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Nach dem Brexit-Votum
Sorge um britische Agrarwirtschaft

Keine Subventionen mehr von der EU und möglicherweise bald auch keine Hilfsarbeiter mehr für die Feldarbeit: Den britischen Landwirten stehen harte Zeiten bevor, denn noch ist völlig unklar, wie es nach dem Brexit mit der Agrarwirtschaft weitergeht. Ein Vorschlag: die Erschließung neuer Märkte.

Von Friedbert Meurer |
    Kühe auf einer Weide.
    Bisher bekamen britische Bauern rund vier Milliarden Euro Subventionsgelder von der EU. (Deutschlandradio / Ellen Wilke)
    70 englische Bauern marschieren mit ihren schwarz-weiß gescheckten Kühen in einen Asda-Supermarkt in Stafford in den West-Midlands hinein. Die Kunden und Angestellten machen große Augen, als die Bauern mit ihren Kühen Richtung Milchregale ziehen.
    "Wenn die Milch so billig bleibt, gibt es in sechs Monaten keine frische Milch mehr. Wir können Milch nicht zu diesem niedrigen Preis verkaufen."
    24 Pence pro Liter bekamen die Bauern damals vor einem Jahr, diese Protestaktion fand also vor dem Brexit statt. Trotzdem warb der Nationale Bauernverband dafür, in der EU zu bleiben.
    Bei aller Kritik vieler Landwirte an der europäischen Agrarpolitik: Zuletzt flossen pro Jahr umgerechnet fast vier Milliarden Euro an EU-Beihilfen an britische Bauern. Mehr als die Hälfte ihres Einkommens stammt aus Brüssel. Die Farmer überleben ohne diese Beihilfen vermutlich nicht. Anfang August, sieben Wochen nach dem Referendum, versicherte daraufhin der neue Schatzkanzler, also Finanzminister, Philip Hammond: Die Bauern erhalten bis 2020 ihr Geld garantiert.
    "Wir wollen, dass britische Unternehmen, Universitäten und Bauern weiter Zugang zu europäischen Geldern erhalten. Solange wir EU-Mitglieder sind, werden wir unseren Anteil bekommen."
    Nicht mehr als eine Übergangslösung
    Die britische Regierung garantiert den Erhalt von Subventionen bis 2020, heißt das - notfalls werden sie aus dem Staatshaushalt bezahlt. Das ist immerhin eine Übergangslösung, mehr aber nicht. Das Problem: Kein Bereich ist so eng mit der Europäischen Union verwoben wie die britische Landwirtschaft. Endet die EU-Mitgliedschaft, fallen nicht nur Beihilfen weg, sondern im schlimmsten Fall auch der EU-Binnenmarkt als Exportraum.
    "Die EU ist der größte Markt der Welt, wir erhalten Zugang zu 500 Millionen Verbrauchern", meint Abi Reader, sie ist Schaf- und Rinderzüchterin und war gegen den Brexit. "40 Prozent von unserem Lammfleisch verkaufen wir in die EU. Insgesamt gehen sogar fast 75 Prozent der britischen Agrarprodukte in die EU. Wollen wir da wirklich nach neuen Märkten Ausschau halten?"
    Suche nach neuen Märkten
    Die neuen Märkte könnten die Commonwealth-Staaten sein, von dort kämen dann aber auch Importe nach Großbritannien – und dann ohne Zölle.
    Zwei Denkrichtungen gibt es in der britischen Politik und unter Landwirten: Die einen wollen das alte Subventionssystem fortsetzen, dann eben mit britischen Geldern. Immerhin fallen ja die EU-Beitragszahlungen weg. Die anderen wollen das System gründlich reformieren, mit mehr Marktwirtschaft. Der Rindfleischerzeuger Jacob Anthony zählt zu diesem Flügel.
    "Ich denke, das ist für eine Generation die einzige Chance, die Landwirtschaft wirklich zu verändern. Es gibt keine Bauern im Land, die wirklich glücklich sind, wie die Dinge im Moment laufen."
    Angst vor Arbeitermangel
    Der Nationale Bauernverband hat eine Kampagne gestartet mit landesweiten Infoveranstaltungen, um herauszufinden, wie die Bauern sich die Zeit nach dem Brexit vorstellen. Ein weiteres Problem liegt jetzt schon auf der Hand: Großbritannien will den Zugang für ausländische EU-Arbeitnehmer deutlich erschweren. Gerade aber die Landwirte sind dringend auf süd- oder osteuropäische Arbeiter angewiesen.
    "Die Bauern machen sich Sorgen, wer die Arbeit erledig", erklärt Andrew Francis vom britischen Bauernverband. "Unsere Mitglieder glauben, dass wir eine Politik brauchen, die uns die Arbeitskräfte zur Verfügung stellt, damit wir unsere Agrarprodukte auch erzeugen können."
    Harte Zeiten
    Auf die britischen Landwirte könnten harte Zeiten zukommen, vor allem nach 2020, wenn die Hilfszusage der Regierung erst einmal ausläuft. Obwohl die Landwirte am EU-Tropf hängen und dringend polnische, bulgarische oder rumänische Arbeitnehmer brauchen – gerade auf dem Land stimmten für den Brexit. Aber irgendwie werde es jetzt schon weitergehen, glaubt Rachel Hallos, die Schafe und Rinder züchtet. Sie ruft die britischen Verbraucher dazu auf: Kauft britisch!
    "Wenn sie zum Supermarkt oder zum örtlichen Metzger gehen, fragen sie, woher das Fleisch kommt. Und wenn sie dann den Union Jack sehen, die britische Flagge, dann kaufen sie es einfach."