Die neue Regierung in der Republik Moldau will zunächst alle ideologischen Streitfragen beiseiteschieben. An erster Stelle stehe die Aufarbeitung der vergangenen Jahre, sagt die neue Ministerpräsidentin Maia Sandu: "Es ist offensichtlich, dass alle Beamten, die illegal gehandelt haben, sich dafür verantworten müssen. Wir werden das alles ganz genau unter die Lupe nehmen, damit die Vorwürfe vor Gericht Bestand haben. Wir dulden im Staatsapparat niemanden, der seine Position missbraucht hat."
Neue Regierungschefin hat in Harvard studiert
Die neue Regierung will endlich die Korruption bekämpfen, die das Land zu einem der ärmsten in Europa gemacht hat. Von den offiziell 3,3 Millionen Einwohnern leben deshalb Hunderttausende im Ausland. Maia Sandu, 47 Jahre alt, steht einer ungewöhnlichen Regierungskoalition vor. Ihr Parteienbündnis ACUM steht für einen prowestlichen Kurs, für eine immer engere Zusammenarbeit mit der Europäischen Union. Sandu hat in Harvard studiert und in Washington als Beraterin für die Weltbank gearbeitet.
Ihr Koalitionspartner dagegen, die Sozialisten, wollen die Westintegration bremsen und wieder enger mit Russland zusammenarbeiten. Ihr wichtigster Vertreter ist Staatspräsident Igor Dodon, 44 Jahre alt, der nach seiner Amtsübernahme vor zweieinhalb Jahren nur aus formalen Gründen aus der Partei ausgetreten ist: "Auch im Inland hätte kaum einer geglaubt, dass diese beiden Gruppierungen zueinander finden. Dass wir eine gemeinsame Sprache gefunden haben, ist eine große Chance für die Republik Moldau. Zumal unsere Partner im Osten und im Westen das unterstützt haben."
Unterstützung von EU, USA und Russland
Tatsächlich stehen sowohl Russland, als auch die Europäische Union und die USA hinter der Regierung, eine seltene Einigkeit. Möglich wurde das Bündnis nur, weil es sich gegen einen gemeinsamen Feind wendet, gegen den Oligarchen Wladimir Plahotniuk, Vorsitzender der sogenannten Demokratischen Partei. Plahotniuk hielt in der Republik Moldau bis vor kurzem alle Fäden in der Hand. Er gab sich prowestlich und schuf gleichzeitig ein durch und durch korruptes System, mit Einfluss auch auf die Gerichte.
Mutmaßlich auf sein Geheiß hin löste das Verfassungsgericht vor wenigen Wochen eine Staatskrise aus, als sich eine Regierung ohne die Demokratische Partei anbahnte. Es setzte Präsident Dodon ab. Der Moldauer Politologe Denis Cenusa, der derzeit an der Universität Gießen forscht: "Die Vorgänger-Regierung der Demokratischen Partei weigerte sich gleichzeitig abzutreten. Sie wies die Polizei an, die Regierungsgebäude abzuriegeln. So gab es zeitweise zwei Kabinette, die Anspruch darauf erhoben, die legitime Regierung zu sein."
Umstrittener Oligarch ins Ausland geflohen
Plahotniuk gab erst auf, als sich alle wichtigen ausländischen Partner gegen ihn wandten. Er und seine Gefolgsleute flohen. Wohin, ist unbekannt. Die neue Regierung will nun also die Vergangenheit aufarbeiten. Aber schon bald könnten ihre Differenzen über die Zukunft aufbrechen, meinen Beobachter. Rasche Neuwahlen, vielleicht schon in einem Jahr, sind nicht ausgeschlossen. Denis Cenusa glaubt, dass die prowestlichen Parteien dann Zulauf bekommen.
"Im vergangenen Jahr hat die EU ihre finanzielle Unterstützung für die Republik Moldau eingefroren. Weil es keine realen Reformen gab. Das haben viele Moldauer verstanden und begrüßt. Dieser Trend könnte sich verstärken, wenn die neue Regierung mit der EU kooperiert und die Unterstützung im Herbst wieder aufgenommen wird. Ich denke, dass schon jetzt mehr als die Hälfte die EU positiv sehen." Zumal das Land jetzt mit Maia Sandu eine Ministerpräsidentin hat, die - so die Erwartung - glaubhaft für westliche Werte eintreten wird.