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Nach Aberkennung der Gemeinnützigkeit
Attac-Urteil sorgt für Unruhe bei Organisationen und Vereinen

Ende Februar hatte der Bundesfinanzhof die Gemeinnützigkeit von Attac einkassiert. Das höchste deutsche Finanzgericht erklärte dazu, die politische Arbeit der Globalisierungsgegner diene nicht einem gemeinnützigen Zweck. Seither ist die Verunsicherung auch bei anderen Organisationen und Vereinen groß.

Von Theo Geers |
In Frankfurt demonstrieren 2018 Attac-Mitglieder unter anderem gegen Geschäfte der Deutschen Bank in Steueroasen, Gewinnverschiebung und Steuerhinterziehung.
Attac ist laut Bundesfinanzhof nicht mehr gemeinnützig (imago stock&people)
Verunsichert, eingeschüchtert und diffamiert – so sehen sich viele Vereine und Organisationen, seit der Bundesfinanzhof, Deutschlands höchstes Steuergericht, der globalisierungskritischen Organisation Attac die Gemeinnützigkeit aberkannt hat. Eine Woche ist das Urteil alt und es hat auch denen Auftrieb gegeben, die – wie die CDU – etwa der Deutschen Umwelthilfe die Gemeinnützigkeit entziehen wollen. Das hatte die CDu auf ihrem letzten Parteitag beschlossen.
Beide – das Urteil wie so ein Beschluss - sorgt für große Unruhe unter den Vereinen, Gruppen und Organisationen, in denen sich kritische Bürgern für eine bessere Welt engagieren und dabei auch politisch unbequem werden, sagt Stefan Diefenbach-Trommer von der Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung: "Die haben Schweißperlen auf der Stirn. Sie grübeln drüber nach, ob sie das was sie bisher machen so weiter machen können oder demnächst die Gemeinnützigkeit aberkannt kriegen.Die fragen sich, sollen wir es lassen, sollen wir uns nicht mehr gegen Rassismus engagieren, oder müssen wir unsere Satzung ändern – das sind ganz große Fragezeichen"
Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung
Rund 80 Organisationen haben sich in der Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung zusammengeschlossen - Amnesty International gehört dazu ebenso wie Brot für die Welt oder der Lesben- und Schwulenverband Deutschland. Sie alle fürchten, dass Staat und Politiker es zwar gerne sehen, wenn sie etwa Benachteiligten konkret irgendwo helfen, dass sie als Organisation aber aus dem politischen Raum verdrängt werden sollen - auch mit der Drohung, die Gemeinnützigkeit zu verlieren. Stefan Diefenbach-Trommer:
"Ich fürchte einerseits, dass Vereine und Menschen etwas nicht mehr tun was sie wollen und für richtig halten und dass diese Beiträge dann in der gesellschaftlichen Debatte fehlen. Die andere Sorge ist, dass Menschen, die in Verwaltungen handeln, ängstlicher werden, dass ein Zuschuss nicht mehr gegeben wird, dass ein Finanzamt länger nachdenkt, Nein sagt, aus Angst, dann Ärger mit seinen Vorgesetzten oder in der Öffentlichkeit zu bekommen."
Solche Befürchtungen sind nicht aus der Luft gegriffen, berichtet Stephanie Handtmann von Attac. 2014 verlor Attac bereits die Gemeinnützigkeit. Attac klagte dagegen, denn seitdem können Spender ihre Spenden an Attac nicht mehr von der Steuer abziehen – und das ist längst nicht die einzige Benachteiligung für Attac-Mitglieder vor Ort, wenn sie für eine gerechte Gesellschaft oder gegen Steuertricks großer Konzerne demonstrieren:"Die haben konkret Nachteile, die bekommen keine Räumlichkeiten mehr zu günstigen Bedingungen wie das für gemeinnützige Vereine sonst üblich ist, die unterlegen anderen Regelungen vom Ordnungsamt, was die Anmeldung von Infoständen auf Straßen angeht und insgesamt ist es teurer geworden sich einzusetzen."
Attac will deshalb den Klageweg bis zu Ende gehen und notfalls bis vor das Verfassungsgericht ziehen - um seine Gemeinnützigkeit wieder zurückzubekommen und um Rechtssicherheit zu schaffen in der Frage, was ist gemeinnützig – und was nicht.