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Nach den Anschlägen
Pariser Restaurants buhlen um Touristen

Die Attacken vom 13. November haben Paris erschüttert. Mittlerweile trauen sich die Bewohner wieder in die Bars und Restaurants - auch, weil sie in der Stadt leben und sich das Leben nicht vergällen lassen wollen. Nur die Touristen sind zögerlich - was die Wirte zu ungewohnter Freundlichkeit zwingt. Ist Paris auf dem Weg zu einer neuen Solidarität?

Von Barbara Kostolnik |
    Die französische Nationalflagge steht auf dem Tisch eines Pariser Restaurants.
    Viele Touristen in der französischen Hauptstadt meiden nach den Anschlägen von Paris Restaurants und Bars. (afp / Joel Saget)
    Damit eines mal von vorneherein klar ist: "C'est très compliqué, la vie à Paris!" Das Leben ist sehr kompliziert, in Paris. Sagt Aurore, eine waschechte Pariserin, sie muss es wissen. Kompliziert am frühen Morgen, wenn man mit Millionen Parisern und Pariserinnen und den ganzen Vorstadt-Franzosen die U-Bahn teilt und aufpassen muss, dass man nicht zerquetscht wird. Kompliziert am späten Abend, wenn man ausgehen möchte und einfach keinen Tisch bekommt und keinen Kellner, der sich freundlich um einen kümmert. Aber halt! Zumindest in diesem Fall haben die Anschläge vom 13. November Erstaunliches bewirkt:
    Die Leere in den Restaurants und den Bars in der französischen Hauptstadt zwingt die Besitzer zu einer ganz neuen Strategie: zur Freundlichkeit. Nun ja, wenn das Angebot die Nachfrage bei weitem übersteigt, muss man schon mal über seinen Pariser Schatten springen. Eigentlich nämlich galt lange und generell das Verdikt von Aurore: "C'est très Parisien d'être Snob". Der Snobismus wurde in Paris erfunden. Nun aber ist Schluss mit Snobismus, die Buchungen für Hotels und Restaurants sind massiv eingebrochen, so massiv, dass sogar der sozialistische Premierminister als erster Werber für die Stadt auf den Plan tritt: "Kommen Sie nach Paris, es ist sicher dort"
    Brüderlichkeit in einer sonst so unbrüderlichen Stadt
    Sicher ist: die Anschläge haben die Stadt geschüttelt, und sie haben eine Solidarität hervorgebracht, die sich vorher niemand vorstellen konnte. Pariser, die nach den Attacken unter dem Hashtag #portesouvertes ihre Wohnungen wildfremden Menschen geöffnet haben und sie bei sich übernachten ließen. Fraternité ist das Schlagwort, Brüderlichkeit, in einer sonst sehr unbrüderlichen Stadt.
    "Imagine" sang Madonna nach ihrem kleinen Konzert an der Place de la République, wo sich die Franzosen gerne versammeln, um für ihre großen republikanischen Werte, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit zu demonstrieren; man stelle sich vor, dass das neue Pariser Miteinander anhält. Dass sich die Menschen in der Metro anlächeln, statt grimmig Luftlöcher zu starren, dass Paris, die Stadt der Liebe, diesen Namen auch im Alltag verdient.
    Zuversicht ist angebracht: Schließlich steht ja nun das Fest der Liebe vor der Tür. Und da ist man - auch in Paris - und selbst im Ausnahmezustand eher lieblich gestimmt.