Peter Sawicki: Guten Abend, Herr Mayer!
Stephan Mayer: Guten Abend, Herr Sawicki, grüß Gott!
Sawicki: Haben Sie mit einem Attentat gerade in Spanien gerechnet?
Mayer: Ich hab nicht konkret mit einem Attentat in Spanien und natürlich schon gleich nicht in Barcelona gerechnet, aber natürlich war davon auszugehen, dass die Bedrohungssituation nach wie vor hoch ist - in Westeuropa insgesamt. Und man musste natürlich davon ausgehen, dass es weitere Anschläge gibt. Ich glaube, es wäre naiv gewesen anzunehmen, dass es nach Manchester keine weiteren Anschlagsversuche oder auch keine weiteren Anschläge, islamistisch motivierte Anschläge mehr in westlichen europäischen Ländern geben würde.
"Alle westlichen Länder gleichermaßen bedroht"
Sawicki: Sie haben die Anschläge angesprochen in anderen Städten, aber sind denn alle Metropolen in Europa gleich stark bedroht?
Mayer: Gerade dieser heutige schreckliche barbarische Anschlag in Barcelona, im Herzen Barcelonas zeigt, dass im Grunde genommen alle westlichen Länder - ob jetzt Großbritannien, Belgien, Spanien, Deutschland, Frankreich - alle gleichermaßen bedroht sind. Ich glaube, es ist hier müßig zu erörtern, welches Land stärker bedroht ist. Es mag vielleicht sein, dass osteuropäische Länder derzeit weniger im Fokus des islamistischen Terrorismus stehen, aber den Islamisten geht es aus meiner Sicht darum, unsere westliche Lebensform zu attackieren, und da ist der Anschlagsort - wie gesagt, ob jetzt Manchester, Paris, Brüssel, Berlin oder Barcelona - sekundär oder vielleicht sogar vollkommen nebensächlich.
"Jetzt nicht vorschnell die Effektivität von Antiterrorgesetzen kritisieren"
Sawicki: Nun hat der Kollege Herter gerade gesagt, eigentlich gibt es in Spanien ja besonders scharfe Antiterrorgesetze, helfen die also anscheinend nicht mal mehr, selbst in Spanien nicht?
Mayer: Ich glaube, man sollte wenige Stunden nach diesem schrecklichen Anschlag sich eher zurücknehmen, wenn man jetzt vorschnell Schlussfolgerungen zieht. Wir wissen noch viel zu wenig über den oder die Attentäter. Der Attentäter ist offenbar ja auch noch nicht unter den festgenommenen Personen. Also ich glaube, man sollte sich einfach die Zeit jetzt geben, auch wenn natürlich der Druck groß ist, jetzt schnell Antworten zu finden oder Antworten geben zu müssen, aber ich glaube, man sollte dem jetzt auch durchaus widerstehen und erst mal abwarten, was die Ermittlungen tatsächlich zutage fördern, wer die Attentäter waren oder sind und was der konkrete Hintergrund ist, wie die Vorgehensweise und vor allem auch die Vorbereitung konkret waren.
Aber eines ist natürlich auch Bestandteil der traurigen Wahrheit: Anschläge wie heute Abend in Barcelona auf der Einkaufsmeile Las Ramblas lassen sich wahrscheinlich nicht zu 100 Prozent verhindern. Sie sind mit sehr geringem Aufwand zu organisieren, der finanzielle Aufwand ist verschwindend gering, und vor dem Hintergrund sollte man, glaube ich, jetzt nicht vorschnell die Effektivität von Antiterrorgesetzen kritisieren oder infrage stellen. Man muss erst mal abwarten, was die Ermittlungen jetzt konkret zutage fördern.
"Anschlagsmuster wiederholt sich"
Sawicki: Aber bestätigt ist ja, zumindest weitgehend, dass es ein Lieferwagen gewesen ist, zumindest einer, der als Terrorwaffe, als Tatwaffe sozusagen benutzt worden ist. Ist das jetzt das, "normale Mittel" für solche Anschläge?
Mayer: Das Anschlagsmuster wiederholt sich, ob in Nizza, in Berlin oder jetzt in Barcelona oder auch in London ja in diesem Jahr schon mal. Wie gesagt, diese Anschlagsform ist sehr einfach zu organisieren, der logistische und finanzielle Aufwand ist verschwindend gering. Man muss sich einen Lastwagen oder einen Transporter anmieten, und darüber hinaus bedarf es keiner großen logistischen Vorbereitungen. Gleichwohl sind die westlichen Länder nicht machtlos und auch unsere Sicherheits- und Polizeibehörden nicht machtlos.
Man muss bei aller riesigen Bestürzung und Betroffenheit über den Anschlag heute natürlich auch immer wieder darauf hinweisen, dass weitaus mehr geplante Anschläge rechtzeitig vereitelt werden - in Deutschland, aber auch in vielen anderen westlichen Ländern. Und ich glaube, gerade dieser heutige Anschlag zeigt auch noch mal, dass wir vereint im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus stehen. Es waren unter den Opfern am Breitscheidplatz in Berlin auch viele ausländische Gäste...
"Die Zusammenarbeit ist besser geworden"
Sawicki: Wenn ich da kurz einlenken darf. Sie sagen, machtlos sind die europäischen Staaten und Sicherheitsbehörden nicht. Was tun denn die deutschen Sicherheitsbehörden, um so einen Anschlag dann so gut es geht zu verhindern?
Mayer: Ich kann nur eines klar zum Ausdruck bringen: Unsere Sicherheitsbehörden tun sehr viel - sowohl die Verfassungsschutzämter als auch die Polizeibehörden, das Bundeskriminalamt …
Sawicki: Was denn konkret seit dem Fall Amri, was hat sich da verbessert?
Mayer: Nach Amri hat sich sehr wohl einiges verbessert, das möchte ich schon sagen. Die Zusammenarbeit ist besser geworden, wir haben auch gesetzgeberisch Veränderungen vorgenommen, haben zum Beispiel die Abschiebehaft für Islamisten erleichtert, haben den Ausreisegewahrsam, die Möglichkeit des Ausreisegewahrsams verlängert, haben die Möglichkeit geschaffen, dass Islamisten auch mit der elektronischen Fußfessel überwacht werden. All das ist noch nicht die Garantie, dass es in Deutschland keinen Anschlag mehr gibt, aber es gab sehr wohl nach dem Fall Amri Verbesserungen sowohl in der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden als auch in der Gesetzgebung.
Sawicki: Stephan Mayer, der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion bei uns im Deutschlandfunk. Danke für Ihre Zeit, Herr Mayer!
Mayer: Bitte schön!
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