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Nach den Attentaten
Frankreich sucht nach Normalität und Verbündeten

Frankreich tut sich schwer, zu einer Normalität zurückzufinden. In Paris herrschte am ersten verkaufsoffenen Sonntag gähnende Leere in den Kaufhäusern. Unterdessen sucht Präsident Hollande den Schulterschluss mit den USA und Russland - und bringt den Flugzeugträger Charles de Gaulles vor der Küste Syriens in Stellung.

Von Burkhard Birke |
    Die Pariser gedenken am Platz der Republik der Opfer der Attentate vom 13.11.15
    Die Pariser gedenken am Platz der Republik der Opfer der Attentate vom 13.11.15 (picture alliance / dpa / ©tatif/Wostok Press)
    Gähnende Leere in den meisten Restaurants, auch viele Geschäfte warteten am ersten verkaufsoffenen Sonntag vor Weihnachten vergeblich auf Kundschaft: Frankreich tut sich schwer, zu einer Normalität zurückzufinden. Lediglich an den Tatorten der Anschläge, die 130 Menschen das Leben kosteten, herrschte reger Betrieb. Immer wieder tauschten Menschen verwelkte gegen frische Blumen, abgebrannte gegen neue Kerzen, ließen Zettel und Fahnen mit Sprüchen und Erinnerungen an Zäunen, auf Bürgersteigen und unter der Statue am Platz der Republik.
    Ein Kinderchor aus der Banlieue gab dort den Ton an.
    "Ich bin stolz, wenn ich an die mutigen Leute im Bataclan denke. Egal wer es war. Es waren auch Franzosen. Das macht mich stolz. Sie bildeten eine Kette, eine Kette der Solidarität, der Liebe und die ist geblieben."
    Das sagt Bilal, er war am Stadion und wurde durch die Explosion der Selbstmordattentäter verletzt. Wer diese waren, das hofft die Polizei mit einem am Abend veröffentlichten Foto herauszufinden.
    Identität der Attentäter noch ungeklärt
    Die Identität erst eines der Stadionattentäter, eines jungen Franzosen, ist bekannt. Bei einem anderen fand man einen syrischen Pass, der einem vor Monaten getöteten syrischen Soldaten gehörte. Beide noch nicht identifizierten Männer sind Fingerabdrücken zufolge über Griechenland eingereist.
    Die Identitäten des dritten Angreifers im Bataclan sowie des bei der Razzia in Saint-Denis getöteten Terroristen bleiben zur Stunde gleichfalls ungeklärt.
    "Er habe nur einen Gefallen tun wollen und zwei Personen beherbergt, ohne zu wissen, wer sie waren, woher sie kamen."
    Das beteuert indes Jawad Bendaoud, in dessen Wohnung die Polizei den mutmaßlichen Drahtzieher Abaaoud und dessen Cousine ausgeschaltet hatte. Bendaoud bleibt in Haft.
    Fieberhaft sucht man auch noch Salah Abdelsam, vor allem in Belgien. Vermutet wird, dass er nach den Attacken auf die Restaurants am Abend des 13. weitere Anschläge im 18. Bezirk verüben sollte. Entweder hatte er aufgegeben oder technische Probleme. Am Ende floh er nach Belgien.
    "Ein hybrider Weltkrieg"
    Die Bedrohung bleibt jedenfalls bestehen, auch wenn Verteidigungsminister Le Drian das von Premierminister Valls angedeutete Risiko von Chemiewaffenattacken herunterspielte.
    "C’est une guerre hybride mondiale." Um einen hybriden Weltkrieg handele es sich, unterstrich der Verteidigungsminister.
    "In diesem Krieg gibt es zwei unterschiedliche Kriege: Es gibt den Krieg des Schattens, bei dem wir die Terroristen jagen müssen. Da müssen wir weiter zuschlagen. Und wir müssen auf dem Schlachtfeld in Nahost eingreifen. Der Krieg im Schatten und auf dem Schlachtfeld sind unsere beiden Kriege."
    Rund 1.000 Hausdurchsuchungen, mehr als je 100 Hausarreste und Verhöre, an die 200 beschlagnahmte Waffen: Der seit Samstag um drei Monate verlängerte Ausnahmezustand gibt den auch in den Straßen omnipräsenten Sicherheitskräften Spielraum.
    Große Koalition gegen den IS
    In Nahost ist der Flugzeugträger Charles de Gaulles vor der Küste Syriens eingetroffen und in den nächsten Stunden einsatzfähig, um die Luftschläge zu intensivieren. Der Feind ist der Islamische Staat, ihn zu vernichten das Ziel, Frankreichs Strategie eine große Koalition.
    Dazu startet Präsident Hollande, als Kriegsherr gerade in seiner Popularität von 20 auf 27 Prozent gestiegen, eine diplomatische Offensive: Treffen mit dem britischen Regierungschef Cameron und EU Präsident Tusk, danach mit US Präsident Obama in Washington, Kanzlerin Merkel kommt Mittwochabend nach Paris, bevor Hollande am Donnerstag den Schulterschluss in Moskau mit Präsident Putin sucht.
    Bodentruppen will Frankreich keinesfalls einsetzen: Die Kurden und oder die freie syrische Armee könnten freigebombte Gegenden vom Islamischen Staat zurückerobern, so die militärische Logik hinter der französischen Demarche.