"Im Falle von EY stellt sich die Frage, warum die eigentlich diese Jahresabschlüsse testiert haben, aber nie überprüft haben, ob diese exorbitanten Gewinne, die Wirecard vorgegeben hat zu erzielen, um immer wieder an frisches Geld zu kommen, ob die überhaupt vorhanden sind."
Nicht allein Fabio de Masi verwundert das. Der Bundestagsabgeordnete der Linken war maßgeblich daran beteiligt, einen Untersuchungsausschuss in der Wirecard-Affäre ins Leben zu rufen, zusammen mit dem Grünen-Abgeordneten Daniel Bayaz und dem FDP-Abgeordneten Florian Toncar. Auf seiner Homepage berichtet de Masi regelmäßig aus den Sitzungen des Ausschusses. Immer wieder geht es dabei um die Rolle der Wirtschaftsprüfer. Waren sie nicht neugierig genug und warum? Das Geld von Wirecard lag angeblich auf Treuhandkonten, für die sich die Wirtschaftsprüfer aber offenbar kaum interessierten:
"Und die Frage stellt sich, warum EY sich nicht diese Konten hat näher zeigen lassen, das heißt, sie haben sich Belege zeigen lassen, die hätte aber ein 14-Jähriger mit einem Atari-Computer basteln können."
"Und die Frage stellt sich, warum EY sich nicht diese Konten hat näher zeigen lassen, das heißt, sie haben sich Belege zeigen lassen, die hätte aber ein 14-Jähriger mit einem Atari-Computer basteln können."
Zu wenige Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, zuviel Macht?
Der Ausschuss hat in dieser Woche seine Arbeit wiederaufgenommen. Das Versagen des Wirtschaftsprüfers EY bei Wirecard hat die Bedeutung der Branche in den Fokus gerückt und Zweifel genährt: Haben zu wenige Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu viel Macht? Was wird die Gesetzesänderung bringen, die gerade auf den Weg gebracht wurde? Können sich Anleger bald wieder auf die Arbeit von Wirtschaftsprüfern verlassen, anders als im Fall von Wirecard? Es lohne sich näher hinzuschauen, sagt Sven Giegold, Finanzexperte der Grünen im Europaparlament. Denn aus seiner Sicht geht es um volkswirtschaftlich Fundamentales:
"Die Wirtschaftsprüfer sind für die Wirtschaft insgesamt sehr wichtig, nicht nur für die Kapitalmarktseite, sondern wenn sie mit einem Unternehmen in Geschäftsverkehr treten, ob nun als Lieferant oder als Kunde, dann wollen sie ja wissen, ist dieses Unternehmen solide aufgestellt? Und deshalb gibt es die Wirtschaftsprüfer, die die Bilanzen der Unternehmen prüfen und dafür sorgen, dass eben nur solche Akteure am Markt unterwegs sind idealerweise, die tatsächlich ihre Bilanzen wahr und richtig aufstellen und damit auch solide Geschäftspartner sind."
Der Verantwortung nicht nachgekommen
Wirtschaftsprüfer haben also eine große Verantwortung. Doch der kommen sie – wie sich am Fall Wirecard zeigt – nicht immer nach. Ein Grund dafür dürfte schon in der Struktur des Marktes liegen. Er wird von nur vier großen, weltweit agierenden Gesellschaften dominiert: Neben EY – früher Ernst & Young - sind das Pricewaterhouse Coopers, kurz PWC, KPMG und Deloitte. Giegold sieht da ein Hauptproblem:
"Und das bedeutet, die großen, lukrativsten Aufträge teilen sich im wesentlich die vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auf. Und diese Vermachtung des Marktes ist eigentlich einer sozialen Marktwirtschaft fremd."
Prüfer werden von den zu Überprüfenden bezahlt
Die auch "Big Four" genannten Gesellschaften sind es etwa, die die Bilanzen der großen DAX-Unternehmen prüfen. Dafür gebe es einige Gründe, erklärt Gerhard Schick, Vorsitzender der "Bürgerbewegung Finanzwende" und früher Abgeordneter der Grünen im Bundestag:
"Das eine ist, dass die Prüfgesellschaften viel mehr eigentlich Beratungsgesellschaften mit angehängtem Prüfbetrieb sind und da hausintern diese Kultur überhaupt nicht entstehen kann, dass man für saubere Bilanzen zuständig ist. Das zweite ist, die Wirtschaftsprüfer werden bezahlt von den Unternehmen, die sie überprüfen müssen und wollen natürlich sich die Folgeaufträge nicht verscherzen. Und gegenüber einem Auftraggeber so dominant aufzutreten und zu sagen, nein, ich testiere das nicht, das braucht ganz viel Haltung oder eben ganz klare rechtliche Normen, damit so etwas funktionieren kann."
Oft Berufsanfänger bei Sonderprüfungen
In der Praxis ist das aber nicht das einzige Problem:
"Ich habe ja bei KPMG in der forensischen Sonderprüfung gearbeitet, das heißt im Beratungsteil, und in dem Teil, wo eben nicht die standardmäßige Prüfung, sondern dann bei Anfangsverdacht eben Sonderprüfungen stattfinden."
Sagt Christoph Trautvetter. Er ist inzwischen wissenschaftlicher Referent beim "Netzwerk Steuergerechtigkeit". Trautvetter beschreibt, wie gerade große Unternehmen die Wirtschaftsprüfung in ihrem täglichen Geschäft handhaben. Das sei ein Massengeschäft, mit dem häufig Berufsanfänger betraut würden:
"Dann kriegen diese jungen Universitätsabsolventen einen Prüfungskatalog, den sie relativ automatisch ohne viel zu hinterfragen abarbeiten. Und dann gibt es zusätzlich eben zu diesen jungen Absolventen, die dann den Großteil der Arbeit machen und diese Prüfungskataloge abarbeiten, dann meistens noch die Management-, die Partnerebene, die die Mandate verhandelt, die am Ende den Bericht unterzeichnet und prüft. Auf der unteren Ebene kriegt man davon nicht sehr viel mit. Das wird dann immer im Abschlussgespräch verhandelt, auf Partnerebene meistens oder bei den Managern. Dieser Fragenkatalog, der dann abgearbeitet wird, der wird auf dieser Ebene verhandelt, festgelegt, entwickelt und dann relativ automatisch einfach abgearbeitet."
"Definitiv eine politische Entscheidung auf höherer Ebene"
Trotz dieser Standardabwicklung komme es natürlich vor, dass die meist jungen Wirtschaftsprüfer auf Ungereimtheiten stießen, erzählt Trautvetter. Dann berufe sich das Prüfungsunternehmen oft auf Beschränkungen seiner Arbeit:
"Es wird sehr, sehr methodisch und sehr, sehr detailliert alles aufgeschrieben, was man nicht machen konnte, und was man nicht gemacht hat, um eben da das Haftungsrisiko zu minimieren. Und das passiert dann immer, wenn Verdachtsmomente aufkommen, dass man dann eben eher sagt, okay, wir versuchen jetzt eben in irgendeinem Rahmen abzuarbeiten und uns da auch mit unserer Methodik zu entlasten, anstatt da wirklich noch mal lange nachzurecherchieren."
Ob das auch EY im Fall Wirecard so gehandhabt habe, das lasse sich von außen nicht sicher beurteilen, meint Trautvetter. Eines scheint ihm jedoch klar:
"Die Entscheidung, diesen Verdachtsmomenten nicht bis zum Ende nachzugehen und trotzdem zu testieren, das war definitiv eine politische Entscheidung auf einer höheren Ebene."
"Man agiert als Partner der Chefetage, bestens vernetzt"
Warum aber können die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sich das leisten? Eine wesentliche Antwort gibt schon die Wirtschaftsprüferkammer selbst in einem Werbevideo. Darin wird einem Abiturienten, hier Daniel genannt, erklärt, warum der Beruf des Wirtschaftsprüfers so interessant sei:
"Außerdem kann er hinter die Kulissen der Wirtschaft blicken, da ein Wirtschaftsprüfer tiefe Einblicke in die Geschäfte und Aktivitäten eines Unternehmens erhält. Dadurch bekommt Daniel ein enormes Marktwissen, mit dem er bei seinen Mandanten auch als Ratgeber punkten kann. Denn als Wirtschaftsprüfer lernt man viele Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen mit verschiedenen Rechtsformen kennen und arbeitet mit deren Führungspersönlichkeiten zusammen. Durch die beratende Funktion agiert man als Partner der Chefetage und ist somit bestens vernetzt."
Mit diesem Wissen und ihrer Vernetzung haben sich gerade die großen Vier inzwischen unverzichtbar gemacht. Sie seien nicht mehr Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, sie seien "professionelle Servicegesellschaften". So nennt sie Michael Gschrei. Er steht dem Verband für die mittelständische Wirtschaftsprüfung, kurz "wp-net" vor. Gschrei sagt, dass inzwischen nur noch etwa ein Fünftel der Umsätze der "Big Four" auf die eigentliche Wirtschaftsprüfung entfallen, der Rest ist Unternehmens- und Steuerberatung. Dabei seien diese beiden Bereiche kaum miteinander vereinbar:
"Ein Wirtschaftsprüfer hat ein Misstrauensverhältnis zu seinem Mandanten, zu seinem geprüften Unternehmen, und ein Berater hat ein Vertrauensverhältnis. Der Schwenk bei den großen Gesellschaften ist dahingegangen, zu diesem Thema: der Wirtschaftsprüfer ist auch Berater."
Interessenkonflikte bei der Arbeit für Staat und Unternehmen
Diese beiden Aufgabenbereiche müsse man deshalb streng trennen, meint nicht nur Gschrei, jedenfalls stärker, als das bisher der Fall sei. Abhängig vom Know How der "Big Four" sind aber nicht nur Unternehmen, sondern auch viele andere, darunter öffentliche Auftraggeber. Der Staat bedient sich ihrer Dienste, ihm fehle es oft an qualifiziertem Personal, sagt der Europaabgeordnete Sven Giegold:
"Man braucht ja eine Kompetenz, die sowohl ökonomisch und juristisch aktuell ist. Und das ist häufig schwierig. Deshalb bedient sich der Staat immer mehr externer Beratung. Und diese externen Berater arbeiten häufig nicht nur für den Staat gemeinwohlorientiert, sondern auch im gleichen Sektor für die Unternehmen. Genau deshalb werden sie vom Staat auch beauftragt, weil sie diese Unternehmen gut kennen. Aber daraus folgt natürlich im Beratungsauftrag ein eklatanter Interessenskonflikt. "
Klaus-Peter Naumann, Vorstandssprecher des IDW, des Verbands der Wirtschaftsprüfer, sieht das ganz anders:
"Wir helfen der Politik zum Beispiel bei der Fortentwicklung der Rechnungslegungsnormen, so, dass eine Rechnungslegung zu aussagefähigen Informationen führt."
"Wirtschaftsprüfer nehmen Einfluss auch auf die Gesetzgebung"
Wie unabhängig aber sind diese Experten der "Big Four" wirklich, beraten sie die Politik vor allem, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen? Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit sieht darin zumindest eine Gefahr:
"Wir sehen, dass die Wirtschaftsprüfer Einfluss auch auf die Gesetzgebung nehmen und dabei eben oft auch sich selbst regulieren und die Gesetzgebung selbst beeinflussen, weil sie Leute aus ihren Kreisen dann eben in die Regierung entsenden und umgekehrt."
Die "Big Four", dominieren auch den Branchenverband IDW. Der habe an einer Änderung dieses Systems kein Interesse, meint Michael Gschrei, der kleinere Wirtschaftsprüfer in seinem Verband wp-net vertritt. Der IDW profitiere schließlich über die Beiträge an den Verband von den steigenden Umsätzen der so genannten "professionellen Servicegesellschaften":
"Damit wächst auch die Macht vom IDW, weil sie natürlich in den letzten zehn Jahren, ihre Beiträge dadurch, ohne die Beiträge erhöhen zu müssen, verdoppelt hat. Und damit sind für uns diese Vorschläge aus dieser Ecke nicht gerade von Glaubwürdigkeit und von Unabhängigkeit geprägt."
Auch die BaFin nimmt die Dienste der "Big Four" in Anspruch
Die Dienste der "Big Four" werden sogar von der Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin in Anspruch genommen, weil auch die BaFin zu wenig Personal hat, um möglichen Ungereimtheiten bei Banken oder Versicherern immer selbst nachzugehen. Sie beschäftigt derzeit ganze fünf Wirtschaftsprüfer, das zeigt eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten de Masi. Ein Unding, sagt Gerhard Schick von der Bürgerbewegung Finanzwende:
"Deswegen muss eine wichtige Konsequenz sein, dass die BaFin als Finanzaufsichtsbehörde sich unabhängig macht von den Wirtschaftsprüfern, sonst läuft das alles ins Leere."
Die BaFin soll nun tatsächlich mehr "Biss" bekommen. So sieht es der Entwurf des "Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetzes" vor, der Mitte Dezember vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht wurde. Mehr Biss – dazu müsste die Aufsichtsbehörde für Bewerber attraktiver werden. Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater zahlen nämlich weit besser als staatliche Behörden.
"Die Wirtschaftsprüfer und die Berater können teilweise einfach Arbeitsumfeld und Arbeitskonditionen und auch flexible Modelle anbieten, die die Regierung nicht anbietet",
….sagt Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit:
"Deswegen gibt es in einigen Bereichen eben tatsächlich nicht genug Leute, die Beamte werden wollen und diesen Job übernehmen."
Die "Big Four" haben im Wirtschaftsministerium ihre eigene Etage
Und so schließt sich ein Kreis:
"Und deswegen ist man in einigen Bereichen auf externe Beratung angewiesen. Aber man kann auf der anderen Seite natürlich die bestehenden Beamten auch noch sehr viel besser einsetzen für die Aufgaben, die jetzt externe Berater oft übernehmen."
Ob das bald auch geschieht, bleibt offen. Durch Wirecard ist zweifellos etwas in Bewegung geraten, die "Big Four" dürften einflussreich bleiben. Derzeit beaufsichtigen sie sich quasi selbst in der weniger bekannten, dafür aber sehr interessanten "Aufsichtsprüferaufsichtsstelle":
"Die sind im Wirtschaftsministerium angesiedelt, haben aber da eine abgetrennte, eigene Etage und sind auch hauptsächlich aus den Big Four da übernommen worden. Das heißt, die sind tatsächlich im Wirtschaftsministerium auf ihrer eigenen Etage mit ihren eigenen Leuten ein Staat im Staat."
Prüfer kaufte mit Insiderwissen Wirecard-Aktien
Kontrolleure, die sich selbst kontrollieren sollen und deren Kontrolle deshalb Lücken lässt: Der inzwischen zurückgetretene Chef dieser "Aufsichtsprüferaufsichtsstelle" Ralf Bose kaufte noch Ende April des vergangenen Jahres Wirecard-Aktien. Zu einem Zeitpunkt als längst Betrugsvorwürfe kursierten. Er verkaufte sie einen Monat später zwar wieder, aber erst kurz nachdem seine Aufsichtsbehörde ein Verfahren gegen die Wirecard-Wirtschaftsprüfer von EY eingeleitet hatte.
"Die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften haben es mit ihrem langjährigen Lobbyeinfluss geschafft, dass ihre Interessen vom Wirtschaftsministerium unter Peter Altmaier jetzt praktisch mit vertreten werden und daher auf der Bremse gestanden wird bei wirklicher Aufklärung und Reform", moniert auch Gerhard Schick von der "Bürgerbewegung Finanzwende".
"Lobbysturm" gegen eine Rotation der Wirtschaftsprüfer
Schon vor dem Wirecard-Skandal machte die Politik immer mal wieder einen eher halbherzigen Ansatz, um die Macht der "Big Four" zu begrenzen. 2016 trat eine Reform in Kraft, die für eine häufigere Rotation der Prüfer sorgen sollte. Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold erinnert sich:
"Da war was los! Der Lobbysturm der großen vier Wirtschaftsprüfungsgesellschaften war enorm. Und insbesondere ging es ihnen darum, kurze Rotationspflichten und Verpflichtungen zu verhindern, das heißt, dass ein Auftraggeber regelmäßig in andere Wirtschaftsprüfungsgesellschaften überführt wird. Damals stand auch die deutsche Bundesregierung auf der falschen Seite."
Eigentlich sollen Unternehmen seit der EU-Reform 2016 alle zehn Jahre einen anderen Wirtschaftsprüfer berufen. In Deutschland wurde die Bestimmung abgeschwächt. Dabei sollte es auch bleiben, meint Klaus-Peter Naumann vom Institut der Wirtschaftsprüfer:
"Wir haben heute Regeln, dass wir bei Banken und Versicherungen grundsätzlich alle zehn Jahre den Prüfer wechseln müssen, und dass wir ihn bei anderen kapitalmarktorientierten Unternehmen nach 20 Jahren wechseln müssen. Denn da das Gesetz jetzt gerade erst vier Jahre in Kraft ist, finden wir es ziemlich verfrüht, über eine Verkürzung dieser Fristen heute zu reden, zumal auch das wieder mit dem Fall Wirecard nichts zu tun hat."
Eine schnellere Rotation verschlechtere die Qualität der Prüfung, so Naumann, und werde zudem zu noch mehr Konzentration im Markt führen:
"Weil die Sorge, die wir geäußert haben, die war, dass mehr Unternehmen nach dem Ausscheiden des Prüfungsmandats und beim Wechseln des Prüfers von einer mittelständischen zu einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wechseln als umgekehrt. Und was wir beobachten konnten, ist, dass genau dieses eingetreten ist."
"Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz" - auch lückenhaft
Einer weiteren Konzentration der Branche könnte man durch ein "Joint Audit" entgegentreten, also durch die Verpflichtung einer zweiten Prüfungsgesellschaft. Doch dieser Vorschlag fehlt im "Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz", das Bundesfinanzminister Olaf Scholz als Reaktion auf den Wirecard-Skandal vorgelegt hat.
Gut für die "Big Four". Besonders schmerzhaft wäre es für sie hingegen, wenn eine andere Bestimmung der EU-Richtlinie greift: Die Trennung von Prüfung und Beratung. Noch gelten in Deutschland Ausnahmeregelungen, die aber nach dem Gesetzentwurf komplett gestrichen werden sollen. Für Sven Giegold ein Lichtblick:
"Da muss man an den Interessensstrukturen der Wirtschaftsprüfer arbeiten, und das bedeutet eben ein Ende der Prüfung und Beratung von den gleichen Unternehmen und die Beauftragung der Wirtschaftsprüfer nicht mehr durch das Unternehmen selbst, sondern durch einen gemeinwirtschaftlichen Akteur."
"Vier Millionen sind wahrlich kein Pappenstiel"
Und schließlich sollen die Gesellschaften nach dem Gesetzentwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz stärker in die Haftung genommen werden. IDW-Vorstandschef Naumann versteht das nicht:
"Solange ein Wirtschaftsprüfer einen Fehler macht, der nicht als vorsätzlich zu beurteilen ist, sondern als fahrlässig, haftet er mit vier Millionen. Vier Millionen Haftung für eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bei einem DAX-Unternehmen hört sich jetzt nicht wirklich nach viel an. Wichtig ist aber zu wissen, dass mit diesen vier Millionen nicht nur die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft haftet, sondern daneben persönlich jeder Gehilfe, der an der Abschlussprüfung mitgewirkt hat. Vier Millionen sind wahrlich kein Pappenstiel."
Der Gesetzentwurf sieht trotzdem eine Erhöhung des Haftungsrahmens von 4 Millionen auf 16 Millionen Euro für leichte Fahrlässigkeit und sogar die Aufhebung der Haftungsgrenze für grobe Fahrlässigkeit vor. Sinnvoller wäre womöglich der Mut zur Transparenz: Der Gesetzgeber könnte Aufsichtsgremien wie die "Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung" oder die "Abschlussprüferaufsichtsstelle" von der Verschwiegenheitspflicht befreien, wenn Regelverstöße einzelner Prüfer bekannt werden. Doch das sieht der Entwurf des "Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetzes" nicht vor.
Der große Wurf sei es nicht, kritisiert Christoph Trautvetter vom "Netzwerk Steuergerechtigkeit". Wahrscheinlich müssten nach Wirecard andere Skandale kommen, damit sich die Lage grundlegend ändere:
"Die Vorschläge zur Verbesserung liegen im Prinzip alle auf dem Tisch, und wir kommen ihnen mit jedem Skandal, mit jedem Aktionsplan und mit jedem Aktionismus immer ein Stückchen näher. Und ich denke, wir werden in Zukunft auch weiterhin einen regelmäßigen Fall von Skandalen und von Problemen haben, der hoffentlich dazu beiträgt, dass wir uns Schritt für Schritt dann am Ende doch in die Richtung bewegen, die eigentlich auch relativ klar ersichtlich ist, dass, wenn man vielleicht mit kleinen Schritten am Ende über die lange Frist doch zum Ziel kommt."