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Nach Aktion von Hacker-Gruppe
Attila Hildmann - das letzte Kapitel?

Die Hacker-Gruppe Anonymous hat Dutzende Webseiten und Telegram-Kanäle von Attila Hildmann übernommen. Geholfen hat der Gruppe ein enger Vertrauter des Rechtsextremen und Verschwörungsideologen. Die Aktion könnte die Staatsanwaltschaft Berlin unter Druck setzen - und für Hildmann das öffentliche Aus bedeuten.

Von Pia Behme |
Rückansicht eines Mannes, er steht bei einer Kundgebung auf der Bühne und spricht in ein Mikrofon.
Auf Telegram können Extremisten und Verschwörungsmystiker wie der Vegankoch Attila Hildmann ihre Ideen meist ungehindert verbreiten (imago images / Christian Thiel)
Oben auf der dunklen Webseite rotiert die Anonymous-Erkennungsmarke: eine kopflose Person im Anzug. Darunter ein Video im bekannten Stil der Aktivist*innen-Gruppe: Jemand trägt eine weiße Guy-Fawkes-Maske und scheint in die Kamera zu sprechen.
"Attila, Deine Telegram-Kanäle und Gruppen, Deine Websites, Deine Emails, Deine Notizen, Deine Kontakte, die persönlichen Daten Deiner Follower und Kunden. Sowie vieles, vieles mehr."
Eine verzerrte Stimme überbringt die klare Botschaft an den rechtsradikalen Verschwörungsideologen Attila Hildmann. Das passiert, wenn man Anonymous den Krieg erklärt. Oder wie es in einem Blogpost der Gruppe heißt: Attila Hildmann - the final chapter, das letzte Kapitel.
Telegram gegen Attila Hildmann
Aus ttila Hildmann wurde in der Corona-Pandemie ein selbst ernannter "Verschwörungsprediger". Seine Ideen verbreitete er vor allem auf Telegram. Doch sein Profil war dort im Juni kaum noch zu finden. Ein Kurswechsel des Messengers war das aber nicht.
Etwa 20 Webseiten und 30 Telegram-Gruppen des Rechtsextremen hat Anonymous gestern übernommen, Inhalte gelöscht und Kanäle geschlossen. Hilfe hatte die Aktivist*innen-Gruppe von einem engen Vertrauten Hildmanns: Kai E. Er hatte für Hildmann IT-Aufgaben übernommen, Plattformen, Foren und Webseiten erstellt. Kai E. soll Anonymous Zugangsdaten zu mehr als 20 Mail-Accounts gegeben haben. So sei die Gruppe an 100.000 E-Mails Hildmanns gekommen.

Warum gab Kai die Daten von Hildmann weiter?

Inzwischen konnte Hildmann einige der Telegram-Kanälen wieder öffnen. Kai soll nicht in allen Gruppen entsprechende Rechte gehabt haben. "Kai war tatsächlich eine bekannte Person, auch im vergangenen Jahr schon", sagt Josef Holnburger. Der Politikwissenschaftler beobachtet Verschwörungsidelogien, Rechtsextremismus und Antisemitismus im Netz, darunter auch die Telegram-Gruppen von Hildmann. "Bei Kai handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine Person mit einem geschlossenen verschwörungsideologischen Weltbild."
Laut Anonymous hat Kai E. sich zur Weitergabe der Daten entschieden, weil er realisiert habe, dass Hildmann ein "gefährlicher Typ" und "Nazi" sei. Josef Holnburger sieht darin allerdings Schutzbehauptungen: "Ich glaube auch nicht, dass er, wie er es selbst dargestellt hat, sich vom Antisemitismus distanziert oder in dem Falle 'angeekelt' - sagt er ja selbst - hatte und deswegen jetzt den Schlusstrich gezogen hatte, weil er hatte einfach sehr lange Zeit bei Attila Hildmann mitgewirkt. Auch zu einem Zeitpunkt, wo es schon offensichtlich war, wie sich der Antisemitismus von Attila Hildmann äußert."

Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt

Unter den 100.000 E-Mails sollen auch Daten sein, die die Berliner Justiz unter Druck setzen könnten. Im Februar hatte das Amtsgericht Tiergarten einen Haftbefehl wegen Volksverhetzung gegen Hildmann ausgestellt. Er konnte sich jedoch rechtzeitig in die Türkei absetzen, zusammen mit Kai E. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen gegen Unbekannt wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen. Es wird vermutet, dass Hildmann einen Hinweis aus Justizkreisen erhalten hat. Anonymous behauptet nun, Beweise dafür zu haben. Und es gibt weitere Anschuldigungen.
Josef Holnburger: "Dieser Kai sagt, dass er Daten auch an das LKA übermittelt hatte und den Kontakt zur Staatsanwaltschaft gesucht hat, aber dort nicht wahrgenommen wurde. Man muss da immer die Frage stellen, inwiefern stimmt das, was er da geäußert hat, aber das sind schon harte Anschuldigungen."
Telegram: Schlechter als sein Ruf
Telegram gilt vielen als sichere Alternative zu WhatsApp, obwohl die Verschlüsselung weniger umfassend ist. Die App wird oft auch von Verschwörern und Kriminellen genutzt. Grund: Das Netzwerksdurchsetzungsgesetz greift hier nicht.
Die Staatsanwaltschaft Berlin hat sich dazu bisher nicht geäußert.

Aktion könnte Straftat sein

Um Hacking handelt es sich bei der Übernahme durch Anonymous und Kai wohl eher nicht, allerdings ist Datenhehlerei denkbar, so der Anwalt für IT-Recht Chan-jo Jun. Weil Daten an einen Unberechtigten weitergegeben wurden. Sollte die Aktivist*innen-Gruppe, wie angekündigt, Daten von Hildmann veröffentlichen, käme zudem der Datenschutz in Spiel.
"Wenn also nicht-öffentliche Daten, wie auch geheime Emails oder Kundenlisten, veröffentlicht werden, dann kann darin eine Straftat bestehen. Davon unterscheiden muss man natürlich die Weitergabe von Informationen an die Ermittlungsbehörden, weil das nicht öffentlich ist. Wenn also in diesen E-Mails zum Beispiel herauskommen sollte, wer den entscheidenden Tipp, vielleicht aus den Reihen der Justiz, an Hildmann weitergegeben hat, dann könnte das durchaus rechtmäßig sein", so Jun. Gestern wurde zudem bekannt, dass der Anonymous-Twitter-Account von Twitter gesperrt wurde.
"Da gab es den Aufschrei: 'Wie kann es sein, dass hier Helden gesperrt werden, das sind doch nicht die Bösen.' Allerdings juristisch muss man natürlich sehen, dass hier womöglich doch auch Verstöße gegen Gesetz oder Gemeinschaftsstandards vorliegen, wenn hier rechtswidrig Daten veröffentlicht wurden."

"Das Kapitel Hildmann ist eigentlich schon länger geschlossen"

Die Reichweite Attila Hildmanns hatte in den letzten Monaten stark abgenommen. Nach Einschätzung des Datenanalysten und Politikwissenschaftlers Josef Holnburger wird der Trend so weitergehen:
"Es kann jetzt sein, dass aufgrund der aktuellen Berichterstattung noch ein paar mehr Leute sich überhaupt seine Kanäle erstmal angucken. Dadurch, dass die mittlerweile aber gar nicht mehr so einfach auffindbar sind, glaube ich nicht, dass er jetzt noch eine besonders große Reichweite erfahren wird. Sondern das sind jetzt tatsächlich die letzten Überreste seiner Öffentlichkeitsarbeit. Das Kapitel Attila Hildmann ist eigentlich schon länger geschlossen."