Die feierliche Präsentation eines neuen Rolls-Royce-Modells in London. Bei der britischen BMW-Tochter versucht man seit dem Brexit so zu tun, als sei nichts passiert. Business as usual auch beim Mutterkonzern BMW. Vorerst ändere sich nichts, heißt es knapp angebunden aus München. Man befürchte zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Aktivitäten in Großbritannien.
Mit öffentlicher Kritik an der Brexit-Entscheidung der britischen Wähler hält man sich zurück. Stattdessen verkündet die BMW-Marketing-Abteilung – sicher nicht ganz zufällig – man habe soeben das Kultur-Sponsoring mit der Tate Modern Gallery in London verlängert.
Klagen tun die Kleineren. Die Automobil-Zulieferer. Etwa die mittelständische Dräxlmaier Gruppe aus Vilsbiburg in Niederbayern. Sprecher Tobias Nickel rechnet mit Umsatzrückgängen in Großbritannien:
"Wir hoffen, dass wir das alles nivellieren können über den Weltmarkt und damit zwar vorsichtig, aber dennoch optimistisch in die Zukunft sehen."
Standortverlagerungen sind für große Automobilkonzerne schwieriger
Weniger zuversichtlich ist man beim Anlagenbauer Intertec in Neuburg an der Donau. Die kleine Firma stellt Schutzgehäuse her, auch für die Automobil-Industrie. Intertec hat eine Niederlassung und viele Kunden in Großbritannien. Deshalb ist Firmen-Chef Martin Hess besorgt:
"Welcher Endkunde wird einen Milliarden-Auftrag an eine Firma geben, die in einem Land ist, wo man nicht so genau weiß, wie es weitergeht?"
Intertec denkt darüber nach, Umsatz und Produktion aus Großbritannien zu verlagern:
"Ich kann mir vorstellen, dass wir in Zukunft eher die indischen Zweigstellen der Anlagenbauer betreuen, weil dort mehr Geschäft sein wird als bei den englischen Mutterhäusern."
Für große Automobilkonzerne sind Verlagerungen schwieriger. BMW etwa hat fast drei Milliarden Euro in Großbritannien investiert. Die Münchner unterhalten drei große Produktionsstätten in England. Sie bauen dort unter anderem den Mini, einen Kleinwagen mit dezidiert britischem Image. BMW-Vorstandsmitglied Ian Robertson hatte vor dem Referendum für einen Verbleib Großbritanniens in der EU geworben. BMW beschäftigt in England 8.000 Mitarbeiter direkt und 50.000 über Zulieferer:
"We have manufacturing plants for all three brands here. We have 8.000 direct employees, 50.000 on the indirect side. So it’s a very important market for us."
Bürokratischer Mehraufwand würde die Produktionskosten erhöhen
Dieser wichtige Markt ist jetzt zu einem unsicheren geworden. Und das wird wahrscheinlich jahrelang so bleiben. Der Kurs der BMW-Aktie ist seit dem Referendum um 13 Prozent gefallen. Generell gibt es nach dem Brexit drei Szenarien für die Automobil-Industrie:
Erstens das Nullsummenspiel: Das britische Pfund verliert an Kaufkraft. BMW würde dadurch weniger Umsatz auf der Insel machen. Gleichzeitig würden aber die Stückkosten für in Großbritannien gefertigte Autos sinken. BMW könnte den Mini zu einem günstigeren Preis anbieten, um den Absatz zu steigern.
Zweites Szenario: Die Abwanderung der Autoproduktion aus England, weil der bürokratische Mehraufwand die Produktionskosten erhöht. Peter Driessen vom Bayerischen Industrie- und Handelskammertag warnt:
"Dass die Vereinfachungen, die der Binnenmarkt geschaffen hatte, voraussichtlich wegfallen. Es ist möglich, dass zukünftig wieder Zölle zu zahlen sind. Das wird den Handel teurer machen und verkomplizieren."
Vielleicht tritt aber auch Szenario drei ein: Das britische Pfund wird stärker als je zuvor. Großbritannien senkt Unternehmens-Steuern und Löhne und versucht, so mögliche Zoll-Nachteile zu kompensieren.
Welches Szenario eintritt – ob es überhaupt zum Brexit kommt – ist unsicher. Und das macht Autobauern wie BMW schwer zu schaffen. Dabei hatte der frühere BMW-Chef Norbert Reithofer schon 2015 in seiner Abschiedsrede gewarnt:
"Volatilität ist die neue Konstante in der gesamten Geschäftswelt."
Und das war noch vor dem Brexit.