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Nach dem Brexit-Votum
Boris Johnson will nicht Camerons Nachfolger werden

Der ehemalige Londoner Bürgermeister und Brexit-Vorkämpfer, Boris Johnson, hat überraschend angekündigt, sich nicht um die Nachfolge des scheidenden britischen Premierministers und Parteichefs der konservativen Tories, David Cameron, zu bewerben. Das gab Johnson kurz vor Ende der Bewerbungsfrist in London bekannt.

    Der frühere Londoner Bürgermeister Boris Johnson winkt in die Kamera.
    Der frühere Londoner Bürgermeister Boris Johnson will anders als erwartet nicht für das Amt des Parteichefs der Tories kandidieren. (AFP)
    Boris Johnson war einer der Köpfe der britischen Brexit-Kampagne. Vielen galt er als Favorit für die Nachfolge David Camerons im Amt des Parteichefs der Tories; der neue Parteichef dürfte auch das Amt des Premierministers übernehmen und die Austrittsverhandlungen mit der EU führen. Cameron hatte zuletzt für einen Verbleib Großbritanniens in der EU geworben und nach dem Brexit-Votum seinen Rücktritt angekündigt. Bis September soll seine Nachfolge geregelt werden.
    "Nicht der Richtige"
    Johnson erklärte in London, "nach Beratungen mit Kollegen und angesichts der Verhältnisse im Parlament" sei er zu dem Schluss gekommen, dass er nicht die richtige Person für diese Aufgabe sei. Er sehe seine künftige Rolle stattdessen darin, der konservativen Regierung jedwede Unterstützung zu geben, damit der Wille des Volkes nach einem EU-Austritt vollzogen werden könne.
    Johnson hätte auf die Unterstützung von mehreren ranghohen Abgeordneten der Konservativen Partei zählen können. Allerdings hegten viele Konservative auch Misstrauen gegen Johnson: Ihm wurde vorgeworfen, das Referendum als Plattform für seine eigenen Ambitionen zu nutzen. Nach Johnsons Absage an eine Kandidatur gab der Euro deutlich nach und auch das Pfund gab den größten Teil seiner Gewinne wieder ab. "Investoren befürchten, dass zum ganzen Brexit nun auch noch politische Probleme dazukommen", sagte Devisenexperte Petros Tossios von der Bremer Landesbank der Nachrichtenagentur Reuters.
    Der Chef der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), übte auf Twitter Kritik an Johnsons Verzicht auf die Bewerbung: "Ein feiges Verhalten von Boris Johnson, zuerst Chaos zu stiften und sich dann der Verantwortung zu entziehen", schrieb Weber.
    Weitere Kandidaten
    Zuvor hatte der britische Justizminister Michael Gove überraschend seine Bewerbung bekannt gegeben. Auch er hatte in der Zeit vor dem Referendum für einen Austritt aus der Europäischen Union geworben. Eigentlich war erwartet worden, dass Gove Johnson bei dessen Kandidatur unterstützt. Nun stellte er Johnsons Fähigkeit in Frage, angesichts der anstehenden Herausforderungen ein Regierungsteam zusammenzustellen und das Land zu führen.
    Dritte prominente Kandidatin für die Nachfolge Camerons ist Innenministerin Theresa May, die sich für einen Verbleib in der EU ausgesprochen hatte. Bei den Buchmachern gilt sie nun als Favoritin. Außer ihr gibt es aber noch drei weitere Bewerber.
    (nin/tgs)