Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat bei der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2034 an Saudi-Arabien zugestimmt und mitgeklatscht bei der Akklamation, es gab Applaus von Präsident Bernd Neuendorf und Generalsekretärin Heike Ullrich. DFB-Präsident Bernd Neuendorf hatte die Abstimmung im FIFA-Rat als alternativlos dargestellt, aber zugleich aktiv die Maßnahmen unterstützt, die Saudi-Arabien den Weg zur WM geebnet haben.
Drei zentrale Entscheidungen wurden im FIFA-Rat einstimmig, also auch mit Zustimmung von FIFA-Ratsmitglied Neuendorf, getroffen: Die Doppelvergabe von Turnieren wird wieder erlaubt, was zuvor abgeschafft worden war, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Zweitens wurde die WM 2030 auf sechs Bewerberländer aus drei Kontinenten aufgeteilt, so dass Saudi-Arabien für 2034 keine Konkurrenz mehr hatte.
Und schließlich wurde die Abstimmung über beide Turniere im Block durchgeführt, wodurch eine differenzierte Bewertung ausgeschlossen wurde. Als Krönung erfolgte die Entscheidung per Akklamation – ohne ernsthaften Diskurs: "Man konnte nicht sagen: 2030 – Ja, dem kann ich zustimmen. 2034 – damit habe ich Probleme", erklärte Dlf-Reporter Chaled Nahar.
Eine mögliche Opposition des DFB wäre aus Sicht von Bernd Neuendorf einer "Isolation" gleichbedeutend gewesen. "Das wäre zum Scheitern verurteilt gewesen, das bringt nichts" – nur so könne man Einfluss auf die Bedingungen in Saudi-Arabien nehmen, rechtfertigte Neuendorf das Votum.
"Aber da ist wohl auch ein bisschen Wunschdenken dabei, wenn wir sehen, was Sportgroßveranstaltungen an Veränderungen in China, Russland oder Katar gebracht haben. Nämlich: Nicht so viel", so Nahar.
Entwicklung der FIFA zum "Einmannbetrieb"
Diese Vergabe wurde von der FIFA penibel orchestriert. Dass es in dieser Weise geschehen ist, hängt damit zusammen, dass Infantino die FIFA umstrukturiert und auf sich zugeschnitten hat:
"Der Weltverband wird immer mehr zu einem Einmannbetrieb umgebaut. Präsident Gianni Infantino regiert komplett von oben nach unten durch, [...] es gibt keinerlei Widerspruch. Nicht aus Deutschland, fast gar nicht aus Europa, Norwegen ist die Ausnahme mit der Verbandspräsidentin Lise Klaveness. Und sonst in der Welt ist auch so gut wie nichts an Widerspruch zu hören. Die Abstimmungen gehen fast immer einstimmig aus, Wahlen werden per Akklamation abgehalten – das sind Zustände, die kennen wir nur aus dunkelsten Regimen."
Das sich an den Zuständen zukünftig etwas verbessern könnte, glaubt Nahar indes nicht: "Um die verbandsinterne Demokratie sieht es schlecht aus und sie wird auch nicht besser werden, denn die Machtkonzentration an der FIFA-Spitze wird immer größer."
FIFA nimmt Debatten in Kauf
Dass die FIFA sehenden Auges in die gleichen Debatten läuft, die es schon mit der Vergabe an Katar gab, liegt laut Nahar an finanziellen Vorteilen:
"Im Profifußball lautet die Antwort auf fast alle Fragen: Geld, und das ist auch hier so." Mittlerweile liegt zwischen der FIFA und Saudi-Arabien eine klare Geschäftsbeziehung vor: "Infantino war immer wieder in Riad zu Gesprächen im letzten Jahr. Man hat es kommen sehen, das wurde immer intensiver."
Man hat sich gegenseitig geholfen, etwa bei der Klub-WM, einem Prestige-Projekt von Infantino. Es gab zunächst keinen Abnehmer für die Fernsehrechte der neuen Veranstaltung, die im Sommer 2025 erstmals stattfindet. Mittlerweile hat der Streaminganbieter "DAZN" die Rechte für rund eine Milliarde Euro gekauft, zeigt die Spiele aber gratis.
"Und das wirft natürlich die Frage auf, wenn DAZN kein Geld einnehmen will damit – wo kommt das Geld denn her? Und just als Saudi-Arabien die WM von der FIFA überreicht bekam, gibt es Meldungen, dass der saudi-arabische Staatsfonds bei DAZN mit Milliarden einsteigen will. Der Eindruck verfestigt sich: Man hilft sich gegenseitig bei den Problemen. Während Saudi-Arabien das Geld liefert, das die FIFA braucht, bekommt Saudi-Arabien die WM, um sein Image zu verbessern, um von Menschenrechtsverletzungen abzulenken."
Thomas Kistner kommentiert: "Funktionäre machen sich überflüssig"
Auch Thomas Kistner, Sportjournalist der Süddeutschen Zeitung, sieht im Verhalten einen letzten Schritt der FIFA in Richtung einer autokratischen Struktur, die an nordkoreanische Zustände erinnere:
"Wahlen werden nicht einmal mehr simuliert, Pressekonferenzen sind abgeschafft. [...] All das zeigt, dass die fromme westliche Welt ein enormes Personalproblem hat, ihre Funktionäre machen sich überflüssig. Das zeigt sich überdeutlich am größten Verband der Welt, dem 7,7 Millionen Mitglieder starken Deutschen Fußball-Bund", kommentierte Kistner im Dlf.
Auch Kistner kritisiert die DFB-Funktionäre hart:
"Diese WM-Kür zeigt: Der DFB ist ein zentraler Pfeiler des verrotteten Fifa-Systems. Das sollte und lässt sich ändern. Dass der DFB-Präsident, der dem Fifa-Rat angehört und dort in einer vierjährigen Amtszeit ein Netto-Salär von einer Million Dollar abkassiert, dafür, dass er die Befehle des Großfürsten Infantino willfährig abnickt – das ist inakzeptabel. Zumal ja auch schon das DFB-Spitzenamt jährlich satte 246.000 Euro abwirft. Der Millionensegen aus Infantinos Tafelrunde ist also definitiv besser im deutschen Amateur- und Jugendfußball aufgehoben als im Portemonnaie eines Funktionärs, der faktisch fürs Kopfnicken besoldet wird."