Archiv

Nach Chemnitz und Köthen
Forscher: Appelle an die Zivilgesellschaft reichen nicht

Die AfD habe ein signifikantes Problem mit Antisemitismus, meint der Sozialwissenschaftler Samuel Salzborn. Er sagte im Dlf, die Partei stehe für "völkische Rebellion" und einen "Angriff der Anti-Demokraten". Das müsse klar benannt werden - das allein reiche allerdings nicht aus.

Samuel Salzborn im Gespräch mit Ulrike Winkelmann |
    01.09.2018, Sachsen, Chemnitz: Teilnehmer der Kundgebung der rechtspopulistischen Bürgerbewegung Pro Chemnitz versammenln sich vor dem Karl-Marx-Denkmal. Bei den für den 01.09.2018 angekündigten Demonstrationen rechnet die sächsische Polizei mit einer hohen Zahl von Teilnehmern. Foto: Boris Roessler/dpa | Verwendung weltweit
    "Angriff der Anti-Demokraten", "völkische Rebellion" - der Antisemitismusforscher Samuel Salzborn wählt deutliche Worte für das Wirken rechter Kräfte auf den Straßen und im Parlament. (dpa)
    Durch die Ereignisse von Chemnitz und Köthen sei ein Wendepunkt erreicht, da Gewalt gegen Flüchtlinge und Andersdenkende mit der AfD "quasi ein Back-up in den Parlamenten" habe, so der Antisemitismusforscher Samuel Salzborn von der TU Berlin:
    "Wir haben im Bundestag und in fast allen Landtagen eine Partei sitzen, die eben genau für diese völkische Rebellion, für diesen Angriff der Anti-Demokraten steht mit der AfD, und das ist, glaube ich, eine große Veränderung des politischen Klimas."
    "Hier geht es um anti-demokratische Kräfte"
    Die übrigen Parteien müssten deshalb eine klare Sprache sprechen, fordert Salzborn: "Man muss klar benennen, dass es hier um anti-demokratische Kräfte geht – auch wenn sie im Bundestag vertreten sind."
    Darüber hinaus mahnt Salzborn: "Wir vermissen im Moment noch sehr stark ein ernsthaftes Agieren der Judikative und auch der Exekutive, weil ein solcher Angriff der Anti-Demokraten wird sich nicht nur mit klarer Sprache, nicht nur mit Appellen an die Zivilgesellschaft abwehren lassen."
    Deutliche Kritik auch am Verfassungsschutz
    Die Möglichkeiten des Rechtssystems, der Strafverfolgung und auch Exekutivmaßnahmen müssten weiter ausgeschöpft werden. In Sachsen habe die Politik Rechtsextremismus und die entsprechenden Netzwerke jedoch jahrelang kleingeredet - "insofern haben wir einen Riesenberg an Problemen in Sachsen, die die sächsische Landesregierung fortwährend immer weiter produziert mit ihrer Form der Politik.
    Salzborn kritisiert zudem das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Dieses komme seiner Aufgabe als Frühwarnsystem mit Blick auf Rechtsextremismus nicht ausreichend nach. Journalisten und Fachinformationsdienste seien oft besser informiert. Es sei daher fraglich, ob das BfV in Bezug auf Rechtsextremismus überhaupt nützlich sei.
    AfD mitnichten Schutzmacht jüdischer Menschen
    Der AfD attestiert Salzborn ein signifikantes Antisemitismus-Problem, sowohl bei den Anhängern als auch beim Führungspersonal. Die AfD sei mitnichten eine Schutzmacht jüdischer Menschen:
    "Ich glaube, wir haben es mit einem massiven Problem mit Geschichtsrevisionismus und Antisemitismus zu tun, bei dem sich gerade jüdische Gemeinden überhaupt nicht auf diese Fährte locken lassen, dass die AfD in irgendeiner Weise eine Art Verbündeter sein könnte, weil der geschichtsrevisionistische Antisemitismus ist auf breiter Front in der AfD verankert."