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Nach Anschlag auf Berliner Moschee
"Jetzt stehen wir auf der Straße"

Durch den Brandanschlag auf die Koca-Sinan-Moschee in Berlin hat die Gemeinde nicht nur ihren Gebetsraum verloren. Auch Korankurse und Angebote für Kinder können nicht mehr stattfinden. Eine Lösung dafür ist derzeit nicht in Sicht. Viele Mitglieder fühlen sich deshalb von der Politik im Stich gelassen.

Von Kemal Hür |
    Die Fassade der Koca-Sinan-Moschee in Berlin-Reinickendorf nach dem Brand.
    Die Fassade der Koca-Sinan-Moschee in Berlin-Reinickendorf nach dem Brand. (dpa / Paul Zinken)
    Es riecht verbrannt auf der Straße vor der Koca-Sinan-Moschee in Berlin-Reinickendorf. Vor dem Eingang lagert hinter Absperrgittern das verkohlte Inventar: ein Kühlschrank, Regale, Stühle und andere Kleinmöbelteile. Die Moschee ist nicht mehr nutzbar, der Hauptraum ist vollständig ausgebrannt. Vor dieser Kulisse stellen sich Gemeindemitglieder mit ihrem Besuch für ein Foto zusammen. Aydan Özoguz ist da, bis vor einigen Tagen noch Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, jetzt einfaches Mitglied der SPD-Fraktion im Bundestag.
    "Wenn man hier ist, sieht man, wie viele Menschen genau über dieser Moschee leben. Wer immer das gemacht hat, hat wirklich viele Menschenleben in Gefahr gebracht. Ich sehe hier Menschen, die einfach gar nicht wissen, was sie sagen sollen, Menschen, die gar nicht wissen, wo sie teilweise ihre Kinder hinschicken sollen nachmittags. Das ganze Sozialleben leidet ja auch ein ganzes Stück weit."
    "Wir wissen momentan gar nichts"
    Sorgen, für die die Gemeinde noch keine Lösungen hat. Die Korankurse und andere Angebote für Kinder können genauso wenig stattfinden wie die fünfmaligen Gebete. Der Vorstand der Moschee fragte bei der Schulverwaltung des Bezirkes nach, ob die Korankurse am Wochenende nicht in der benachbarten Schule stattfinden könnten. Die zuständige Verwaltung habe den Antrag abgelehnt mit der Begründung, Koranunterricht dürfte nicht in der Schule stattfinden, sagt Ahmet Güldag vom Vorstand der Moschee.
    "Wir haben nicht nur Koranschule; wir haben Aktivitäten, wo Kinder miteinander spielen. Es sind viele Sachen, nicht nur das Koranlesen. 160 Kinder zwischen 7 und 20 Jahren. Wir wissen momentan gar nichts. Wir versuchen, einen Weg zu finden. Müssen wir mal sehen."
    Von der Solidarität der ersten Stunde sei nichts mehr übrig geblieben, beklagt Güldag.
    "Jetzt stehen wir auf der Straße. Kein Politiker, kein Bezirk - niemand kommt uns helfen. Am ersten Tag waren sie alle da. Vor den Medien, vor den Fernsehkameras haben sie alles versprochen. Aber leider jetzt ist es nicht so."
    "Wir haben viele kurdischstämmige Gläubige"
    Aus den geschlossenen Fenstern der Moschee hängen türkische und deutsche Fahnen heraus. Auf den Jalousien kleben weiße Plakate: "Jetzt sind wir deutschlandweit bekannt", steht auf einem, auf einem anderen: "Gotteshäuser gehören uns allen". Am Absperrgitter ist auf einem brauen Stück Pappe zu lesen: "In dieser Moschee haben alle Muslime (Türken, Kurden, Araber, Bosnier) gemeinsam gebetet."
    Diese Aussage unterstreicht Süleyman Kücük ausdrücklich. Er möchte den Anschlag nicht mit dem türkischen Einmarsch gegen Kurden in Syrien in Zusammenhang bringen. Kücük gehört dem Landesvorstand der Berliner DITIB an, dem Mutterverband der angegriffenen Moschee.
    "Wir haben in unserer Gemeinde selber sehr viele kurdischstämmige Gläubige, die mit uns die fünfmaligen Gebete hier in der Moschee gemeinschaftlich beten. Fest steht für uns: Diejenigen, die so etwas gemacht haben - ich möchte überhaupt keine Namen nennen, keine Gruppierungen aufzählen -, das sind für uns Menschenhasser, Terroristen im wahrsten Sinne des Wortes, die hier einen heiligen Ort zerstört haben. Dass solche heiligen Orte angegriffen werden, können wir uns letztendlich überhaupt nicht erklären."
    Die Gemeinde hat vom Bezirksamt die Genehmigung bekommen, das heutige Freitagsgebet auf dem Spiel- und Bolzplatz auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu verrichten. Dazu erwartet der Vorstand mehrere tausend gläubige Muslime.