Würde Erdogan seine Drohung wahrmachen, wäre das ein Verstoß gegen den Flüchtlingspakt mit der EU. Das Abkommen verpflichtet die Türkei, ihre Grenzen zu den EU-Ländern Griechenland und Bulgarien besser zu schützen. Außerdem müssen Flüchtlinge, die von der Türkei aus auf die griechischen Inseln geflohen sind, zurückgenommen werden. Eine Aufkündigung dieser Vereinbarung könnte die Zahl der Migranten, die in die Europäische Union gelangen, wieder steigen lassen.
"Passt auf, wenn ihr noch weitergeht, dann werden diese Grenzübergänge geöffnet. Lasst Euch das gesagt sein", sagte Erdogan in einer Rede in Istanbul - einen Tag, nachdem das Europäische Parlament sich dafür ausgesprochen hatte, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auf Eis zu legen. Die Abgeordneten begründeten ihre Forderung mit dem Vorgehen der türkischen Behörden gegen Oppositionelle und Medienvertreter seit dem Putschversuch im vergangenen Juli. Erdogan erklärte, er halte nichts von leeren Drohungen. Weder er selbst noch sein Volk würden sich davon beeindrucken lassen.
Bundesregierung: "Drohungen helfen nicht weiter"
Die Bundesregierung warnte als Reaktion vor einer weiteren Eskalation des Streits zwischen EU und Türkei. "Drohungen auf beiden Seiten helfen da jetzt nicht weiter", sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer in Berlin. Wo es Schwierigkeiten gebe, müsse miteinander geredet werden, um diese auszuräumen.
Demmer machte deutlich, dass die Bundesregierung weiter auf das Flüchtlingsabkommen setzt. "Die EU-Türkei-Vereinbarung betrachten wir als gemeinsamen Erfolg", sagte sie. "Die Fortsetzung liegt im Interesse aller Beteiligten."
Eine Sprecherin des Auwärtigen Amtes wies Erdogans Drohungen zurück. Das Flüchtlingsabkommen mit der EU sei auch im Interesse Ankaras. Ähnlich hatte sich in der Vergangenheit die EU-Kommission geäußert.
Brok (CDU): "Wirtschaft der Türkei hängt von Beziehungen zur EU ab"
Der Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten im EU-Parlament, Elmar Brok (CDU), betonte heute in der "Oldenburger Nordwest-Zeitung": "Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes (Türkei) hängt vor allem von guten Beziehungen zur EU ab."
Die Türkei hat rund drei Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen und ist eines der wichtigsten Transitländer für Migranten aus Asien und Afrika mit dem Ziel Europa. Die EU hält deshalb bisher an dem Flüchtlingsabkommen fest. Sie hat der Türkei versprochen, für die Versorgung syrischer Flüchtlinge dort bis 2018 drei Milliarden Euro zu überweisen. Außerdem hat sie eine Aufhebung der Visumpflicht für türkische Bürger in Aussicht gestellt. Allerdings müsste die Türkei dafür ihre Anti-Terror-Gesetze ändern, was die Regierung in Ankara strikt ablehnt.
(nin/am)