"Großbritannien ist jetzt ein Drittstaat", sagte Hans-Peter Uhl im DLF. In den Verhandlungen über den Austritt müsse die Europäische Union die Interessen Europas vertreten - gegen diesen Drittstaat. Einen Reisenden solle man nicht aufhalten, fügte Uhl hinzu.
Innerhalb der EU sei jetzt die Zeit für eine umfassende Neuordnung. Dazu sei ein neuer Verfassungskonvent nötig, also ein mehrjähriger Prozess, den man jetzt in Gang setzen müsse. "Dieser Weckruf wird alle erreichen. Wenn wir Europa nicht reformieren, wird es zerfallen", erklärte der Außenpolitiker.
Große Baustellen der EU-Politik könne man nach der Entscheidung der Briten viel einfacher angehen, betonte Uhl. Als entscheidende Kraft sieht er dabei den "deutsch-französischen Motor".
Das Interview in voller Länge:
Tobias Armbrüster: CSU-Außenpolitiker Hans-Peter Uhl, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestags. Schönen guten Morgen, Herr Uhl.
Hans-Peter Uhl: Guten Morgen!
Armbrüster: Herr Uhl, können Sie das schon fassen, die Briten gehen raus?
Uhl: Ja, das ist ein großer Schaden für Großbritannien, völlig unzweifelhaft. Aber es ist auch eine große Chance für Europa und diese Chance müssen wir jetzt ergreifen. Während dieses Prozesses der Verabschiedung Großbritanniens aus dem europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts werden wir diesen Raum neu ordnen müssen, auf den neuesten Stand bringen und reformieren müssen. Und da gibt es ja Herausforderungen, denken Sie an Migrationsprobleme, denken Sie an Terrorismus, denken Sie an die neue Situation, wie wir mit Russland umgehen, wie wir mit der Türkei umgehen. Lauter große Baustellen, die wir jetzt viel einfacher, wie gerade schon angedeutet, aufgrund des deutsch-französischen Motors viel einfacher angehen können. Das ist die große Chance, dass sich Europa aktualisiert, reformiert und neu erfindet.
Armbrüster: Es gibt aber, Herr Uhl, auch viele, die an diesem Freitagmorgen sagen, da verlieren wir einen wichtigen Partner, einen Partner, der immer ein Gegengewicht war zu den eher ausgabefreundlichen Ländern des Mittelmeerraums, auch zur deutsch-französischen Achse, zur französischen Wirtschaftspolitik, zu dieser ganzen Nachsichtigkeit. Wir verlieren einen Partner, der für eine Wirtschaftspolitik stand, die auch Deutschland in weiten Teilen unterstützt.
"Wie können wir dieses Kerneuropa besser organisieren?"
Uhl: Das ist sicher richtig. Deswegen müssen wir im Geiste dieser wohlverstandenen Europapolitik, die wir mit den Briten eher formulieren konnten, neu erfinden. Das ist die große Herausforderung, der wir uns stellen müssen, und wenn wir es richtig anfangen, mit einem Konvent, mit einem Verfassungskonvent, mit neuen Verträgen, niemals weiter so, sondern uns wirklich fragen, wie können wir dieses Kerneuropa besser organisieren, dann haben wir die Arbeit richtig gemacht.
Armbrüster: Ist denn Europa, ist die EU tatsächlich bereit für einen Verfassungskonvent?
Uhl: Ja, weil dieser Weckruf wird hier alle erreichen und alle werden sehen, Europa, wenn wir es nicht reformieren, wird es zerfallen. Andere Staaten werden sich dem anschließen, vor allem dann, wenn nach einer Rosinenpicker-Politik Großbritannien dann auch noch vergünstigte Bedingungen bekommt, wie sie Geschäfte machen können mit Europa, ohne die Pflichten Europas zu übernehmen. Dieses alles darf jetzt nicht stattfinden.
Armbrüster: Das heißt, wie genau muss Europa jetzt reagieren in diesen Austrittsverhandlungen?
"Wir brauchen einen Verfassungskonvent - jetzt und sofort"
Uhl: Formal geht es darum, die europäischen Verträge neu zu formulieren. Das heißt, dazu brauchen wir einen Verfassungskonvent, der in einem mehrjährigen Prozess selbstverständlich in Gang gesetzt werden muss, jetzt und sofort. Was dabei herauskommt, wird die politische Entwicklung in Europa zeigen. Wie viel deutsches Verständnis von einer seriösen Wirtschafts- und Finanzpolitik, wird sich zeigen.
Armbrüster: Herr Uhl, ganz kurz noch. Verzeihen Sie, dass ich Sie unterbreche. Ich muss ein bisschen auf die Uhr gucken. Ich meinte eigentlich, wie sollte die EU auftreten in den Austrittsverhandlungen mit Großbritannien?
Uhl: Natürlich hart. Einen Reisenden soll man nicht aufhalten. Das heißt, es ist jetzt ein Drittstaat, Großbritannien, und Drittstaaten melden bei Europa ihre Wünsche an und Europa vertritt europäische Interessen gegen die Interessen von Großbritannien. Die stehen sich jetzt gegenüber, jeder mit seinen Interessen.
Armbrüster: Und ist Großbritannien schon jetzt um 8:29 Uhr ein Drittstaat?
Uhl: Es will Drittstaat werden und muss die formalen Voraussetzungen dafür erfüllen, nach allen Regeln des Völkerrechts.
Armbrüster: … sagt hier bei uns live im Deutschlandfunk der CSU-Außenpolitiker Hans-Peter Uhl. Vielen Dank, Herr Uhl, für Ihre Zeit heute Morgen und auch dafür, dass Sie so spontan hier eingesprungen sind.
Uhl: Bitte schön.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.