Archiv

Nach dem US-Geheimdienstbericht
Wie steht es um den Laborursprung des Coronavirus?

Ende Mai hatte US-Präsident Joe Biden die amerikanischen Geheimdienste beauftragt, herauszufinden, ob das Coronavirus aus der Natur stammt oder vielleicht doch aus einem Forschungslabor. 90 Tage hatten die Agenten Zeit für ihre Suche. Doch neue Erkenntnisse lassen auf sich warten.

Von Arndt Reuning |
Eine Karte von Wuhan, China, wird während einer Debatte in einem Ausschuss des US-Kongresses zum Ursprung des Coronavirus' gezeigt. Es ging um die Frage, ob das Coronavirus aus einem Labor in Wuhan, China, kam.
Eine Karte von Wuhan, China, wird während einer Debatte in einem Ausschuss des US-Kongresses gezeigt (imago / UPI / Sarah Silbiger)
Woher stammt Sars-CoV-2? Eigentlich ist das eine Forschungsfrage, aber US-Präsident Joe Biden hatte im Mai seine Geheimdienstmitarbeiter darauf angesetzt. Eine Mission der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte in Wuhan, der chinesischen Stadt, in der die Epidemie offenbar zuerst aufgetreten war, nach der Herkunft des Erregers gefahndet. Sie konnte aber keine eindeutigen Ergebnisse vorweisen.
Dann aber kamen Gerüchte auf, Mitarbeiter am Wuhan Institut für Virologie seien bereits im November 2019 mit verdächtigen Symptomen einer heftigen Atemwegserkrankung im Krankenhaus behandelt worden. Das könnte darauf hindeuten, dass dort bereits vor dem Ausbruch an SARS-CoV-2 geforscht wurde. 90 Tage hatte Joe Biden den Geheimdiensten Zeit gegeben, diese Frage zu klären. Die sind nun vorbei.
Was sagt der Bericht der US-Geheimdienste?
Der Bericht ist noch nicht öffentlich, aber es ist schon etwas durchgesickert. Die "Washington Post" berichtet, dass auch der Geheimdienstreport zu keinem eindeutigen Ergebnis gekommen ist. Es sei also weiterhin unklar, ob das Virus aus der Natur oder einem Labor stammt.
Damit ist man genauso klug wie zuvor. Die Zeitung beruft sich dabei auf zwei Beamte, die mit der Sache betraut sind, aber anonym bleiben wollen. Dass der Bericht kein eindeutiges Ergebnis liefert, ist von manchen Fachleuten erwartet worden. Denn den Geheimdiensten fehlt es an der wissenschaftlichen Expertise. Noch dazu war der Zeitraum von 90 Tagen eindeutig zu kurz.
Um welches Labor geht es bei der LabLeak-Hypothese?
In erster Linie um das Wuhan Institut für Virologie. Dort wurde an Coronaviren von Fledermäusen geforscht. Und es hat wohl Gerüchte gegeben, dass dort Mitarbeiter bereits im November 2019 mit verdächtigen Symptomen einer heftigen Atemwegserkrankung im Hospital behandelt wurden. Das könnte darauf hindeuten, dass der Ausbruch von dort kommt.
In China sieht man das natürlich ganz anders. Dort macht im Moment wieder verstärkt eine andere, altbekannte Laborhypothese die Runde in den sozialen Medien: Dass das Coronavirus aus einem Militärlabor in den USA stammt. Fort Detrick in Maryland wird da genannt. Das musste schon mal herhalten als angebliche Quelle für HIV. Mittlerweile weiß man aber ziemlich sicher, dass dieses Gerücht zum HI-Virus damals in den 1980er-Jahren gezielt vom KGB gestreut worden war.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Gibt es sonst neue Hinweise?
Wirklich handfeste Beweise für den Ursprung gibt es nicht. Es gibt ein paar spannende neue Details. Aber vor allem hat eine Neubewertung vor zwei Wochen für Schlagzeilen gesorgt. Peter Ben Embarek, das war der Leiter der WHO-Delegation, die sich in Wuhan umgesehen hat. Der hatte damals bei der Pressekonferenz vor Ort gesagt, dass es extrem unwahrscheinlich sei, dass SARS-CoV-2 aus einem Labor entkommen ist. Das war das Fazit, zu dem die WHO-Gruppe gekommen war.
Was sagt WHO-Delegationsleiter Embarek?
Nun hat Ben Embarek seine persönliche Einschätzung offenbar geändert. Er war in einer Dokumentation im dänischen Fernsehen zu sehen. Und da sagte er nun, er halte den Laborursprung doch für möglich. Allerdings hat er dabei nicht das Wuhan Institut für Virologie im Blick, sondern eine andere Einrichtung der chinesischen Gesundheitsbehörde in Wuhan. Dieses Labor sei Anfang Dezember umgezogen, dabei könnte das Virus freigesetzt worden sein. Das ist ein mögliches Szenario, aber auch dafür gibt es keine Beweise.
Personen des WHO-Teams zur Untersuchung des Coronavirus-Ursprungs sitzt am 14. Januar 2021 in einem Bus in Wuhan
Die Spur des Virus Teil 1 - Aus der Wildnis nach Wuhan
Wie aus dem Nichts war es Ende 2019 auf einem Tiermarkt in Wuhan aufgetaucht, das neuartige Coronavirus. Doch mehr als anderthalb Jahre später liegt seine Herkunft noch immer im Dunkeln.
Wie sieht der Rest des WHO-Teams das?
Die haben sich gerade geäußert in einem längeren Kommentar im Fachmagazin "Nature". Vor allem aber, um einiges klarzustellen, was ihrer Meinung nach in der Berichterstattung untergegangen ist. Zum einen, dass es niemals das Ziel der WHO-Mission gewesen ist, die Laborhypothese zu untersuchen. Es gab ja vor dem Start der Untersuchungen vor Ort ein Papier, die Terms of References, das die WHO zusammen mit Peking erarbeitet hat. So eine Art Kurzfassung, wie die Mission ablaufen soll und welchen Fragen sie nachgehen soll. Und da wird die Laborhypothese tatsächlich nicht erwähnt. Sie sehen sich da zu Unrecht in diese Rolle gedrängt.
Zum anderen sei oft übersehen worden in den Medien, dass der Besuch in Wuhan nur Teil 1 der Mission war. Aber wir wissen ja: Mittlerweile hat China seine Kooperation für solche Anschlussuntersuchungen aufgekündigt. Es dürfte also schwierig werden.
Das P4 Labor für Epidemiologie in Wuhan, China, Feb. 2017
Die Spur des Virus Teil 2 - Die Laborhypothese
Das Jahr 2020 hat gerade begonnen. Von China aus wandert das neuartige Coronavirus in Windeseile um den ganzen Globus. Doch ähnlich schnell verbreiten sich Gerüchte um seinen Ursprung in einem Labor.
Wie sehen die weiteren Pläne der WHO aus?
Sie will der Frage nach dem Ursprung des Virus natürlich weiter nachgehen. Und möchte sich bei der Gelegenheit breiter aufstellen. Sie hat gerade angekündigt, dass sie ein Expertenteam zusammenstellen möchte, das sich mit dem Aufkommen von neuartigen Erregern ganz allgemein beschäftigen soll. Im Moment sucht die WHO noch Mitglieder dafür. Und diese neue Expertenrunde soll eben auch weiter nach dem Ursprung von SARS-CoV-2 forschen.
Was sagt die Fachwelt dazu?
Die Mitglieder der alten Wuhan-Delegation sehen das natürlich kritisch. In "Nature" schreiben sie, dadurch gehe viel zu viel Zeit verloren. Denn es sei jetzt wirklich höchste Eisenbahn, die Resultate weiterzuverfolgen aus der ersten Phase der Mission. Allmählich verlieren sich nämlich die Spuren, wie etwa Antikörper im Blut von Infizierten aus der Anfangszeit der Pandemie oder auch Rückstellproben aus Krankenhäusern.