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Nach 100 Tagen im Amt
Labourführer Starmer beliebter als Premierminister Johnson

Das hat es seit 13 Jahren nicht mehr gegeben: Die Mehrheit der Briten hält laut Umfragen den Oppositions- und Labourführer für den besseren Premierminister. In 100 Tagen verbuchte Keir Starmer einen unerwarteten Popularitätszuwachs - auch wegen des fragwürdigen Corona-Krisenmanagements der Regierung.

Von Burkhard Birke |
Portraitfoto von Labourführer Keir Starmer im blauen Anzug
Labourführer Keir Starmer kann nach nur 100 Tagen im Amt einen unerwarteten Popularitätszuwachs verbuchen (picture alliance / empics / Aaron Chown)
Ohne destruktiv zu sein, nutzte und nutzt Sir Keir Starmer vor allem in der Fragestunde des Parlamentes seine Chancen, die Regierung in die Enge zu treiben. Nicht alle Tage hört man Premierminister Boris Johnson Verantwortung übernehmen. Letzten Mittwoch ging es um die Vorwürfe des Premierministers gegen Pflegeheime, die sich nicht an die Corona-Schutzmaßnahmen gehalten hätten. Keir Starmer ließ nicht locker, verlangte eine Entschuldigung beim Pflegepersonal.
Fürsprecher der Menschen, die bei Corona an der Front stehen, oder der Arbeitnehmer, die ihren Job verlieren könnten. Konstruktive Kritik ist ein Markenzeichen des sicher nicht besonders charismatischen, dafür aber sehr integer und smart wirkenden ehemaligen Direktors der Staatsanwaltschaft.
"Die Arbeitsplatzerhaltungsprämie ist für alle, auch für die, die ohnehin den Job behalten. Deshalb sind wir dafür, diese 1.000 Pfund nur für wirklich gefährdete Jobs zu zahlen", sagte Keir Starmer beim Besuch einer Fabrik dieser Tage. Dem 57-jährigen zweifachen Vater ist in wenigen Tagen gelungen, wonach sich viele Briten lange gesehnt haben: Labour wieder auf einen klaren Kurs zu bringen.
Klare Kante gegen Antisemitismus
Als Sprecher für Brexitfragen unter Corbyn musste er sich mit seinem pro-europäischen Kurs gelegentlich verbiegen. Jetzt hat er parteiintern die Weichen gestellt, Labour aus der ganz linken Ecke herauszuholen, in die Jeremy Corbyn die Partei manövriert hatte. Vor allem gilt bei ihm Null Toleranz bei Antisemitismus – was zum spektakulären Rausschmiss seiner Kontrahentin um den Chefsessel, Rebecca Long Bailey, aus dem Schattenkabinett führte. Rebecca Long Bailey hatte eine Twitter-Nachricht über einen Eintrag einer befreundeten Schauspielerin abgesetzt. Darin waren die US-Polizeimethoden im Umfeld des Todes des Afroamerikaners George Floyd dem israelischen Geheimdienst zugeschrieben worden.
"Für jedes Problem in der Welt wird mit dem Finger auf Israel gezeigt. Für mich war das antisemitisch. Ich habe Rebecca gebeten, ihren Tweet zurückzuziehen, das ist nicht passiert, woraufhin ich sie gebeten habe, zurückzutreten."
Auf bestem Weg, Wähler zurückzugewinnen
Kritik vom linken Parteiflügel ließ nicht auf sich warten: Anders als sein Vorgänger Jeremy Corbyn hat Keir Starmer jedoch deutlich gemacht, was er nicht duldet: "Mit einer Vision für eine bessere Gesellschaft müssen wir voranschreiten, auf die Widerstandskraft und den menschlichen Esprit setzen – was auch Mut und Veränderung für unsere Partei erfordert."
Mit dieser Zielsetzung hatte Kier Starmer am 4. April sein Amt angetreten und scheint nach 100 Tagen auf dem besten Weg, Labours klassische Wähler zurückzugewinnen und die Partei wieder stärker in der Mitte zu verankern. Dafür wird er langen Atem und viel Geduld brauchen. Nach dem fulminanten Wahlsieg der Tories letzten Dezember bleiben Premierminister Boris Johnson nämlich noch mehr als vier Jahre Amtszeit.