Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) geht davon aus, dass es unter dem künftigen Präsidenten Joe Biden eine Rückkehr zu einem stärkeren multilateralen Ansatz und weniger einseitige Entscheidungen geben werde. Das Verhältnis zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten habe in der Vergangenheit gelitten, etwa durch Strafzölle, betonte der CDU-Politiker im Dlf. Nun könne die internationale Handelspolitik wieder in geordnete Bahnen zurückkehren.
Zu den wichtigsten Perspektiven gehöre für ihn, dass Joe Biden angekündigt hat, dem Pariser Klimaabkommen wieder beizutreten. Es gebe jetzt wieder eine Chance, dass man im Klimaschutz gemeinsam vorangehe, sagte Peter Altmaier. Der Austritt der USA aus dem Pariser Abkommen war am 4. November wirksam geworden - unabhängig vom Ausgang der Wahl.
Ziel müsse es sein, eine nachhaltige Politik für die nächsten Jahre und Jahrzehnte zu konzipieren. Dazu gehöre auch, dass jetzt nicht mehr diejenigen Unternehmen langfristig einen Nachteil hätten, die Klimaschutz vorantreiben, so Peter Altmaier.
Das Interview mit Peter Altmaier in voller Länge.
Tobias Armbrüster: Herr Altmaier, stimmen Sie mit ein in den Jubelchor?
Peter Altmaier: Ja, ich habe mich sehr darüber gefreut, welche Erleichterung dieses Ergebnis ausgelöst hat, und zwar über die parteipolitischen Grenzen hinweg, nicht nur in Deutschland, in Europa, in den USA, weltweit. Ich glaube, das ist eine Chance, manche Dinge auch wieder ins Lot zu bringen, die sich in den letzten Jahren ungünstig entwickelt haben.
"Rückkehr zu multilateralem Ansatz"
Armbrüster: Ganz konkret: Hören die Handelskriege jetzt auf?
Altmaier: Das wird man sehen, wenn die neuen Leute im Amt sind, insbesondere der Handelsbeauftragte und der Wirtschaftsminister. Ich gehe aber davon aus, dass es eine Rückkehr geben wird zu einem stärker multilateralen Ansatz. Das heißt, dass man international mit seinen Partnern spricht und verhandelt und weniger einseitige Entscheidungen trifft. Das ist eine Chance auch für die Europäische Union für einen fairen und gerechten Interessenausgleich mit den USA. Es hat vor zweieinhalb Jahren, vor drei Jahren Strafzölle gegeben auf Stahl und Aluminium. Es hat danach Konflikte gegeben wegen Airbus und wegen Boeing. Ich glaube, wir brauchen ein großes, ein breites Industrie-Zollabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union. Dieses Angebot liegt auf dem Tisch und ich glaube, es ist nicht mehr als fair, dass wir der neuen Administration, sobald sie im Amt ist, Gelegenheit geben, sich dann auch in dieser Richtung zu sortieren.
Blick auf die Handelsbeziehungen zwischen USA und China
Armbrüster: Sehen Sie da tatsächlich noch mal neue Chancen für ein Freihandelsabkommen?
Altmaier: Ich glaube jedenfalls, dass wir im Augenblick eine Chance haben, keine weiteren Verschärfungen zu erleben. Das zweite ist: Es ist ja noch der große ungeklärte Block der Handelsbeziehungen zwischen den USA und China. Es kann nicht im Interesse Europas sein, dass es hier zu einem tiefgreifenden Konflikt weiterhin kommt, denn es gibt einen globalen Handel. Deutsche Unternehmen, deutsche Arbeitsplätze sind betroffen, und zwar auf beiden Seiten. Es gibt über zehntausende deutsche Unternehmen in China, es gibt wichtige deutsche Unternehmen etwa in der Automobilbranche in den USA, und deshalb haben wir insgesamt ein Interesse daran, dass die internationale Handelspolitik in geordnete Bahnen zurückkehrt.
Armbrüster: Jetzt hat sich ja Donald Trump immer über diese riesigen Außenhandelsüberschüsse vor allem von Deutschland beschwert. Er hatte da immer vor allen Dingen die deutsche Automobilindustrie im Blick. Wird Joe Biden das einfach alles vergessen?
Altmaier: Nein. Ich glaube, dass einige der Probleme uns weiterhin beschäftigen werden, aber mit der Chance, gemeinsame Lösungen zu finden. Der deutsche Außenhandelsüberschuss mit den USA ist vielleicht nicht ganz so hoch, wie man glaubt, weil man ihn im europäischen Kontext sehen muss. Aber es sind ja in den letzten Jahren viele wichtige Akzente gesetzt worden. Deutsche Automobilproduzenten haben Unternehmen in den USA aufgebaut. Dort werden Tausende von PKW produziert auch für den chinesischen Markt. Und das ist ein Beispiel dafür, dass es ja durchaus auch Bereitschaft gibt, in den USA zu investieren, dort Arbeitsplätze zu schaffen. Umgekehrt allerdings muss es auch so sein, dass wir das Prinzip der offenen und der freien Märkte auf beiden Seiten respektieren.
Ich bin ein wenig besorgt, dass die Hängepartie natürlich noch jetzt einige Monate weitergehen wird, denn es wird dauern bis Ende Januar, bis der Präsident im Amt ist. Es werden dann noch mal einige Wochen vergehen, bis die neue Mannschaft im Senat und im Repräsentantenhaus bestätigt ist. Das bedeutet: Wir werden vermutlich erst im Frühjahr wissen, in welche Richtung die Reise geht. Aber – und das ist die gute Nachricht – so wie Joe Biden, so wie Kamala Harris, seine Vizepräsidentin, sich geäußert haben, erwarte ich in der internationalen Zusammenarbeit eher eine Intensivierung, und zwar so, wie wir das als Europäer auch bereit sind mitzumachen.
"Können ihm großen internationalen Markt anbieten"
Armbrüster: Herr Altmaier, Ihren Optimismus haben wir registriert. Was können Sie denn Joe Biden anbieten?
Altmaier: Was wir anbieten ist ein großer internationaler Markt, wo auch amerikanische Güter und Produkte eine faire Chance haben, einen offenen Zugang nach Europa. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir haben ein Industrie-Zollabkommen vorgeschlagen und wir sind bereit, natürlich auf der Grundlage dieses Angebotes, dann auch auf das einzugehen, was der neuen amerikanischen Administration wichtig ist. Für mich als Wirtschaftsminister gehört zu den wichtigsten Perspektiven allerdings, dass Joe Biden angekündigt hat, dem Pariser Klimaabkommen wieder beizutreten, und das bedeutet, wir haben jetzt wieder eine Chance und eine wirkliche Aussicht, dass wir im Klimaschutz gemeinsam vorangehen. Japan und Europa ziehen seit einigen Wochen an einem Strang, Klimaneutralität spätestens 2050. Wenn sich die USA dem anschließen, wenn das Pariser Abkommen umgesetzt wird, dann wäre das etwas Gutes nicht nur für die Wirtschaft, sondern insbesondere für den Planeten.
Armbrüster: Herr Altmaier, ich will noch mal zurückkommen auf die bisherige Kritik der Trump-Administration an der deutschen Wirtschaftspolitik. Da hat Donald Trump tatsächlich für sein Land so einige Erfolge herausgeholt. Sie haben das angemerkt. Da gab es einen Trend in Deutschland, dass man auf die USA zugeht, dass deutsche Unternehmen auch in den USA selber produzieren, dort Arbeitsplätze schaffen, um diese deutschen Überschüsse abzubauen. Würden Sie dem künftigen Präsidenten Joe Biden anbieten, dass dieser Kurs fortgesetzt wird?
Altmaier: Für mich als Wirtschaftsminister war immer selbstverständlich, dass man mit der jeweils gewählten Regierung versuchen muss, eine gemeinsame Sicht auf die Dinge zu entwickeln und dann auch in wichtigen Fragen sich zu verständigen und zu einigen. Die internationale Handelspolitik wird nicht erfolgreich sein, wenn eine Seite versucht, einseitig ihre Interessen durchzusetzen. Wir haben erlebt, dass dies auch auf die Weltwirtschaft nicht positiv gewirkt hat. Und deshalb noch einmal: Es geht jetzt nicht darum, theoretische Zugeständnisse zu machen. Aber wenn die Hand ausgestreckt wird, wird sie auf eine ausgestreckte Hand auch in Europa treffen.
"Natürlich werden E-Autos gebaut, mehr als bisher"
Armbrüster: Sie haben jetzt auch die Hoffnung geäußert, dass Joe Biden und seine Administration sich dafür einsetzen, dem Klimaschutzabkommen von Paris beizutreten beziehungsweise es zu unterstützen. Heißt das, da kommen auf Solarunternehmen und auf Hersteller von E-Autos goldene Zeiten zu?
Altmaier: Es wird jedenfalls so sein, dass wir eine Chance haben, eine nachhaltige Politik für die nächsten Jahre und Jahrzehnte zu konzipieren. Es wird dann darum gehen, den CO2-Ausstoß aus fossilen Quellen nachhaltig und vollständig im Laufe der Zeit abzubauen. Wir wollen das technologieneutral machen, aber natürlich werden auch Solar-Paneele gebraucht. Natürlich werden E-Autos gebaut, mehr als bisher. Inwieweit es dann mit Wasserstoff-Technologien und mit synthetischen Kraftstoffen, die klimaneutral sind, zusätzliche Perspektiven gibt, das wird der Markt entscheiden. Aber insgesamt erwarte ich, dass jetzt nicht mehr diejenigen langfristig einen Nachteil haben, die Klimaschutz vorantreiben, und das bedeutet, dass die Aktionsmöglichkeiten auf beiden Seiten größer werden.
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