Es war 11.21 Uhr Ortszeit, als Senator Murphy aus Connecticut ans Mikrophon des Hauses trat und die Debatte über den Haushalt für Handel, Justiz und Wissenschaft an sich riss – er habe hier schon oft gestanden, um über das Problem der Waffengewalt zu sprechen – nach Orlando sei er mit seinem Latein am Ende. Er habe jetzt schlichtweg genug.
Sichtlich bewegt und mit brüchiger Stimme kündigte Chris Murphy an, solange sprechen zu wollen, bis das Hohe Haus bereit sei, über eine Reform der Waffengesetze zu diskutieren – "filibustern" nennen die Amerikaner diese Form des verbalen Widerstands, der es ihnen ermöglicht, den parlamentarischen Prozess durch unendlich lange Reden zu blockieren. Chris Murphy will also solange sprechen, bis der Kongress über das No-fly-no-buy-Gesetz debattiert. All jene, die kein Flugzeug mehr besteigen dürfen, weil sie auf einer Terrorliste stehen, soll es künftig auch verboten sein, Waffen zu kaufen.
"Nichts ist geschehen"
Chris Murphy vertritt im Senat den Bundesstaat Connecticut. Dort wurden im Dezember 2012 zwanzig Kinder einer Grundschule von einem Amokläufer erschossen.
"Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie schwer es ist, den Eltern der kleinen Kinder in die Augen zu schauen, die in Sandy Hook ums Leben kamen – und ihnen fast vier Jahre später zu sagen: Nichts ist geschehen. Rein gar nichts."
Tatsächlich fanden in beiden Häusern des Kongresses in der jüngsten Vergangenheit zwölf Abstimmungen über eine Reform der Waffengesetze statt – alle wurden von der republikanischen Mehrheit in beiden Häusern zu Fall gebracht. Senator Murphy weiß, dass er sich mit seinem Vorstoß keine Freunde macht im Senat. Nicht unter Kollegen und nicht bei der Führung des Hauses.
Aber ihn quält es, dass der Kongress selbst nach dem Massaker von Orlando die Waffengesetze nicht verschärfen will. Er hält das für eine Beleidigung aller Angehörigen der vielen Opfer.
Unerwartete Hilfe von rechts
Senator Chris Murphy ist indes mit seinem Vorstoß nicht allein. Auch die demokratischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus wollen den Schock von Orlando nutzen, um jetzt endlich etwas zu bewegen. Nancy Pelosi, die demokratische Anführerin in der Abgeordnetenkammer, hat die Hoffnung, die Republikaner nun endlich mit ins Boot holen zu können – obwohl sie der Meinung ist, dass die republikanische Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses ein Tochterunternehmen der mächtigen Waffenlobby sei, wie sie sagt - der NRA, der National Rifle Association.
Allerdings verschweigt auch Nancy Pelosi, dass der Widerstand gegen das No-fly-no-buy-Gesetz nicht nur aus den Reihen der Republikaner kommt. Auch viele Demokraten stemmen sich mit Blick auf ihre Wählerklientel gegen jede Verschärfung der Waffengesetze. Bernie Sanders etwa, der demokratische Gegenspieler von Hillary Clinton während der Vorwahlen, blieb der Waffenlobby bei sämtlichen Abstimmungen stets treu. Nun scheint ausgerechnet Donald Trump einen Keil in die republikanische Einheitsfront der Waffenfreunde treiben zu wollen: Er schließt sich der Forderung nach dem No-fly-no-buy-Gesetz an und will sich darüber mit der NRA verständigen.