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Nach dem "Unabhängigkeitsmarsch"
Die Ideologie der polnischen Rechtsextremen

In Warschau organisieren rechtsradikale Gruppierungen am Tag der Unabhängigkeit seit sieben Jahren den sogenannten Unabhängigkeitsmarsch. Aus der Menge stachen diesmal auch offen rassistische Plakate hervor. Deswegen gab es auch Kritik aus dem Ausland. Doch mit einer Distanzierung tut sich die Regierung schwer.

Von Florian Kellermann |
    Bengalisches Feuer auf einer Nationalisten-Demo in Warschau
    Nationalistische Demonstration in Warschau zum polnischen Unabhängigkeitstag (PAP)
    Das vorerst letzte Wort in der Debatte über den Unabhängigkeitsmarsch hatte der polnische Präsident Andrzej Duda: "In unserem Land gibt es keinen Platz und keine Toleranz für Fremdenfeindlichkeit. Auch keinen Platz für krankhaften Nationalismus oder für Antisemitismus. Menschen, die eine solche Haltung haben, sind aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Ihre Haltung kann man nicht anders bezeichnen als schändlich."
    Das sagte das Staatsoberhaupt gestern Abend, genau zwei Tage nach dem Ende des Marsches. Deutliche Worte, die Beobachter der Demonstration viel früher und auch von der Regierung erwartet hätten.
    Plakatparolen vom "weißen Polen" und vom "reinen Blut"
    Innenminister Mariusz Blaszczak hatte zunächst von einem "schönen Anblick" gesprochen, als er an die vielen weiß-roten Fahnen bei dem Marsch erinnerte. Rassistische Transparente habe er nicht gesehen. Dabei hatten auch die Fernsehkameras die Plakatparolen vom "weißen Polen" und vom "reinen Blut" eingefangen. Später sprachen Vertreter aus dem Regierungslager von einer Randerscheinung und warfen kritischen Medien vor, diese aufzubauschen.
    Und schließlich suchten sie die Schuld beim Nachbarn Russland, so der Abgeordnete Adam Bielan: "Polen ist nicht seit heute das Objekt von hybriden Attacken unseres östlichen Nachbarn, der unser Land ganz sicher gerne als ein Land hinstellen möchte, in dem auf der Straße Nazis demonstrieren."
    Auch der Vorsitzende der Regierungspartei PiS Jaroslaw Kaczynski sprach von einer Provokation - jedoch ohne zu sagen, vom wem.
    Das Problem: Dafür gibt es keinerlei Beweise, im Gegenteil. Der Sprecher der Allpolnischen Jugend, eine der Organisatoren, stellte sich hinter die rassistischen Sprüche. Zitat: "Das rassische, das ethnische Element ist ganz wichtig", sagte er einer Zeitschrift. Jede Rasse sei anders und lebe - wiederum Zitat - "auf einem anderen Kontinent".
    "Rassismus beschränkt sich nicht auf die Hautfarbe"
    Für Anna Tatar von der Organisation "Niemals wieder", die die rechtsradikale Szene in Polen beobachtet, war das keine Überraschung: "Allein in den letzten anderthalb Jahren haben Vertreter dieser Gruppierung an vielen Veranstaltungen teilgenommen oder sie sogar organisiert, die als Märsche gegen Immigration bezeichnet wurden. Tatsächlich wurde dort Fremdenhass demonstriert, der vor allem gegen den Islam und die arabische Welt gerichtet war. Rassismus beschränkt sich ja nicht auf die Hautfarbe."
    Doch nicht nur die PiS, auch die "Allpolnische Jugend" distanzierte sich zwei Tage nach dem Unabängigkeitsmarsch von den rassistischen Parolen; der Sprecher wurde entlassen. Offenbar hätten die heftigen auch internationalen Reaktionen die Regierung und die rechten Organisationen doch erschreckt, meint Anna Tatar.
    Die Transparente und Sprechchöre am Samstag fallen auf die Regierung zurück, weil sie den Marsch wohlwollend begleitet hat. Das zeigte etwa die Live-Berichterstattung im öffentlichen Fernsehen, das von der Regierungspartei PiS kontrolliert wird.
    Dahinter stecke eine strategische Überlegung, sagt Piotr Buras von der Batory-Stiftung in Warschau: "Man darf nicht erlauben, dass rechts von der PiS-Partei eine ernstzunehmende politische Kraft entsteht. Und die PiS versucht, mit diesen nationalistischen Tönen eben dieses rechte Umfeld zu bewirtschaften."
    Immerhin ermittelt inzwischen die Polizei wegen der rassistischen Transparente am Unabhängigkeitstag. Die Regierung kann nun beweisen, wie ernst sie es meint mit ihrer Distanzierung von solchen Parolen - indem sie die Verantwortlichen vor Gericht bringt. Denn die Staatsanwaltschaft untersteht in Polen direkt dem Justizministerium.