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Nach der Air-Berlin-Insolvenz
"Ein bisschen stirbt man mit"

Im Insolvenzverfahren der Air Berlin hätte die Bundesregierung mit wesentlich mehr Druck auf die Mitarbeitersituation einwirken müssen, sagte der langjährige Techniker der Fluggesellschaft, Jörg Herling, im Dlf. Das, was er und seine Kollegen geschaffen hätten, wäre ein Stück weit mit Füßen getreten worden.

Jörg Herling im Gespräch mit Sina Fröhndrich |
    Ein Airbus von Air Berlin startet am 15.08.2017 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen).
    Eine Maschine der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin: Am 27.10 geht die letzte Maschine von München nach Berlin-Tegel. (dpa /Federico Gambarini)
    Sina Fröhndrich: Jörg Herling arbeitet seit 1982 als Techniker am Flughafen Düsseldorf –zunächst für LTU, nach der Übernahme 2007 für Air Berlin. Der 62-Jährige ist auch Betriebsrat. Mit ihm habe ich am Nachmittag gesprochen. Letzter Flug bei Air Berlin, wie fühlt sich das an?
    Jörg Herling: Das ist ein ganz sentimentaler Moment, der heute kommt. Das klingt so blöd, aber ein bisschen stirbt man mit.
    Fröhndrich: Jetzt heißt es heute, insgesamt werden wahrscheinlich 70 bis 80 Prozent der Beschäftigten eine Chance bekommen. Sehen Sie das auch so oder ist das zu positiv formuliert?
    Herling: Ich glaube, das ist eine Aussage, die maximal in der Air Berlin, nicht in der Air-Berlin-Technik zählt, und das ist aber auch ein Verhalten, was die Geschäftsführung der Air Berlin vor zwei Wochen schon gemacht hat, um es dann auch ganz anders kommen zu lassen. Also ich kann da ganz schlecht was zu sagen, weil ich eben nicht Mitarbeiter der Air Berlin bin, sondern der Air Berlin-Technik, aber da müssten die jetzt mal wirklich dann Taten den Worten folgen lassen, und danach müssten sie gemessen werden.
    Fröhndrich: Was könnten das für Taten sein?
    Herling: Die müssten mal auch auf die neuen Investoren, auf die neuen Besitzer zugehen und da auch noch mal klar eine soziale Haltung einfordern, das, was hier –
    Fröhndrich: Die Lufthansa meinen Sie da.
    Herling: – jetzt komplett abgelehnt wird.
    "Da soll die Politik ihre Einflüsse nehmen"
    Fröhndrich: Sie meinen da vor allem die Lufthansa.
    Herling: Zum Beispiel die Lufthansa.
    Fröhndrich: Ein Teil der Mitarbeiter wird ja übernommen, anderer Teil muss sich neu bewerben. Was hätten Sie sich da gewünscht, was hätte man da für die Mitarbeiter noch mehr herausholen können am Ende?
    Herling: Man hätte sagen müssen, ein Flugzeug hat ein bestimmtes Shipset an Ressourcen, an Mitarbeitern, die für dieses Flugzeug benötigt werden, um das zu operieren. Nur auf der Basis pro Flugzeug so viele Mitarbeiter an allen Standorten und an allen Positionen, man hätte also die Flugzeuge nur verhandeln sollen mit den dazugehörigen Mitarbeitern, die für den Betrieb dieses Flugzeugs, und zwar sowohl am Boden als auch in der Luft, benötigt werden.
    Fröhndrich: Das hätten Sie sich von Herrn Winkelmann stärker gewünscht oder auch von der Politik?
    Herling: Wissen Sie, das ist ein Insolvenzverfahren von einem Wirtschaftsunternehmen. Da soll die Politik ihre Einflüsse nehmen. Wenn sie auch Geld gibt, dann sollen sie auch darauf bestehen, dass sie einen Einfluss nehmen. In dem ganzen Prozess hätte die Bundesregierung mit wesentlich mehr Druck eben auch auf die Mitarbeitersituation einwirken müssen, aber letztendlich hat hier ganz klar ein Management Insolvenz angemeldet, weil der Betrieb wohl nicht mehr weitergehen konnte unter den Umständen, und dann hätte man, ich will nicht sagen: mit Anstand, aber dann hätte man zumindest auch sehen sollen, dass man die Mitarbeiter, die uns alle nicht in die schlechte Situation gebracht haben, sondern die alle daran gearbeitet haben, über Jahre hinweg gearbeitet haben, dass ein Unternehmen gut dasteht, dass ein Unternehmen pünktlich ist, zuverlässig ist und nicht zuletzt als gute Arbeitgeber bezeichnet werden kann, diese Mitarbeiter hätte man auch voll in den Prozess mit reinbringen müssen. Ich glaube, die größte Schwierigkeit, die hier lag, das war einfach, dass der Vorstand der Air Berlin hier ganz einfach ein Spiel getrieben hat, in dem nachher die Verlierer schon vorher feststanden.
    Fröhndrich: Nämlich die Mitarbeiter.
    Herling: Die Mitarbeiter.
    "Für mich bleibt natürlich eine Erinnerung an viele Jahre"
    Fröhndrich: Fühlen Sie sich denn da ein bisschen im Stich gelassen? Haben Sie das Gefühl, dieser Überbrückungskredit wurde vielleicht auch nur gegeben, um am Ende Passagiere nicht im Regen stehen zu lassen und dass es eigentlich nie um die Mitarbeiter ging, um Sie?
    Herling: Das Gefühl haben wir alle entwickelt. Ich finde das auch wichtig, dass Passagiere, dass nicht irgendwo Menschen stehen, die dann nicht wissen, wie sie zurück zu ihren Familien kommen sollen. Das ist genauso wichtig, aber es ist auch ganz wichtig, dass eben auch Menschen, die in Arbeit sind, auch wissen, dass sie auch in einem Jahr noch ihre Familien ernähren können und ihren sozialen Stand erhalten können.
    Fröhndrich: Wenn wir jetzt heute Abend auf den letzten Flug schauen, was, meinen Sie, bleibt für Sie von Air Berlin übrig am Ende?
    Herling: Für mich bleibt natürlich eine Erinnerung an viele Jahre, die ich hier gearbeitet habe, an viele, viele liebe Kollegen und wirklich gute Kollegen, mit denen ich immer hier zu tun gehabt habe, nicht zuletzt hier als Betriebsrat oder eben auch, über den Betriebsrat hinaus, auch ins Unternehmen rein mit Kabine, mit Koch, mit allen Leuten am Boden. Das sind Momente, die kann uns wirklich keiner nehmen, weil wir da auch gemeinsam was geschaffen haben, und ich sage auch gerne, das, was hier geschaffen worden ist, das ist jetzt auch ein Stück weit mit Füßen weggetreten worden, und die Kollegen leiden darunter.
    Fröhndrich: Werden Sie sich heute Abend den letzten Flug anschauen? Es gibt ja zum Teil auch Fernsehübertragungen?
    Herling: Ich würde schon gerne live dabei sein, weil dann bin ich bei den Menschen, mit denen ich hier schon seit über 30 Jahren arbeite.
    Fröhndrich: Und das werden Sie auch machen.
    Herling: Das werde ich tun.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.