Auf die Frage, ob nach der EU-Wahl vor allem alte Europabilder wiederverwertet wurden oder sich da auch die ein oder andere neue Erzählung von Europa etabliert hat, antwortete Constanze Itzel: Die europäischen Institutionen hätten versucht, Wählermeinungen zu identifizieren. Dabei kam heraus, dass ein schützendes Europa gewünscht wird. Schutz vor Terrorismus, Klimaschutz und Fragen nach Sicherheit dominierten. Mit dem Entstehen neuer, eher nationalistischer Parteien, sei allerdings auch der Wunsch nach unabhängigen Nationalstaaten wieder lauter geworden.
Europabilder beeinflussen Geschichte
Zukunft, so die Historikerin weiter, scheinen in "Europa häufig die Krisenerzählungen zu haben". Das ließe sich in der Geschichte der Integration beobachten. Etwa die Krise nach den negativen Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden. Darin liege aber auch die Chance sich durch die Krise weiterzuentwickeln. "Die Krise ist das hartnäckigste Europabild, das sich hält", so Constanze Itzel. Negative Bilder seien eben interessanter. Jedes Europabild könne auch Einfluss auf die Geschichte haben, wie man sehe. Damit meinte sie beispielsweise das historische Europabild der Nazis mit ihrer Auffassung von der biologischen Überlegenheit der Herrenrasse, die Europa erobern müsse. Ähnlich einflussreich waren die Ideen der Widerstandsbewegung, die nach dem Zweiten Weltkrieg in die Idee von der europäische Integration eingeflossen sind. Das führte dazu, die europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl zu gründen, die Vorläufer der EU ins Leben zu rufen.
Notwendige Zusammenarbeit
Gegenwärtig mangele es an Akteuren, die ein Interesse dran haben die EU Integration zu vertiefen. Auf die Gefahr angesprochen, dass ein Europa der Nationen auch zum Zerwürfnis führen können, sagte die Historikerin, die Tendenz sei da. Zugleich betonte sie, dass es eine Illusion sei, ohne Zusammenarbeit auskommen zu wollen. Man müsse wissen, dass man zusammenarbeiten muss. Die Reaktionen auf ihr Museum der europäischen Geschichte zeigten, manche Länder sehen sich als Opfer, andere kämpfen mit der Geschichte ihrer Täterschaft. Das sei die Chance, die Unterschiede festzustellen und ein Bewusstsein für die Geschichte Europas zu entfalten.
Frieden ist nicht selbstverständlich
Wichtig in der Geschichte Europas seien die nationalen Demokratiebewegungen, die Revolutionen, natürlich der Erste und der Zweite Weltkrieg, der Holocaust, und der Kommunismus. Itzel kritisierte: "Das Friedensprojekt EU spielt eine viel zu geringe Rolle." Friedenszeiten waren die Ausnahme, betonte die Museumleiterin. Demokratie, Menschenrechte und Frieden seien nach wie vor nicht selbstverständlich und teilweise erst vor 30 Jahren erst errungen worden. Zu den bestehenden Narrativen könnte der Klimawandel ein ergänzendes Narrativ sein. Die Geschichten müssten übereinander erzählt werden und nicht von oben diktiert werden.