Archiv

Nach Anschlag in Barcelona
"Offenes und freies Zusammenleben in Europa bewahren"

Mehr Sicherheitspersonal, bessere Prävention und Aussteigerprogramme: Diese Maßnahmen hält SPD-Innenexperte Lars Castellucci für wichtig, sollte sich herausstellen, dass die Verantwortlichen für die Anschläge in Barcelona aus Europa selbst stammen. Die offenen Grenzen sollten trotz der Bedrohung bewahrt werden, sagte Castellucci im Dlf.

Lars Castellucci im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci.
    Der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci. (picture alliance / dpa / Marijan Murat)
    Christiane Kaess: Am Telefon mitgehört hat der SPD-Politiker Lars Castellucci. Er ist Mitglied im Innenausschuss des Bundestages. Guten Tag, Herr Castellucci!
    Lars Castellucci: Schönen guten Tag, Frau Kaess!
    Kaess: Sie haben gerade die Einschätzungen von Herrn Kaim gehört - Bemühungen bei der europäischen Zusammenarbeit der Sicherheitskräfte, aber es gibt immer noch etliche Kritik daran. Was hat die Politik versäumt?
    Castellucci: Ja, lassen Sie mich vielleicht als Allererstes doch sagen, wie bestürzt ich bin von diesem Anschlag und auch mein Beileid aussprechen allen, die jetzt zu Opfern geworden sind und die Angehörige sind. Das ist wirklich ein entsetzlicher Anschlag an einem Ort, der eigentlich ein Ort der Freude und der Freizeit ist, und der trifft uns natürlich erneut ins Mark.
    Haben wir da genug dafür getan, ist die Kritik berechtigt? Ich glaube, es ist wieder deutlich, dass wir immer noch besser werden müssen, das ist auf jeden Fall richtig, aber gleichzeitig kann ich auch sagen, dass viel passiert ist. Wir sind nicht vollkommen überrascht, dass so etwas überhaupt passieren kann, und wir haben in den letzten Jahren viel getan, um die Behörden zu stärken und auch die Zusammenarbeit in Europa, die immer noch verbesserungsfähig ist und -würdig ist, ist auch schon in Angriff genommen worden.
    "Sicherheitsbehörden insgesamt sehr, sehr gut aufgestellt"
    Kaess: Hat der Anschlag in Spanien etwas an der Sicherheitslage in Deutschland verändert?
    Castellucci: Davon gehe ich nicht aus. Mein Eindruck ist, dass unsere Sicherheitsbehörden insgesamt sehr, sehr gut aufgestellt sind, sehr professionell arbeiten, auch die internationale Zusammenarbeit immer besser wird, aber letztlich ausschließen können wir solche Anschläge natürlich auch bei uns nicht.
    IS ist in seinen Hochburgen auf dem Rückzug
    Kaess: Herr Castellucci, teilen Sie die Sorge, die jetzt auch immer wieder geäußert wird, dass der IS mehr Anschläge in Europa verüben wird, je mehr er Gebiet verliert in Syrien und im Irak?
    Castellucci: Erhard Eppler hat einmal gesagt, dass der Terrorismus aus einer Schwäche heraus entsteht, und ich glaube, dass das ein richtiger Satz ist. Und wenn man den dann weiterspinnt, dann wird man dazu kommen, dass das sehr wahrscheinlich ist, was Sie gerade angedeutet haben.
    Der IS ist in seinen Hochburgen auf dem Rückzug und schlägt nun, wo er kann, um sich. Letztlich wenn wir aber schaffen, ihm die Basis zu entziehen, dann wird er auch bei uns schwächer werden. Wir müssen ja auch einfach bei diesem Anschlag wieder ganz genau schauen, wer war das denn überhaupt, der diesen Anschlag verübt hat. Ist da jemand im Internet unterwegs und begeistert sich für den IS und plant es selbstständig, oder gibt es tatsächlich Verbindungslinien auch in die Krisengebiete im Nahen Osten - das wissen wir ja zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht.
    Bessere Grenzkontrolle an den Außengrenzen Europas oder Präventivmaßnahmen
    Kaess: Die Spitzenkandidatin der AfD für die Bundestagswahl, Alice Weidel, die spricht jetzt von Politikversagen offener Grenzen und laxer Immigrationspolitik und von naiver Willkommenskultur. Bringt das Schengener Abkommen mit seinen offenen Grenzen Gefahren, die die Sicherheitspolitik überfordert?
    Castellucci: Zunächst mal sind diese offenen Grenzen, die wir in Europa haben, etwas ganz Wunderbares auf einem Kontinent, der jahrhundertelang immer nur in Kriegen versunken ist, und wir wollen unser offenes und freies Zusammenleben in Europa bewahren. Und alle Anschläge, die stattfinden, die zielen ja genau darauf, dieses Lebensmodell, das wir haben, ins Wanken zu bekommen, und das Gegenteil davon wollen wir. Gleichzeitig heißt es natürlich, wir müssen uns schützen vor solchen Terroranschlägen, und deswegen ist einmal die Frage, wie kommt das zustande. Wenn es von außen kommt, dann ist die Antwort eine bessere Grenzkontrolle an den Außengrenzen Europas - da ist schon jetzt viel getan worden in den letzten Monaten und ist natürlich auch weiter viel zu tun.
    Wenn aber die Gefährder und die Terroristen aus unseren Gesellschaften selbst erwachsen, wie das ja bei der Mehrzahl der Anschläge bisher der Fall war, dann müssen wir auch schauen, was wir bei uns tun, was wir machen, um präventiv vorzugehen - ob wir genug Aussteigerprogramme haben, ob wir genug Personal bei den Sicherheitsbehörden haben, dass die wirklich in alle Ecken des Landes gehen können und wachsam sein können, wo sich Islamismus oder generell eine Terrorneigung zu entwickeln droht.
    "Abstoßend, was ich jetzt von Seiten der AfD dazu höre"
    Kaess: Aber ist dieser Anschlag Wasser auf die Mühlen der AfD, was wollen Sie da jetzt im Wahlkampf der AfD entgegensetzen?
    Castellucci: Ja, wir setzen immer Sachpolitik gegen diese, ja letztlich fast schon Freude, dass wieder etwas passiert ist, sodass man wieder ein politisches Thema gefunden hat. Ich finde das sehr abstoßend, was ich jetzt von Seiten der AfD dazu höre. Der Herr Gauland hat auch schon mal gesagt, dass er sich eigentlich über die Flüchtlingskrise gefreut hat, weil sie sei ein Geschenk für die AfD gewesen und hätte ihr in den Wahlergebnissen geholfen. Ich finde so was einfach nur zynisch.
    Kaess: Sagt Lars Castellucci von der SPD. Er ist Mitglied im Innenausschuss des Bundestages. Danke für das Gespräch!
    Castellucci: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.