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Nach Attentat
Danziger trauern um ermordeten Bürgermeister

Tausende Danziger Bürger und Politiker aller Parteien haben am Abend für ihren verstorbenen Bürgermeister gebetet und am Rathaus der Stadt Kerzen entzündet. Pawel Adamowicz war am Sonntag mit einem Messer angegriffen und tödlich verletzt worden. EU-Ratspräsident Donald Tusk würdigte ihn als mutigen Politiker.

Von Florian Kellermann |
    Menschen gedenken am Danziger Rathaus ihres verstorbenen Bürgermeisters Pawel Adamowicz
    Zigtausende Danziger kamen auf den Langen Markt in die Innenstadt, um zu trauern (Deutschlandradio / Florian Kellermann)
    Mit einer ökumenischen Trauerveranstaltung gedachten die Danziger am Abend an ihres verstorbenen Bürgermeisters. Auch ein Rabbiner und ein Imam sprachen ein Gebet - ein Symbol für die Toleranz, für die Pawel Adamowicz als Stadtoberhaupt stand. Seine langjährige politische Weggefährtin Aleksandra Dulkiewicz sagte:
    "Wir verabschieden einen Menschen, der sein Leben Danzig gewidmet hat. Er hat die Stadt aus einer schwierigen Situation in den 1990er Jahren geführt, als die Arbeitslosigkeit hoch und die Kassen leer waren. Mit ihm haben wir die Möglichkeiten ausgeschöpft, die uns der EU-Beitritt Polens bot. Durch ihn gehört Danzig heute zu den lebenswertesten Städten in Polen und ist auf der Welt ein Begriff."
    Auch Donald Tusk war unter den Trauernden
    Zigtausende Danziger kamen auf den Langen Markt in die Innenstadt, um zu trauern. Der tödliche Messerangriff während einer Benefiz-Gala am Sonntag hat die Stadt erschüttert. Unter den Versammelten war der EU-Ratspräsident Donald Tusk, lange Zeit ein politischer Partner des Verstorbenen. Pawel Adamowicz gehörte bis vor vier Jahren Tusks rechtsliberaler Partei "Bürgerplattform" an. Tusk sagte:
    "Jeder Danziger erinnert sich an dich von deiner Jugend an, lieber Pawel. Du warst immer da, um ein offenes und mutiges Gesicht zu zeigen und dich gegen das Böse zu stellen. Ich weiß noch, mit welcher Rührung du in den 1980er Jahren mit uns das Lied der Solidarnosc-Bewegung gesungen hast, es hieß "Gebet für den Sonnenaufgang"."
    Auf dem Langen Markt wurden die letzten Worte von Adamowicz eingespielt. Auf der Bühne der Spendenaktion hatte er gesagt:
    "Danzig ist großzügig, Danzig ist eine Stadt der Solidarität, das ist eine wunderbare Zeit, um miteinander zu teilen."
    Manche Danziger sind mit Pawel Adamowicz aufgewachsen, schließlich war er über 20 Jahre lang Bürgermeister. So der 24-Jährige Michal, ein BWL-Student:
    "Das ist eine Tragödie, mir fällt es immer noch schwer, klar zu denken. Ich kann erst einmal keine Lehren ziehen aus so einer sinnlosen Tat. Wir haben als Nation eine schwere Aufgabe vor uns, nicht mehr so viel Hass in unserer Gesellschaft zuzulassen."
    Polen scheint nach der Tragödie vereint
    Der Täter, ein 27-jähriger Danziger, hat eine lange kriminelle Vorgeschichte und, nach ersten Informationen, eine schwere psychische Störung. Viele der in Danzig Versammelten waren dennoch überzeugt, dass die mitunter hasserfüllte politische Debatte mitverantwortlich ist für die Tat, so Ewa Tamowicz, eine 56-jährige Juristin:
    "Unsere Politiker haben alle Hemmungen verloren und werfen mit bösen Worten nur so um sich. Das übertragen die Menschen auf ihren Alltag. Und dann erhebt irgendwann einer die Hand gegen einen anderen."
    Doch zumindest jetzt, unmittelbar nach der Tragödie, scheint Polen vereint: Politiker aller Parteien nahmen an Trauerveranstaltungen und Gottesdiensten in verschiedenen Städten teil. Der polnische Präsident Andrzej Duda kündigte für den Tag der Beisetzung Staatstrauer an. Er ermahnte alle Polen, jetzt mit sich selbst ins Gericht zu gehen.