Die Milliarde vom Bund sei ein wichtiger Schritt - eine Verkehrswende ließe sich damit aber nicht herbeiführen, so Ebling. "Der Milliarde müssen weitere folgen". So brauche es etwa Geld für den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs oder der Finanzierung von Elektrobussen, sagte der Präsident des Verbands kommunaler Unternehmen e.V. (VKU).
Fahrverbote hält Ebling für den falschen Weg. Wenn Autos nicht mehr in den Innenstädten fahren dürften, werde dem kommunalen Leben "der Stecker gezogen", sagte er. Er gehe davon aus, dass die Gerichte eine solch "drastische" Entscheidung nicht fällen würden.
Das Interview in voller Länge:
Mario Dobovisek: Eine Milliarde Euro, damit die Luft in Deutschlands Städten wieder besser wird – das Ergebnis des dritten Diesel-Gipfels gestern. Denn es gilt nach wie vor, Fahrverbote zu verhindern, und die könnten weiter kommen, sollten sich die Werte nicht rasch verändern.
Am Telefon begrüße ich Michael Ebling, SPD-Politiker, Oberbürgermeister von Mainz und Präsident des Verbandes Kommunaler Unternehmen, den Stadtwerken also. Guten Morgen, Herr Ebling.
Michael Ebling: Hallo! – Guten Morgen.
Ebling: Die Frage auch an Sie: Reicht die Milliarde aus?
Ebling: Nein, sie reicht nicht aus. Und dennoch: Man soll, glaube ich, auch differenziert bleiben bei einem ja nicht so einfachen Thema. Es ist erst mal auch ein Schritt und es ist ein wichtiger Schritt, weil Bundesregierung, Länder, Kommunen noch mal deutlich gemacht haben, wir wollen keine Fahrverbote, wir wollen die Luft sauberer machen. Das sind wir auch den Menschen schuldig. Aber wir wollen auch nicht – das Zitat war eben -, dem kommunalen Leben den Stecker ziehen. Das wäre verrückt für unser kommunales, für unser urbanes Leben. Das geht vom Apothekennotdienst los, der in der Regel auf seinem Diesel-Chassis die Dienste verrichtet. Das geht bei Paketdiensten weiter und beginnt bei jedem Pendler, bei jeder Pendlerin, die morgens in die städtischen Räume will und auch noch zu Uhrzeiten, wo man nicht einfach mal so sagen kann, na dann steig‘ doch um auf Bus oder Bahn, und die fahren dann manchmal gar nicht.
Dobovisek: Gerade das Stichwort Bus oder Bahn wollen wir auch im späteren Verlauf des Gesprächs noch mal angucken. Machen wir es aber erst mal konkret. Wenn Sie sagen, das ist ein erster Schritt. Eine Milliarde steht bereit. Die Kanzlerin hat gestern gesagt, ab heute, ab Mittwoch können die Städte Förderanträge stellen. Haben Sie denn die Mainzer Anträge schon zur Post gebracht?
Ebling: Oh, wir können sogar ein Internetportal nutzen. Man sieht, da braucht man jetzt nicht die Christel von der Post. Das geht noch schneller.
Dobovisek: Digitalisierung!
Ebling: Gut ist, dass zum Beispiel Geld zur Verfügung steht für die Umrüstung von Diesel-Bussen. Das ist ein ganz wesentlicher Faktor im städtischen Leben. Das sind genau die Fahrzeuge, die noch oft zu hohe Stickoxide aussenden und die natürlich permanent in den städtischen Räumen – das ist ja der Sinn des Busses – auch unterwegs sind. Gut ist auch, dass es erstmals Fördergelder gibt zum Beispiel für Elektrobusse. Aber das kann man ein bisschen rechnen: So ein Bus kostet heute 900.000 Euro. Insgesamt stehen 350 Millionen dafür zur Verfügung. Das sind jetzt auch nicht mehr als 400 Busse in Deutschland. Das ist natürlich nicht die Verkehrswende, die wir brauchen in den urbanen Räumen. Will sagen: Dieser Milliarde müssen noch Milliarden folgen, um am Ende wirklich effektiv eine Umrüstung hinzubekommen im Öffentlichen Personennahverkehr.
Fahrverbote: "Da habe ich auch keine Glaskugel"
Dobovisek: Aber noch einmal die Frage anders formuliert. Welchen Schritt werden Sie in Mainz zum Beispiel als erstes gehen?
Ebling: Als erstes die Umrüstung von Bussen, die mit Diesel fahren und die noch nicht die optimalsten Grenzwerte erreichen. Der kommunale Fuhrpark in Mainz wie in anderen Städten auch wird zyklisch erneuert. Es scheiden immer Busse aus durch die Kilometerleistung; neue werden nachgekauft. Das was man danach kauft, kann man jetzt auch fördern lassen. Das sind dann auch alternative Antriebstechniken wie zum Beispiel Elektromobilität. Auch dafür werden wir uns natürlich in Mainz melden, genauso wie für Fragen jenseits von Bussen, dass wir den Fahrradverkehr weiter ausbauen wollen.
Dobovisek: Aber all das kann nur mittelfristig oder sogar langfristig wirken. Jetzt haben wir das Problem: Die Fahrverbote stehen direkt vor der Tür. Möglicherweise in wenigen Monaten könnten erste Gerichte schon entscheiden, dass Diesel-Fahrzeuge aus den Innenstädten verbannt werden müssen, zumindest für eine vorübergehende Zeit. Können Sie das verhindern mit den Maßnahmen, die jetzt auf dem Tisch liegen?
Ebling: Das ist erst mal das Ziel und es ist gut, dass man das gemeinsam anstrebt. Entscheidend wird natürlich sein, dass wir in der Tat reale Verbesserungen aufs Gleis bringen, und ich kann auch für die kommunalen Kolleginnen und Kollegen nur sagen, jede beklagte Stadt legt ja nicht die Hände in den Schoß, sondern jeder macht auf seine Art auch nach entsprechenden, sage ich mal, kommunalen Gegebenheiten, die durchaus unterschiedlich sein können, natürlich Maßnahmen zur Luftreinhaltung, baut die entsprechenden Radwege aus, schafft Fahrrad-Verleihsysteme, schaut, wie man konsequent auch den ÖPNV umrüstet, wie man Care-Sharing-Projekte für die Verwaltung oder den kommunalen Fuhrpark startet. Das läuft natürlich parallel und wir warten jetzt auch nicht nur alle darauf, dass der Bund etwas tut. Aber für den mittelfristigen Hub, der, der eine Verkehrswende einläutet, der gerade in den Ballungsräumen (das sind ja meistens im Moment auch wachsende Räume) sich die Frage stellt, wie sieht Mobilität der Zukunft aus, sicherlich nicht nur mit Diesel betrieben, sondern ganz im Gegenteil stark elektrifiziert, Ausbau der Elektromobilität auch für den einzelnen, für den Individualverkehr, das sind tatsächlich Fragen, die kriegen wir nur mittelfristig aufs Gleis. Eine Ladesäulen-Infrastruktur wird vielerorts angegangen, richtig konsequent, aber natürlich kommt das nach und nach, und da muss man dann auch wirklich argumentieren können.
Dobovisek: Das ist alles interessant, Herr Ebling. Aber noch einmal zurückkommend auf das Ziel, das Sie formuliert haben. Sie haben nicht ganz auf meine Frage geantwortet. Die Frage ist, ob wir das Ziel jetzt auch wirklich kurzfristig erreichen können, oder ob tatsächlich die ersten Fahrverbote schon in zwei, drei Monaten kommen werden.
Ebling: Ich gehe fest davon aus, dass jedes Gericht nach Grundsätzen von Verhältnismäßigkeit entscheidet, und die Frage, ein Fahrverbot zu verhängen, ist ein so drastischer und auch radikaler Eingriff, dass der nicht leichtfertig geschehen kann. Wenn eine Kommune vorträgt und belegen kann, dass sie auch diese letzten Monate konsequent genutzt hat, aktiv Maßnahmen zu betreiben, zum Beispiel die Busse umzurüsten, zum Beispiel attraktive Fahrrad-Anreize zu setzen, dann ist das ein Beitrag zur Luftverbesserung. Der wirkt unmittelbar und ist gut für die Menschen. Und dann ist das auch ein Beleg dafür, dass wir Grenzwerte aktiv drücken wollen. Und da kann kein Gericht einfach so drüber hinwegsteigen. Aber natürlich: Am Ende entscheiden die Gerichte. Da habe ich auch keine Glaskugel.
"Gesetzmäßigkeiten der Wirtschaft nicht außer Kraft setzen"
Dobovisek: Eine Straßenbahn zu bauen, ist teuer und dauert. Eine U-Bahn erst recht. Aber ein besseres Nahverkehrsangebot rund um die Uhr ist für viele der Schlüssel zu sauberer Luft in den Städten. Ein besseres Angebot bedeutet weniger Autos auf den Straßen. Warum haben die Städte in den vergangenen Jahren ganz losgelöst vom Diesel-Skandal diesen wichtigen Schlüssel so vernachlässigt?
Ebling: Vernachlässigen ist ein bisschen leicht ausgesprochen, und am Ende muss man ja auch schauen, wie hängen die Dinge zusammen. Wie hängen die Dinge zusammen? Mit dem Ausbau des ÖPNV schaffen sie ein notwendiges Angebot, um städtisches Leben am Laufen zu halten. Sie müssen es aber auch finanzieren, denn das ist kein kostendeckendes Prinzip. Allein eine Stadt wie Mainz muss jedes Jahr 15, 16 Millionen Defizit ausgleichen. Gegenüber liegt Wiesbaden, die sind bei 20 Millionen. Klingt nach mehr, die Stadt ist aber auch größer. Das heißt, wir können die Gesetzmäßigkeiten der Wirtschaft nicht außer Kraft setzen, und deswegen brauchen wir, gerade wenn es darum geht, jetzt in Zukunft in eine andere Art von rollendem Material zu investieren, auch eine entsprechende Förderkulisse. Denn sonst würden ja die Unternehmen, unsere kommunalen Unternehmen in Risiken investieren. Brennstoffzellen-Busse, die gibt es kaum auf dem Markt, die sind sehr teuer. Wir können es ja nicht einfach auf die Fahrpreise umlegen. Insofern ist der entscheidende Schub auch für die Verbesserung von ÖPNV-Angeboten immer auch daran gekoppelt, dass es entsprechende Förderwege gibt, die sagen, wir unterstützen diesen Weg. So einfach mal vor Ort können Sie jetzt sich auch keine Kapriolen leisten.
Dobovisek: Geld könnten ja auch die Städte weiter in die Hand nehmen für ihren Öffentlichen Personennahverkehr, den ÖPNV. Machen wir das mal an einem Beispiel fest. Hier in Köln etwa. Es gibt kaum funktionierende Querverbindungen in der Stadt. Immer muss man mit Bahn und Bus lange Umwege fahren. Die Taktung ist zu groß, die Preise sind hoch und nachts stehen eh alle Räder still. Ganz so anders sieht es zum Beispiel bei Ihnen in Mainz ja auch nicht aus. Warum haben die Städte ihren Nahverkehr in der Vergangenheit so stiefmütterlich behandelt, auch was die Struktur angeht?
Ebling: Ich würde nicht von stiefmütterlich behandeln sprechen, sondern es geht immer um Bedarfsorientierung. Es geht immer darum, dass sicherlich auch manche Wünsche im Sinne auch von verkehrsplanerischen Zielen nicht immer perfekt gelöst werden können. Es geht im Kern aber auch darum, dass es bezahlt werden muss. Sie können Nahverkehrsdefizite auch nicht wegdiskutieren, Sie können sie auch nicht auf die Fahrpreise umlegen, einfach mal so nach dem Motto, da schaffen wir noch ein paar Linien zusätzlich und hoppla, am Ende stellen wir fest, jetzt müssen wir die Fahrpreise wieder kräftig erhöhen. Das muss ja in einem ausgewogenen Mittel stehen und das heißt auch, dass zum Beispiel stärker in fahrendes Material investiert werden muss, aber das muss dann auch bezuschusst werden. Wenn wir das nur bei den kommunalen Unternehmen lassen, das kann im Querverbund nicht alles so einfach mal geschultert werden. Es sind ja viele Aufgaben zu finanzieren für die kommunale Infrastruktur, wo die kommunalen Unternehmen geradestehen.
"Vielleicht sogar ein Gas-Revival"
Dobovisek: Von wem wollen Sie mehr Geld?
Ebling: Ganz klar: natürlich vom Bund. Ich glaube, dass der Bund mit der Diesel-Debatte erkennt, dass wir nicht nur ein kurzfristiges Problem haben in den Städten, sondern dass die Städte in Deutschland meistens wachsende Ballungsräume sind und dass wir ein Bild brauchen von Mobilität in Zukunft. Das wird nicht der dieselangetriebene Bus sein, der an jeder Ecke steht. Das wird nicht das dieselgetriebene Taxi sein, was auch mit dazu beiträgt, dass unsere Luft in den Ballungsräumen schlechter wird. Sondern das werden neue Antriebstechniken sein. Das wird ein Ausbau von E-Mobilität sein. Das werden alternative Antriebsarten sein wie Brennstoffzellen, oder vielleicht sogar ein Gas-Revival. Dann brauchen wir kluge Verknüpfungen und alles das muss gefördert werden. Sonst kriegen wir den entsprechenden Schub, die Verkehrswende in Deutschland, auch unter Ausnutzung der Möglichkeiten, die Digitalisierung bietet, einfach nicht hin.
Dobovisek: Michael Ebling von der SPD. Er ist Oberbürgermeister von Mainz und Präsident des Verbandes Kommunaler Unternehmen. Ich danke Ihnen.
Ebling: Danke Ihnen!
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