Judith Dobbrow an ihrem Arbeitsplatz im Berliner Landeskriminalamt. An den Wänden Fotos ihrer beiden Kinder, auf dem Schreibtisch mehrere Rechner. Es ist 9.00 Uhr an einem Dienstagmorgen. Um diese Uhrzeit haben ihre Kollegen schon eine Hausdurchsuchung hinter sich, erzählt die Kriminalhauptkommissarin: "Wir hatten eine bereits, und eine läuft gerade. Es gibt mehr als eine pro Tag."
Ein Teil der beschlagnahmten Gegenstände lagert in Judith Dobbrows Büro. Pappkartons mit Videokassetten, Laptops, Festplatten, DVDs. Die Ermittler werten das Material aus, recherchieren nach Hinweisen der Staatsanwaltschaft auch selber in einschlägigen Internetforen. Das von der 46-Jährigen geleitete Kommissariat Kinderpornografie beschäftigt 21 Mitarbeiter, mehr als die Hälfte sind Frauen.
"Wir sind alle freiwillig auf der Dienststelle, und wenn jemand merkt, er kann das nicht mehr, dann geht das sehr schnell, dass der woanders hingesetzt wird, das ist nicht unbedingt ein Karriereknick, das wissen auch alle Kollegen, dass das nicht bedeutet, dass man nicht hart genug war."
Eine professionelle Distanz aufbauen – ganz wichtig für Ermittler im Bereich Kinderpornografie. Denn das, was die Kriminalbeamten tagtäglich sehen, lesen und hören müssen, ist ungeheuerlich. Bei schweren Fällen werten mehrere Ermittler gemeinsam das beschlagnahmte Material aus; das entlastet, erläutert Judith Dobbrow. In gewisser Weise gewöhne man sich auch an die Bilder. Aber:
"Wenn die chatten und sich im Chat beschreiben, was sie möglicherweise mit einem Kind tun würden, und man dann die Person selber eben auch kennt, dann ist das wirklich belastend. Für mich sind Verfahren belastender, wenn die Mutter aktiv als Täterin beteiligt ist, das ist noch viel ungeheuerlicher als alles andere."
Die Leiterin des Berliner Kommissariats für Kinderpornografie zeigt ihren Arbeitsbereich. "Vernehmungsraum" steht an einer Tür. Ein anderes Zimmer ist speziell für Kinder hergerichtet. Farbige Wände, kleine Tische und Stühle, Spielzeug. Hier können sexuell missbrauchte Kinder befragt werden – in einer für sie angenehmen Umgebung. Auch Videovernehmungen für Gerichtsverhandlungen sind von hier aus möglich. So bleibt den Opfern vor Gericht eine womöglich qualvolle Aussage in Anwesenheit des mutmaßlichen Peinigers erspart.
Der Opferschutz wird immer wichtiger, und das ist auch gut so, kommentiert Judith Dobbrow. Sie zeigt den Technikraum. Das bei Hausdurchsuchungen beschlagnahmte Material wird hier automatisch eingelesen und mit verschiedenen Datenbanken abgeglichen. Ergeben sich keine Hinweise auf die Herkunft der beschlagnahmten Fotos und Filme, werten die Ermittler diese selber aus.
"Also ein Großteil des kinderpornografischen Materials, also dieses dokumentierten Missbrauchs, wird halt nicht gegen Bezahlung angeboten, sondern getauscht. Es wird auch nicht alles in Ostasien oder in osteuropäischen Ländern produziert, sondern ein Großteil des Materials, was wir zu sehen bekommen, ist tatsächlich Missbrauchsmaterial, was jetzt nicht professionell produziert wird, sondern eben im Rahmen des tatsächlichen Missbrauchs. Der geschieht durch Personen häufig aus dem sozialen Nahfeld der Kinder."
Die weitverbreitete Meinung, der Kinderpornografie-Markt werde durch international agierende Banden dominiert, deckt sich also nicht mit den Erkenntnissen der Berliner Ermittler. Sie haben es vielmehr mit Foren und Tauschringen im Internet zu tun, in denen Pädophile ihre oft selber produzierten Fotos und Filme anbieten. Das Löschen von Internetseiten helfe dabei nicht viel, erklärt die Kriminalhauptkommissarin. Denn:
"Sobald so ein Bild irgendwo verbreitet wird, haben das halt mehrere Leute auf dem Rechner, und in diesem Moment ist das Bild vielfach im Netz unterwegs. Das heißt, so eine Abbildung kriegen wir nie wieder raus. Das ist ja auch das, was für die Opfer das Dramatische ist. Sie werden dieses Missbrauchsgeschehen nie wieder los. Also wir finden jetzt noch 70er Jahre Bilder, die früher als Heftchen verbreitet wurden oder eben auf Super-8-Film, die sind jetzt digitalisiert und werden nach wie vor auch im Internet ausgetauscht."
Wer solche Bilder oder Filme im Internet mit anderen tauscht, macht sich strafbar und muss mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren rechnen. Wer professionell mit solchen Bildern oder Filmen handelt, muss sich auf eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren einstellen. Kaum eine Vorschrift im deutschen Strafgesetzbuch wurde in den letzten Jahren so oft verändert und verschärft wie die Strafbarkeit von Kinderpornografie.
Verschärfte Gesetzgebung seit 2003
Früher gab es nur sehr allgemeine Pornografie-Straftatbestände. Erst seit 2003 gibt es einen eigenen Paragraphen für Kinderpornografie: 184 b des Strafgesetzbuches. Danach macht sich jeder strafbar, der kinderpornografische Schriften verbreitet, erwirbt oder besitzt. 2008 wurde diese Vorschrift ausgedehnt: Seitdem sind sexuelle Handlungen „von, an oder vor Kindern“ strafbar. Marco Gercke ist Direktor des Instituts für Medienstrafrecht in Köln. Er erläutert, was darunter zu verstehen ist.
"Handlungen von Kindern wäre sowohl der sexuelle Missbrauch von Kindern als auch Handlungen, die das Kind selber an sich vornimmt. Dann gibt es Handlungen, die das Kind an einem Dritten vornimmt. Und dann kommen wir auch schon zu der Breite des Tatbestandes: Selbst sexuelle Handlungen zweier Erwachsener, bei der ein Kind nur passiv als Zuschauer teilnimmt, würde man unter die Norm fassen können und wird als Kinderpornografie bezeichnet."
Reine Nacktbilder von Kindern, bei denen der sexuelle Bezug fehlt, fallen nicht unter den Begriff der Kinderpornografie. Wer sich solche Bilder besorgt, macht sich nicht strafbar. Doch es gibt Grenzfälle, bei denen nicht immer eindeutig klar ist, ob ein sexueller Bezug auf den Bildern vorhanden ist oder nicht. Dabei geht es um sogenannte "Posing-Bilder".
"Dieser Begriff 'Posing-Bilder' wird sowohl für reine Nacktbilder verwendet, wo ein Kind unschuldig am Strand entlang läuft und ein Bild davon gemacht wird. Unter 'Posing-Bilder' werden aber auch gestellte Bilder verstanden, wo einem Kind gesagt wird: Setzt dich hier hin, spreize deine Beine, und ich mache ein Foto davon."
Wenn ein Kind also bestimmte Körperhaltungen einnimmt, die die Genitalien betonen, und das Kind dabei fotografiert oder gefilmt wird, fällt das unter den Tatbestand der Kinderpornografie. Ob es sich um eine solche Körperhaltung handelt oder nicht, muss in jedem Einzelfall geprüft und bewertet werden. Diese Bewertung sei aufgrund des heutigen sehr weit gefassten Straftatbestandes manchmal schwierig, meint Strafrechtsexperte Gercke.
"Man wird bei diesen reinen Nacktbildern, wo Kinder in natürlicher Bewegung oder natürlicher Umgebung einfach spielen, und jemand macht ein Foto davon, die wird man nicht als Kinderpornografie bezeichnen können, die wird man nicht von der aktuellen Gesetzesfassung nicht fassen können. Wohingegen solche gestellten Bilder selbstverständlich darunter gefasst werden könnten. Aber wie grenzen wir ab? Je weiter wir den Tatbestand aufweichen, desto schwieriger werden die Abgrenzungsfälle."
Nicht nur Fotos oder Filme, auch pornografische Zeichnungen von Kindern können strafrechtlich verfolgt werden: "Hintergrund ist, dass es bei dem Paragraphen 184 b nicht nur um den unmittelbaren Schutz der Kinder geht. Sondern es geht auch um einen mittelbaren Schutz. Man möchte verhindern, dass ein Auslöseeffekt eintritt; dass sich jemand diese kinderpornografischen Zeichnungen, die ja sehr realistisch sein können, anschaut, und dann sagt: Ich möchte eigentlich auch einmal ganz gerne ein Kind sexuell missbrauchen. Und aus diesem Grund kriminalisiert der Gesetzgeber bereits die Weitergabe von solchen Zeichnungen. Besitz hingegen ist nicht strafbar."
Ansonsten gilt: Schon wer gezielt nach kinderpornografischem Material sucht – egal wie oder wo - , muss mit Strafverfolgung rechnen. Schon der Versuch, sich kinderpornografische Bilder oder Filme zu verschaffen, wird bestraft.
"Die Intention des Gesetzgebers ist es, bereits Vorbereitungshandlungen unter Strafe zu stellen. Jemand, der versucht, sich Kinderpornografie zu verschaffen, macht sich bereits in dem Moment strafbar, und zwar wegen eines vollendeten Deliktes."
Das Internet wirft neue Rechtsfragen auf
Die meisten Täter suchen heutzutage pornografisches Material im Internet. Im World Wide Web stellen sich allerdings schwierige Rechtsfragen. Ist es schon strafbar, wenn man den Begriff "Kinderpornografie" bei der Suchmaschine Google eingibt? Wann fängt jemand an, im Internet gezielt nach Bildern und Filmen zu suchen? Der Gesetzgeber, meint der Medien-Strafrechtler Marco Gercke, habe es noch nicht geschafft, das Pornografie-Strafrecht in das Zeitalter des Internets zu versetzen.
"Die Suche nach Kinderpornografie im Internet ist schwer durch die bestehenden Normen zu erfassen. Es kann sein, dass einzelne Gerichte sagen: Ich kann diese Norm gerade noch so auslegen. Aber sie eignet sich faktisch nicht, sodass es schwierig sein wird für die Ermittlungsbehörden, tatsächlich die Täter zu greifen. Aber ich würde trotzdem davor warnen – auch Journalisten – das jetzt auszureizen und zu sagen: Ich probiere mal, wie weit ich gehen kann. Denn da schwebt das Damoklesschwert der Strafbarkeit über einem. Der Grundsatz ist wirklich, dass der Gesetzgeber eine weitgehende Kriminalisierung erreichen wollte."
Vieles spricht im Moment dafür, dass die Gesetze weiter verschärft werden. Die Bundesregierung denkt darüber nach, den Handel mit Nacktbildern von Kindern generell unter Strafe zu stellen. Das heißt auch den Handel mit Nacktbildern, die bislang nicht als pornografisch eingestuft werden. Bundesjustizminister Heiko Maas kündigte in der vergangenen Woche an, bis Ostern einen Gesetzentwurf vorzulegen, der Kinder besser vor sexueller Ausbeutung schützen soll. Dies müsse allerdings sorgfältig vorbereitet werden.
"Es ist nicht so ganz einfach, weil viele Alltagsbilder nicht in den Bereich der Strafbarkeit gebracht werden sollen, etwa Urlaubsbilder, die dann auch innerhalb einer Familie verschickt werden. Darum kann es nicht gehen, das hilft auch niemandem. Die Frage ist allerdings, ob jemand, der gewerbsmäßig mit solchen Bildern handelt oder auch jemand der sie kauft, nicht mit den Mitteln des Strafrechts verfolgt werden kann. Und das überprüfen wir jetzt."
Warnung vor gesetzgeberischen Schnellschüssen
Der Kinderschutzbund unterstützt die Initiative des SPD-Ministers und fordert, dass der Handel mit Nacktbildern von Kindern generell unter Strafe gestellt wird. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) will einen Antrag des Bundesrates auf den Weg bringen, der die Bundesregierung auffordert, schnellstmöglich einen Gesetzentwurf vorzulegen. Dabei müsse allerdings darauf geachtet werden, dass es am Ende nicht die Falschen trifft, mein Marco Gercke, Direktor des Instituts für Medienstrafrecht in Köln. Er warnt vor Schnellschüssen.
"Denken Sie mal an den Hersteller von Fotobüchern. Eltern schicken Nacktbilder ihrer Kinder dorthin, wie sie am Strand spielen. Und dieser Fotobuchhersteller wird gewerblich diesen Eltern diese Bücher dann geben. Damit handelt er gewerblich mit Nacktbildern, ohne dass er das will oder dass das seine Intention ist. Ich kann nur davor warnen die Edathy-Affäre zu nutzen, um jetzt eine Sexualstrafrechtsreform oder Pornografie-Strafrechtsreform durchzupeitschen. Das sind gute Intentionen, die da im Moment diskutiert werden. Aber die Frage ist, ob sich das wirklich so umsetzen lässt."
Es gibt auch andere Strafrechts-Experten, die eine Strafbarkeit des gewerbsmäßigen Handels mit Nacktbildern kritisch sehen. Sinnvoller sei es, die Verbreitung von Nacktbildern als Persönlichkeitsverletzung zu bestrafen; unabhängig davon, ob die Weitergabe der Bilder gewerbsmäßig geschieht oder nicht. Strafrechts-Experte Marco Gercke hält jedenfalls nichts davon, sich voreilig auf bestimmte Vorschläge festzulegen. Notwendig sei vielmehr eine ruhige, sachliche Debatte, in die auch Sexualtherapeuten mit eingebunden werden.
"Wir müssen eine Diskussion führen, dass es Pädophile gibt, dass das eine sexuelle Störung ist, und wie gehen wir mit dem um. Wir können jetzt natürlich den Handel mit diesen Bildern kriminalisieren. Aber die zugrunde liegenden Handlungen, nämlich sich ein Kind nackt anzugucken, ist als solches nicht strafbar. Und da sollten wir vielleicht wirklich eher Therapeuten noch mit einbeziehen, und diese Diskussion auch nicht nur Juristen überlassen. Denn selbstverständlich können wir Juristen wunderschöne Normen schaffen, aber es wäre vielleicht wichtig, da noch mal genau zu bestimmen, wo legen wir den Fokus hin."
Natürlich ist die angedachte Gesetzesverschärfung im Bereich der Kinderpornografie ein wichtiges Thema auch für die 21 Mitarbeiter des Berliner Kommissariats. Mit einer Bewertung hält sich dessen Leiterin allerdings zurück. Ein Aspekt, den Judith Dobbrow anmerkt: Werden Nacktbilder von Kindern generell strafbar, führt dies zu mehr Ermittlungsverfahren, also zu mehr Arbeit für das ohnehin schon ausgelastete Kommissariat Kinderpornografie.
Minderjährige müssen stärker vor sexueller Ausbeutung geschützt werden, meint sie, deshalb plädiert die 46-jährige Mutter von zwei Kindern für Strafen beim Verkauf von Nacktbildern.
"Auf der anderen Seite werden ja auch diese Nacktbilder frei zugänglich von unbedarften Eltern im Internet verbreitet, wenn man sich so Facebook-Einträge anguckt. Also ich denke, da muss man schon ziemlich aufpassen, wer nachher in diesen Bereich der Strafrechtsverfolgung geraten kann."
Auch Herstellung und Konsum der Bilder sollen strafbar werden
"Deswegen sage ich den Eltern: Die Fotos, die ihr am Ostseestrand oder am Nordseestrand von euren Kindern gemacht habt, stellt die bitte nicht bei Facebook ein, nicht in Sozialen Medien. Da besteht die ganz große Gefahr, dass Pädosexuelle diese Fotos zur sexuellen Befriedigung nutzen. Und sind nicht aus dem Netz rauszuholen. Hier ist eine erhebliche Steigerung der Sensibilisierung der Eltern und der Verantwortlichen notwendig."
Johannes-Wilhelm Röhrig, Missbrauchsbeauftragter der Bundesregierung. Er hat sich bei der Debatte über eine Verschärfung des Kinderpornografie-Gesetzes eindeutig positioniert – nicht nur der Verkauf der Nacktfotos müsse unter Strafe gestellt werden.
"Die dienen als Vorlage zur sexuellen Befriedigung von Erwachsenen. Bei der Herstellung dieser Posing-Fotos findet Missbrauch, sexuelle Ausbeutung an Kindern statt. Und deswegen ist es erforderlich, dass die Herstellung und der Konsum dieser Bilder strafbar sind."
Eine Forderung, die von Betroffenen und Opfer-Initiativen geteilt wird. Die Brandenburgerin Maren Ruden hat die Frauen-Selbsthilfe-Initiative "Die Rose" gegründet, saß mit am Runden Tisch Kindesmissbrauch der Bundesregierung: "Der Grund war mein eigenes Missbrauchserleben als Kind. Als ich 14 Jahre alt war. Der zweite Grund ist, dass meine Töchter ebenfalls betroffen sind."
Halbwegs stabil sei sie nach einer jahrelangen Therapie, erzählt die 51-Jährige. Andere sind daran zerbrochen: Sind psychisch krank, nicht in der Lage, Partnerschaften aufzubauen oder einen Beruf auszuüben.
Maren Ruden engagiert sich politisch für die Rechte von Betroffenen, sie kann und will darüber reden. Darüber, dass ihr Vater erst sie missbraucht hat, 30 Jahre später dann ihre beiden Töchter. Ihrer Erfahrung nach ist Kinderpornografie eine Art Einstiegsdroge für die Täter. "Bei mir waren es Missbrauchs-Übergriffe, die im engsten Familienkreis passiert sind. Das waren Berührungen. Aber ich weiß auch, dass der Täter sehr viel von Nacktfotos von Geschlechtsteilen hielt."
Maren Ruden hat ihren Vater nicht angezeigt, aber mit ihren Eltern gebrochen. Der Alltag sei nicht immer einfach, alle leben in derselben Brandenburger Kleinstadt südlich von Berlin. Dass Maren Rudens Mutter ihren Ehemann, der zum Täter wurde, zeitlebens deckte, will und kann ihr die Tochter nicht verzeihen.
Pädophilie als lebenslange sexuelle Präferenz
Sexualwissenschaftler gehen davon aus, dass einer von Hundert Männern pädophil ist. Es handelt sich dabei nicht um eine – heilbare - Krankheit, sondern um eine lebenslang anhaltende sexuelle Präferenz, deren Ursache bis heute nicht bekannt ist. Ein Trieb, der allerdings kontrollierbar ist.
Seit zehn Jahren therapiert Dr. Christoph Ahlers Sexualstraftäter und Männer, die von ihren pädophilen Neigungen wissen, aber nicht zu Tätern werden wollen. Der wissenschaftliche Leiter des Instituts für Sexualpsychologie hat für sie einen Verhaltensleitfaden entwickelt, ein einfaches Ampelsystem: "Wie kann ich einen verantwortlichen Umgang mit sexuell erregenden Bildern lernen. Sodass durch meinen Konsum weder Personen mittelbar geschädigt werden noch ich mich durch mein Verhalten strafbar mache."
Bei FKK-Bildern, Strandfotos, Unterwäschekatalogen blinkt die Ampel grün – keine Gefahr für die Kinder und für potenzielle Täter. Bei Posing-Bildern – nackte Kinder in besonderen, gestellten Positionen – ist die Ampel gelb. Das bedeutet: Diese Fotos und Videos stellen eine potenzielle Gefahr für Pädophile dar. Und: Kinder wurden für diese Aufnahmen benutzt, wenn nicht ausgebeutet. Die rote Ampel bedeutet Stopp: Pornografische Darstellungen sind verboten. Der Sexualtherapeut Dr. Christoph Ahlers versucht seinen Patienten klarzumachen: "Sobald ich in geschützten Bereichen nach Bildern suche, in speziellen anmeldungsbedürftigen Bereichen des Internets, Newsgroups, Foren, dann ist eigentlich programmatisch klar, dass selbst grüne Bilder, die ich da finde, nur ein Auftakt sind zu Bilderserien, die rot enden."
Würde das Gesetz zur Kinderpornografie soweit verschärft, dass auch der Besitz und das In-den-Verkehr-bringen von Nacktbildern generell strafbar wäre, würden mehr pädophile Männer zu Straftätern als bislang. Ob diese Strafverschärfung abschreckend wirkt, lässt sich schwer vorhersagen. Der klinische Sexualpsychologe Dr. Ahlers trifft in Gesprächen mit Pädophilen oft auf folgende Haltung: "Das ist ja eh im Internet, ob ich das angucke oder nicht, ändert gar nichts. Also was will man mir da schon anhaben. Ich mach ja nichts. Das ist so die Geisteshaltung, mit der die meisten Personen kommen, wenn wir sie dann im klinischen Kontext sehen."
Mit der Löschung von kinderpornografischen Internetseiten befasste sich in dieser Woche auch das Bundeskabinett. Danach hieß es, es funktioniere gut: Die allermeisten inländischen und ausländischen Webseiten seien in spätestens vier Wochen gelöscht. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: bei mehr als einem Zehntel der rund 6.200 gemeldeten Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten waren die deutschen Sicherheitsbehörden machtlos. Entweder, weil die Verbindungsdaten anonymisiert waren oder weil sich die Server in Staaten befanden, die nicht mit Deutschland kooperieren.