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Nach der Parlamentswahl
Italien steht vor schwierigen Wochen

Italien steht vor einer politischen Hängepartie. Nach der Parlamentswahl am Sonntag gibt es keinen klaren Wahlsieger. Nur wer verloren, das steht fest: die bisher regierende Demokratische Partei. Die Regierungsbildung dürfte nicht einfach werden.

Von Tassilo Forchheimer |
    Stimmabgabe von Luigi Di Maio, Spitzenkandidat der Fünf-Sterne-Bewegung
    Stimmabgabe von Luigi Di Maio, Spitzenkandidat der Fünf-Sterne-Bewegung. Seine Bewegung und das rechte Parteienbündnis von Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi haben Prognosen zufolge die meisten Stimmen erhalten. (imago stock&people)
    Ein Rechtsruck im einstmals roten Norden und eine Fünf-Sterne-Bewegung, die vor allem im Süden geradezu explodiert. Die Meinungsforscher in Italien sprechen von einer Revolution. Bei dieser Wahl haben die Anti-Systemparteien haben gewonnen, heißt es. "Italien unregierbar" titelt heute eine Zeitung. Der regierende Partito Democratico sei KO, schreibt ein anderes Blatt, was die italienischen Sozialdemokraten selbst kaum anders sehen können mit einem Ergebnis, das am Ende unter 20 Prozent liegen könnte. Maurizio Martina, momentan noch Minister, von der Demokratischen Partei.
    "Klar ist das für uns ein sehr negatives Ergebnis. Für alle weiteren Bewertungen müssen wir auf die kommenden Stunden verweisen, auf den morgigen Tag."
    Dann werde sich auch der Parteivorsitzende und Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi äußern. Noch wird ausgezählt, das will sich kein Parteichef zu früh festlegen. Vorläufige Zurückhaltung auch bei Silvio Berlusconi. Für seine Forza Italia trat Renato Brunetta vor die Presse.
    "Das, was zählt, ist, dass das Mitte-Rechts-Bündnis gewonnen hat. Und weil die Fünf Sterne nicht fähig sind, Allianzen zu schmieden, werden sie zwar die Stärksten sein, aber nicht die Mehrheitsführer der nächsten Regierung."
    Tatsächlich hat das Mitte-Rechts-Bündnis mit etwa 37 Prozent ein wirklich gutes Ergebnis erzielt. Was Silvio Berlusconi allerdings gar nicht gefallen dürfte, ist die Tatsache, dass sein Bündnispartner Matteo Salvini von der Lega deutlich mehr Stimmen sammeln konnte als er. Die Lega hatte sich im Wahlkampf vor allem mit fremdenfeindlichen Tönen profiliert. Giancarlo Giorgetti:
    "Es ist ein historischer Moment für die Lega. Wir können Stimmen dazugewinnen, von Nord bis Süd. Ich glaube, dass Matteo Salvini die Herausforderung gewonnen hat."
    Fünf-Sterne-Bewegung ist der große Gewinner
    Eine Herausforderung, die daraus bestand, die einstmals separatistische Lega Nord in eine Partei mit gesamtitalienischem Machtanspruch zu verwandeln. Das scheint ihm tatsächlich gelungen zu sein. Der große Gewinner dieser Wahl ist allerdings die Fünf-Sterne-Bewegung, die am Ende bei über 30 Prozent landen könnte. Alessandro Di Battista ist eines der bekanntesten Gesichter dieser Protestbewegung, ohne die eine Regierungsbildung schwierig werden dürfte.
    "Alle anderen müssen zu uns kommen, um mit uns zu sprechen. Das ist die beste Garantie, das sage ich hiermit allen Bürgern. Die anderen müssen sich an unsere Spielregeln halten: Transparenz, Korrektheit, Glaubwürdigkeit - basierend auf unseren Vorschlägen und Lösungen, die wir für dieses Land haben. Und diese Diskussion wird in den kommenden Tagen und Wochen stattfinden."
    Einfach wird es nicht. Sollten sich die Zahlen der Hochrechnungen bewahrheiten, wird keiner der drei großen Blöcke eine Regierungsmehrheit bekommen. Italien steht vor schwierigen Wochen, meint auch Luigi Contu, der Chefredakteur der Nachrichten-Agentur ANSA.
    "Ganz sicher haben wir es jetzt mit einem anderen Italien zu tun. Mit einem Wahlsieger wie Di Maio, einem starken Rechtsbündnis ohne die nötige Mehrheit und mit einem PD in großen Schwierigkeiten. Italien ist auch zweigeteilt. Im Süden hat der Protest Fünf Sterne gewählt, im Norden Salvini. Es wird sehr schwer, aus dieser Situation herausgekommen. Da braucht es jetzt viel Geduld und politisches Können von Seiten des Präsidenten. Hoffen wir außerdem auf die Weisheit aller politischen Kräfte."
    Über mangelndes Interesse der Bürger kann sich übrigens niemand beklagen. Anders als zunächst befürchtet, war die Wahlbeteiligung mit etwa 73 Prozent fast genauso hoch wie vor fünf Jahren.