Nur mit einer Umschuldung könne sich Griechenland wirtschaftlich erholen, betonte Göring-Eckardt. Zudem müsse es eine Soforthilfe für die griechischen Banken geben und humanitäre Unterstützung für die Menschen. Die Eurozone dürfe nicht akzeptieren, dass der Staat zerfalle.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende sprach sich erneut für einen Verbleib Griechenlands in der Währungsunion aus. Sie betonte, "dass die Folgen eines Grexit nicht absehbar sind und höchst schwierig für Europa insgesamt." Damit es vorangehe, müsse Regierungschef Alexis Tsipras aber zunächst die geforderten Reformen anbieten. Sie sei hoffnungsvoll, dass ein Kompromiss gelinge und es guten Willen auf allen Seiten gebe, sagte Göring-Eckardt.
Das Interview in voller Länge:
Jasper Barenberg: Am Telefon ist jetzt Katrin Göring-Eckardt, die Fraktionschefin von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Schönen guten Morgen.
Katrin Göring-Eckardt: Guten Morgen. Ich grüße Sie.
Barenberg: Ich habe zuletzt gerade mit Herrn Weber über die Rolle des IWF gesprochen. Wenn ich die Grünen bisher richtig verstanden habe, dann sind sie dafür, einen Schuldenschnitt zu ermöglichen, dass Griechenland zumindest einen Teil der Schulden nicht mehr zurückzahlen muss.
Göring-Eckardt: Wir sagen, vor allen Dingen muss es eine Umschuldung geben. Das heißt einige Zeit Ruhe, dass man was zurückzahlen kann.
Barenberg: Eine Umschuldung bringen Sie ins Spiel. Was heißt das anderes, als dass Griechenland seine Schulden am Ende nicht mehr zurückzahlen muss?
Göring-Eckardt: Wenn man das jetzt nicht macht, dann wissen wir, wir bekommen gar nichts zurück. Das ist ja allen Beteiligten auch klar und deswegen ganz eindeutig: Es muss jetzt für einige Jahre Ruhe sein, was den Schuldendienst angeht, was die Zinsen angeht etc., sodass es erst mal eine wirtschaftliche Erholung geben kann und dass es natürlich auch Reformen geben muss. Da, finde ich, muss jetzt Herr Tsipras auch in die Vorhand treten und muss dafür sorgen, dass es Vorschläge dafür gibt, weil mit dem Referendum im Rücken ist es jetzt zunächst mal an ihm, mit Vorschlägen nach Brüssel zu reisen.
"Die Folgen eines Grexit nicht absehbar"
Barenberg: Ist nicht genau das Gegenteil zu erwarten im Grunde, dass Alexis Tsipras nach Brüssel kommt mit der Idee, dass jetzt alle Vorbedingungen fallen gelassen werden, weil genau dagegen hat sich ja seine Bevölkerung mit großer Mehrheit ausgesprochen?
Göring-Eckardt: Klar ist, es muss ja von beiden Seiten jetzt auch weiter Kompromissbereitschaft gezeigt werden, auch wenn einem die letzten Wochen und Tage unheimlich auf die Nerven gegangen sind, auch was die Wortwahl angeht. Mich persönlich haben die nationalistischen Töne, die es in Griechenland gegeben hat, sehr, sehr aufgeregt. Ich glaube, das ist für dieses gemeinsame Europa kein guter Weg, und ich finde, es muss klar sein, es muss auch den Gläubigern, den Europäern klar sein, dass es eben nicht um wir und die geht. Es geht nicht um 18 und eins, sondern es geht um 19 europäische Länder und es geht darum, dass wir gemeinsam dieses Europa stärken und dass Griechenland im Euro bleiben kann. Ich glaube, dass die Folgen eines Grexit nicht absehbar sind und höchst schwierig für Europa insgesamt sind.
Barenberg: Was sollen die Staats- und Regierungschefs, was sollen die Finanzminister Griechenland anbieten?
Göring-Eckardt: Wie gesagt, ich glaube, jetzt muss erst mal Herr Tsipras mit einem Vorschlag kommen. Das ist das erste, was geschehen muss. Dann braucht es Kompromissbereitschaft. Es braucht die Bereitschaft dann mittelfristig zur Umschuldung. Aber es muss natürlich auch Soforthilfe geben. Die Banken müssen liquide sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man riskiert, dass Griechenland zu einem zerfallenden Staat wird, sprich dass die Verwaltungen nicht mehr bezahlt werden können, die Sicherheitsbehörden nicht mehr bezahlt werden können. Das könnte ja für ein europäisches Land höchst schwierig werden. Und es braucht vermutlich auch sofort humanitäre Hilfe.
"Emotionen und einseitige Schuldzuweisungen helfen uns im Moment nicht weiter"
Barenberg: Nun haben wir in den letzten Wochen aus Athen immer wieder ziemlich harsche Töne gehört. Von Erpressung war da die Rede, zum Schluss von Terrorismus. Welche Hoffnung haben Sie, dass das Vertrauen wieder zurückkehrt, wenn jetzt wieder Tsipras und die anderen 18 Euro-Finanzminister zum Beispiel sich gegenübersitzen?
Göring-Eckardt: Ja, ich gebe zu, dass mir das auch schwerfällt und dass mich das auch stört, dass die Reformen, die man hätte machen können, sprich den Militärhaushalt beispielsweise zu kürzen, sprich eine echte Reichenbesteuerung vorzunehmen, dass das alles nicht geschehen ist und dass gleichzeitig eine Verschärfung im Ton stattgefunden hat, die für dieses gemeinsame Projekt nicht hilfreich ist. Aber ich glaube, dass diese Emotionen und auch einseitige Schuldzuweisungen uns im Moment überhaupt nicht weiterhelfen. Wir sehen, dass die Politik der letzten Jahre zumindest in Griechenland gescheitert ist, und das ist auch eine Aufgabe für die Europäer insgesamt, hier für einen Neustart zu sorgen und danach zu schauen, was man eigentlich mittelfristig in diesem gemeinsamen Europa in solchen Krisenphasen machen will.
Barenberg: Sind Sie optimistisch mit Blick auf die nächsten Tage? Letzte Frage. Ich verspreche es, angesichts Ihres Hustens.
Göring-Eckardt: Ich bin jedenfalls hoffnungsvoll, dass das gelingt, und hoffe, dass es den guten Willen von allen Seiten gibt.
Barenberg: Katrin Göring-Eckardt, die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag. Danke, dass Sie sich durch Ihren Husten gekämpft haben und uns Zeit gegeben haben für das Interview.
Göring-Eckardt: Ich bedanke mich auch. Entschuldigung und ade.
Barenberg: Kein Problem. Danke.
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