hat die EU-Kommission nicht akzeptiert und in Niedersachsen zum Beispiel sind in den drei Landkreisen, wo die Intensivlandwirtschaft stattfindet, die Nitrat-Werte noch mal gestiegen. Das heißt, da ist gar kein politischer Wille vorhanden, und dieser wird auch durch diese Lobby-Strukturen verhindert.
"Man ist nicht wirklich bereit, da Veränderungen vorzunehmen"
Reimer: Wenn Bauernverbandsvertreter in den Aufsichtsräten von irgendwelchen Konzernen sitzen, dann spricht das ja auch dafür, dass die Fachwissen mitbringen und sich da gegenseitig austauschen. Abgesehen davon: Zum Beispiel der Deutsche Naturschutzring, der sitzt im Nachhaltigkeitsrat der Bundesregierung. Sie sitzen ja auch mit Ihren Leuten an bestimmten Stellen.
Tschimpke: Ja, das stimmt. Nur wir sind eine gemeinnützige Organisation. Da geht es um Gemeinwohlorientierung. Das sind alles keine Gremien, wo direkte Entscheidungen getroffen werden. Das sind reine Beratungsgremien. Ich will das aber gar nicht verteidigen. In der Landwirtschaft ist das sehr, sehr viel anders. Dort werden ja direkte Entscheidungen zugunsten auch kommerzieller Interessen getroffen, und das ist ein relativ überschaubarer kleiner Zirkel, der da seit vielen Jahren die Agrarpolitik bestimmt, und deswegen haben wir die ganzen Probleme, die heute da auftreten. Man ist nicht wirklich bereit, da Veränderungen vorzunehmen und sich am Gemeinwohl zu orientieren.
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