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Nach dem Unfall im Hambacher Forst
"Es wird nicht zur Tagesordnung übergegangen"

Nach dem tödlichen Unfall ist im Hambacher Forst ein wenig Ruhe eingekehrt. Die Räumungsarbeiten wurden unterbrochen. Doch das ist nur vorübergehend: Die Räumung werde demnächst weitergehen, berichtet Dlf-Korrespondentin Vivien Leue. Eine Rettung des Waldes sei kaum vorstellbar.

Vivien Leue im Gespräch mit Susanne Kuhlmann |
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    Vorübergehende Ruhe: Die Räumungsarbeiten im Hambacher Forst sollen demnächst wieder aufgenommen werden (imago | Zuma Press)
    Susanne Kuhlmann: 51 Baumhäuser im Hambacher Forst sind seit sechs Jahren Symbole für den Widerstand gegen das Abholzen dieses Waldstücks in Nordrhein-Westfalen. Der Energiekonzern RWE will dort Braunkohle abbaggern. Gestern kam es im Hambacher Forst zu einem tödlichen Unfall, als ein junger Journalist von einer Hängebrücke stürzte. Heute Morgen nun haben Umweltschützer wie geplant der Landesregierung in Düsseldorf eine halbe Million Unterschriften für den Erhalt des Waldes übergeben. Vivien Leue in Düsseldorf, wie ging das vonstatten?
    Vivien Leue: Es war sehr viel ruhiger als geplant. Normalerweise passiert so was mit Sprechchören, und das hat heute nicht stattgefunden. Es haben auch alle Beteiligten gesagt, sie wollen innehalten, aber natürlich trotzdem dieses Zeichen übergeben. Es sind immerhin innerhalb von drei Wochen mehr als eine halbe Million Unterschriften gesammelt worden. Und Frau Heinen-Esser, die Umweltministerin von Nordrhein-Westfalen, die sagte auch, das Zeichen wird gehört, und sie nehmen das sehr ernst:
    "Also, Sie können davon ausgehen, dass ich als Umweltministerin mich lange auch mit Paris beschäftigt habe, mit dem Klimaabkommen, und es sehr, sehr ernst nehme und wir das hier auch sehr, sehr beachten."
    Leue: Das sagte sie mehrfach, als sie dann diese Unterschriften in der Hand hatte, dass das etwas ist, was jetzt – es wird nicht zur Tagesordnung übergegangen, sondern man hat das im Blick, dass es diese große Besorgnis in der Bevölkerung gibt, dass wir nicht genug gegen den Klimawandel tun.
    "Die Räumung wird weitergehen"
    Kuhlmann: Seit der vergangenen Woche räumt die Polizei ja nun die Baumhäuser. Geht das jetzt weiter?
    Leue: Das steht zurzeit still vor Ort. Es sind natürlich noch ganz viele Polizeikräfte vor Ort, die das Gebiet sichern, denn sie müssen trotzdem schauen, dass nicht neue Barrikaden aufgebaut werden oder möglicherweise sogar kleine Hütten in den Wald wieder gebaut werden. Und der Innenminister von Nordrhein-Westfalen sagte auch schon, es wird dann ja doch weiter geräumt werden. Nicht heute, vielleicht auch noch nicht morgen oder am Wochenende, das wird sich zeigen. Aber diese Aktion, die da gestartet ist, die Räumung der Baumhäuser aus Brandschutzgründen, die wird weitergehen. Und man muss auch sagen, Dreiviertel der Baumhäuser sind schon geräumt, zum Teil tatsächlich auch schon abgebaut. Man hätte jetzt am Wochenende fertig sein wollen. Nun ist für Sonntag wieder eine große Demonstration geplant. Vielleicht lässt man die da, sagen wir mal, da durchziehen, vielleicht dann auch zum Teil als Trauermarsch, und beginnt dann nächste Woche wieder. Da gibt es noch keine politische Entscheidung. Ich könnte mir auch vorstellen, dass die heute noch nicht fällt.
    "Unvorstellbar für RWE, dass der noch gerettet werden kann"
    Kuhlmann: Ist es vorstellbar, dass RWE das Abholzen beendet?
    Leue: Nein. Für mich, nach allem, was ich gehört habe, ist das nicht vorstellbar. Ich habe noch vor zwei Tagen mit dem Tagebauleiter, also mit dem Chef der Tagebaue von RWE, gesprochen, und der hat mir erklärt, dass so ein Tagebau für zehn, 15, 20 Jahre geplant wird. Das heißt, wenn Planungen sich ändern sollten, also wenn RWE, und das tun sie zurzeit überhaupt nicht, darüber nachdenken sollte, so einen Tagebau früher zu schließen, dann würde das trotzdem bedeuten, dass die Planung sich ändern muss für in zehn Jahren. Der Hambacher Forst wird wahrscheinlich in zwei Jahren abgebaggert. Das ist ein Zeitraum, da ist es unvorstellbar für RWE, dass der da noch gerettet werden kann. Und tatsächlich ist es ja so, dass auf politischer Ebene Daten diskutiert werden jenseits der 2030er, also ab 2030 und weit dahinter. Das wird den Hambacher Forst nicht mehr retten. Nun ist er zum Symbol geworden, es gibt einen kleinen Hoffnungsschimmer noch, weil das Oberverwaltungsgericht Mitte Oktober entscheiden muss, ob der Wald aus Naturschutzgründen erhalten werden muss. Aber sollte das Oberverwaltungsgericht das verneinen, dann ist der Wald meiner Ansicht nach verloren.
    Kuhlmann: So weit die Einschätzungen von Vivien Leue zum weiteren Vorgehen im Hambacher Forst nach dem tödlichen Unfall dort. Danke dafür nach Düsseldorf.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.