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Nach Atomdeal mit dem Iran
Nahost-Experte erwartet Stärkung des Assad-Regimes

Mit dem Atomabkommen und den verbesserten Beziehungen zum Iran erhoffen sich die USA auch ein Ende des blutigen Bürgerkriegs in Syrien. Doch es gebe keinen Grund anzunehmen, dass der Iran dem syrischen Machthaber Assad die Unterstützung entziehe, sagte der Nahost-Experte Günter Meyer im DLF. Im Gegenteil.

Günter Meyer im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Günter Meyer, Orientexperte an der Universität Mainz
    Günter Meyer, Leiter des Zentrums für Forschung zur arabischen Welt an der Universität Mainz, hält ein Einschreiten des Iran in Syrien gegen das Assad-Regime für höchst unwahrscheinlich. (picture alliance / dpa / Erwin Elsner)
    Martin Zagatta: Seit es in dieser Woche gelungen ist, die Atomverhandlungen mit dem Iran erfolgreich abzuschließen – jedenfalls vorerst –, seitdem herrscht Optimismus, zumindest in der westlichen Welt. Der amerikanische Präsident Obama hat sich beim russischen Präsidenten Putin ausdrücklich bedankt für die konstruktive Rolle, die Moskau gespielt habe, und von den verbesserten Beziehungen jetzt zum Iran erhofft er sich, dem so blutigen Bürgerkrieg auch in Syrien endlich ein Ende machen zu können.
    Obama setzt darauf, dass der Iran seinen Einfluss auf den syrischen Präsidenten Assad nutzt. Doch wie realistisch ist das? Professor Günter Meyer ist Leiter des Zentrums für Forschung zur arabischen Welt an der Universität Mainz und jetzt am Telefon, guten Morgen, Herr Meyer!
    Günter Meyer: Guten Morgen, Herr Zagatta!
    "Position des Assad-Regimes ist deutlich gestärkt worden"
    Zagatta: Herr Meyer, der Iran hält ja das Regime von Präsident Assad in Damaskus an der Macht mit seiner Unterstützung. Sehen Sie da jetzt mit dem Atomabkommen denn irgendwelche Hinweise auf eine Kursänderung?
    Meyer: Die Situation in der Region wird sich auf jeden Fall ändern. Ob zum Guten, ob zu einem Friedensprozess, ist noch die große Frage. Baschar al-Assad hat das Abkommen begrüßt als einen großen Sieg des Iran und sehr deutlich gemacht, dass er durch den erwarteten wirtschaftlichen Aufschwung im Iran auch damit rechnet, dass die Unterstützung des Iran gerade in militärischer Hinsicht wieder größer wird. Eine sicherlich berechtigte Hoffnung! Das heißt, die Position des Regimes Baschar al-Assads ist deutlich gestärkt worden, das ist schon mal ein wichtiges Ergebnis.
    Zagatta: Die USA dringen aber auf eine Ablösung Assads, also, die amerikanische Position ist, er muss auf alle Fälle gehen! Könnte denn der Iran Präsident Assad überzeugen, zugunsten einer Übergangsregierung abzutreten, um zumindest diesem unsäglichen Blutvergießen ein Ende zu machen? Oder halten Sie das für undenkbar?
    Meyer: Ich halte es für höchst unwahrscheinlich. Die Erwartungen der Amerikaner in allen Ehren, aber die Realität ist, die Unterstützung Irans für Baschar al-Assad sichert auch in Zukunft die politische Bedeutung, den politischen Einfluss des Iran in Syrien, und genau darum geht es. Es gibt nicht den geringsten Grund, jetzt zu erwarten, dass der Iran seinen wichtigsten Verbündeten dort etwa fallenlässt, im Gegenteil. Iran wird die Position unterstützen. Bisher ist der Iran von allen Friedensverhandlungen ausgeschlossen worden, jetzt ist der Iran nicht mehr zu umgehen, er muss in die Friedensverhandlungen in Syrien miteinbezogen werden. Und das bedeutet automatisch eine Stärkung des Assad-Regimes.
    "Auch Russland unterstützt Syrien und Assad"
    Zagatta: Wie einflussreich ist denn Russland da in Syrien? Könnte es da so etwas wie eine amerikanisch-russische Initiative geben?
    Meyer: Russland unterstützt genauso wie der Iran Syrien. Und unterstützt auch speziell Baschar al-Assad. Und selbst was die amerikanische Position anbelangt: Es wird zwar immer gesagt, Baschar al-Assad muss zurücktreten, aber die Amerikaner sind sich sehr wohl bewusst, dass Baschar al-Assad die Macht ist, die verhindert, dass die Islamisten in Syrien tatsächlich die Kontrolle übernehmen.
    Das heißt, Rücktritt von Baschar al-Assad ist höchst unwahrscheinlich, militärischer Sieg über Baschar al-Assad aber würde bedeuten, dass hier ein Machtvakuum entsteht. Und das wird automatisch gefüllt durch die stärksten Gruppierungen, die wir in Syrien haben. Und das bedeutet ausschließlich islamistische Gruppen.
    Zagatta: Wie sind denn da im Moment die Machtverhältnisse? Die Terrororganisation Islamischer Staat, wir hören da ja Unterschiedliches, ist die im Moment auf dem Vor- oder auf dem Rückmarsch da in Syrien?
    Meyer: Also, die Front schwankt hin und her. Aber generell können wir sagen, dass der Islamische Staat relativ stabil in Syrien und im Irak ist, und zwar aus durchaus verständlichen Gründen. Gerade die Türkei, ebenso Saudi-Arabien, auch Katar haben im Endeffekt kein Interesse daran, dass der Islamische Staat vernichtet wird.
    Gerade aus türkischer Sicht, für die Türkei, die seit Langem logistisch über die Nachschubrouten den Islamischen Staat unterstützt hat, die überwältigende Mehrheit der ausländischen Kämpfer reisen über die Türkei ein, die Türkei hat kein Interesse an einer Vernichtung des Islamischen Staates. Denn der Islamische Staat hält die Kurden in Syrien in Schach. Das heißt, Ausschaltung des Islamischen Staates würde eine Stärkung der Kurden, einen selbstständigen Staat südlich der türkischen Grenze bedeuten. Und das will die Türkei mit allen Mitteln verhindern.
    "Freie Syrische Armee ist de facto bedeutungslos - Islamisten geben den Ton an"
    Zagatta: Die Kurden, die im Westen viele Sympathien genießen, sind das eine, Herr Meyer. Wie ist das denn mit den sogenannten gemäßigten Rebellen, auf die der Westen eigentlich setzt? Gemäßigte Rebellen in Syrien, gibt es die so, kann man das überhaupt so bezeichnen und welche Rolle spielen die?
    Meyer: Diese gemäßigten Rebellen, insbesondere die Freie Syrische Armee, hat am Anfang der Rebellion eine große Rolle gespielt, inzwischen ist sie de facto bedeutungslos. Die Strategie der Amerikaner, die in der Türkei beziehungsweise in Jordanien und in Saudi-Arabien mehr als 5.000 gemäßigte Kämpfer ausbilden will, setzt darauf, dass damit der Islamische Staat bekämpft werden soll, aber auch das syrische Regime. Eine Hoffnung, die sich in der Vergangenheit als nicht erfüllbar erwiesen hat, im Gegenteil.
    Diejenigen Soldaten, die ausgebildet sind, die mit US-amerikanischen Waffen beziehungsweise mit Waffen, die vom CIA aus Libyen nach Syrien gebracht worden sind, ausgerüstet worden sind, die sind über kurz oder lang zum weitaus größten Teil zum Islamischen Staat und zur Nusra-Front, also dem Al-Kaida-Ableger übergelaufen. Das heißt, diese Strategie ist de facto gescheitert. Es gibt keine gemäßigten Gruppen. Islamisten, radikale Islamisten – einerseits Al-Kaida-nahestehend, andererseits Islamischer Staat –, das sind diejenigen, die den Ton angeben.
    "Saudi-Arabien, Katar und die Türkei haben sich zusammengeschlossen"
    Zagatta: Das heißt, aus westlicher Sicht gibt es da im Moment ja so gut wie gar keine Hoffnung! Wie sehen Sie die Zukunft jetzt Syriens, was ist da realistisch, was halten Sie für realistisch?
    Meyer: Hier ist das Entscheidende die Auseinandersetzung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Der Gewinn des Iran, der Aufschwung auch für die Unterstützung von Baschar al-Assad hat jetzt schon bereits dazu geführt, dass Saudi-Arabien, Katar und die Türkei, die in der Vergangenheit sehr unterschiedliche politische Interessen verfolgt haben, sehr unterschiedliche politische Gruppen in Syrien unterstützt haben, dass die sich zusammengeschlossen haben.
    Das heißt, die Hoffnung auf Moderation von US-amerikanischer Seite wird dazu führen, dass die Hardliner unter Führung von Saudi-Arabien mit Unterstützung von Katar und der Türkei hier wesentlich stärker militärisch in Syrien eingreifen werden. Es ist sogar die Rede davon, dass ein Einmarsch türkischer Truppen in Syrien mit Unterstützung von saudischer Seite geplant ist.
    Zagatta: Professor Günter Meyer, der Leiter des Zentrums für Forschung zur arabischen Welt an der Uni Mainz. Herr Meyer, herzlichen Dank für das Gespräch!
    Meyer: Vielen Dank, Herr Zagatta!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.