Archiv

Nach Anschlägen in Brüssel
Belgien trauert und sucht weiter nach den Terroristen

Nach den Anschlägen in Brüssel steht die belgische Regierung wegen möglicher Pannen unter Druck. Zwei Minister boten ihren Rücktritt an und noch immer sind Verdächtige auf der Flucht. Gleichzeitig muss das Land die Terroranschläge irgendwie verarbeiten.

Von Jörg Münchenberg | 24.03.2016
    Die Trauergäste stehen nebeneinander vor einem weißen Blumenkranz, der von drei Bediensteten gehalten wird.
    Der belgische König Phillipe, EU-Ratspräsident Jean-Claude Juncker und weitere Gäste am 24.3.2016 bei einem landesweiten Gedenken an die Opfer der Terroranschläge von Brüssel. (KENZO TRIBOUILLARD / AFP)
    Es sind schwere Zeiten für Belgien. Noch immer sind einige Verdächtige nach dem verheerenden Doppel-Attentat auf der Flucht. Zugleich wächst der politische Druck auf die Regierung wegen möglicher Pannen bei den Sicherheitsbehörden. Und gleichzeitig muss das Land die Terroranschläge mit mindestens 31 Toten und 300 Verletzten irgendwie verarbeiten:
    "In Zaventem, in Maalbeek ist die ganz alltägliche Freiheit massakriert worden. Genau diese Freiheit, auf der unsere Demokratie beruht, unsere Lust, in Harmonie zusammenzuleben."
    Sagte heute Mittag Premierminister Charles Michel in einer bewegenden Trauerzeremonie vor dem Belgischen Parlament, an der auch König Philippe und Königin Mathilde zusammen mit allen wichtigen politischen Repräsentanten des Landes teilnahmen. Sichtlich betroffen erinnerte Michel an die Opfer der Anschläge, aber betonte auch – man werde sich vom Terror nicht unterkriegen lassen:
    "Ich will, wir wollen der Würde des belgischen Volks huldigen, das dieser Tragödie mit Solidarität, mit Mut und dem Geist der Einheit begegnet."
    Dritter Täter von Zaventem weiter auf der Flucht
    Um 14:30 Uhr dann eine Schweigeminute im ganzen Land. Unterdessen läuft die Suche nach weiteren möglichen Beteiligten an den Anschlägen fieberhaft weiter. Eindeutig identifiziert sind mittlerweile zwei Selbstmordattentäter: Ibrahim El Bakraoui hat sich demnach am Flughafen Zaventeem in die Luft gesprengt. Der zweite Selbstmordattentäter dort soll nach belgischen Medienangaben Najim Laachraoui sein, der auch als Drahtzieher der Pariser Terrorattacken gilt. Ein dritter Täter von Zaventeem ist weiter auf der Flucht.
    Der jüngere Bruder von Ibrahim El Bakraoui, Khalid, hat sich in der Brüsseler Metro mitten im EU-Viertel in die Luft gesprengt. Von Khalid gibt es auch eine direkte Verbindung zu den Pariser Anschlägen. Er soll unter falschem Namen eine Wohnung für die Vorbereitung angemietet haben, bestätigte heute die Staatsanwaltschaft. Im Zusammenhang mit dem Metro-Anschlag wird auch ein weiterer Verdächtiger gesucht, der mit Khalid am Dienstag kurz davor gesprochen haben soll.
    "Als ich Dienstagabend nach einem langen Tag noch voller Emotionen vor dem Spiegel stand und meine Zähne putzte, sah ich vor mir 31 Menschen, die 24 Stunden zuvor auch ihre Zähne geputzt hatten."
    Belgien droht innenpolitische Krise
    So der Abgeordnete Peter de Roover von den flämischen Nationalisten in einer ersten Parlamentsaussprache nach den Anschlägen. Auch die Abgeordneten müssen die terroristische Gewalt erst einmal verarbeiten. Doch gleichzeitig droht Belgien eine schwere innenpolitische Krise. Der sozialdemokratische Oppositionspolitiker Elio de Rupo:
    "Die Opfer und deren Familien haben das Recht zu verstehen und zu wissen, wie unser Land in diesem Horror versinken konnte. Ein Untersuchungsausschuss muss da Licht hinein bringen."
    Längst gibt es Vorwürfe über schwere Versäumnisse der Sicherheitsbehörden. Ibrahim El Bakraoui, der Attentäter vom Flughafen, soll demnach im Sommer 2015 von den türkischen Behörden nach Belgien abgeschoben worden sein – versehen mit der Warnung, es handele sich um einen gefährlichen Islamisten. Doch die belgischen Behörden ließen Bakraoui laufen.
    "Es ist vielleicht kein rechtzeitiger Informationsfluss von der Türkei nach Belgien gewesen und auch in Belgien selbst. Das müssen wir morgen in Ruhe aufklären und erläutern."
    Verteidigte sich heute der belgische Justizminister Koen Geens. Trotzdem haben er und Innenminister Jan Jambon ihren Rücktritt angeboten, was Premierminister Michel mit Verweis auf die gegenwärtige "Kriegssituation" abgelehnt hat.
    Doch der Aufklärungsdruck ist immens. Und so muss Belgien in diesen Tagen irgendwie alles bewältigen – den Terror, mögliche Schlampereien bei den Ermittlungsbehörden und vor allem die Trauer über die Opfer der verheerenden Anschläge in der Hauptstadt Europas.