Der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel hat die Türkei verlassen und ist zurück in Deutschland. Am Abend landete er auf dem Berliner Flughafen Tegel. Er war an Bord einer deutschen Regierungsmaschine von Istanbul abgereist. In Hamburg feierten die Menschen mit einem Autokorso die Freilassung und hielten Plakate mit der Aufschrift "#FreeThemAll" hoch, um an die noch inhaftierten Kollegen Yücels zu erinnern.
Yücel selbst sagte in einem Video-Statement fürs Internet, es sei ein denkwürdiger Tag für ihn gewesen. Er wisse bis heute nicht, warum er verhaftet worden sei, und warum er heute freigelassen worden sei. Ein Anklage habe er immer noch nicht gesehen. Seine Verhaftung habe nichts mit Recht und Gesetz zu tun gehabt, ebenso wenig wie seine Freilassung. Schließlich bedankte er sich bei seinen Unterstützern.
Nach mehr als einem Jahr in Untersuchungshaft hatte der "Welt"-Korrespondent am Mittag das Gefängnis in der Türkei verlassen dürfen. Der Anwalt des 44-Jährigen, Veysel Ok, und "Die Welt" twitterten ein Bild des Journalisten, auf dem er seine Ehefrau Dilek Mayatürk Yücel umarmt.
Diese hatte zuvor bei Twitter auf Türkisch geschrieben: "Endlich! Endlich! Endlich!!! Deniz ist frei!".
Staatsanwaltschaft fordert 18 Jahre Haft
Der deutsch-türkische Reporter war vor einem Jahr in Istanbul wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda festgenommen worden. Seitdem saß er in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft legte in dieser Zeit keine Anklageschrift vor. Inzwischen forderte sie laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Anadolu bis zu 18 Jahre Haft für Yücel. Das Gericht habe die Anklageschrift akzeptiert und dann die Freilassung Yücels aus der Untersuchungshaft angeordnet.
Bundesregierung begrüßt Freilassung
Bundesaußenminister Gabriel hatte sich nach eigenen Angaben intensiv um eine Lösung in dem Fall bemüht. Er führte viele direkte Gespräche mit türkischen Regierungsvertretern, in zwei Fällen auch mit Präsident Erdogan. Besonders wolle er sich aber bei zwei Personen bedanken,
sagte Gabriel
: Die eine Person sei sein türkischer Kollege Cavusoglu, die andere Person sei Bundeskanzlerin Merkel, "die mich hat arbeiten lassen". Auch der frühere Bundeskanzler Schröder habe "geholfen, Türen aufzumachen in Istanbul". Schröder sei zweimal in die Türkei gereist.
In einer Erklärung führte Gabriel aus, er freue sich sehr über die Entscheidung der türkischen Justiz. "Und noch mehr freue ich mich für Deniz Yücel und seine Familie. Das ist ein guter Tag für uns alle." Gabriel machte zudem deutlich, es habe keine "Deals" mit der Türkei gegeben, um Yücels Freilassung zu erreichen.
Auch Bundeskanzlerin Merkel zeigte sich erleichtert. Yücels Frau und Familie hätten ein schwieriges Jahr der Trennung aushalten müssen, erklärte die CDU-Chefin. Sie verwies aber auch darauf, dass es weitere ähnliche Fälle wie den Yücels gebe. Es sei zu hoffen, dass die türkischen Rechtsverfahren jetzt auch hier schnell vonstatten gingen.
Opposition fordert Aufklärung
Die Opposition verlangt von der Bundesregierung Aufklärung darüber, wie genau es zur Freilassung Yücels kam. Die Grünen-Politikerin Claudia Roth sagte im MDR-Hörfunk, es sei zu hoffen, dass es in dieser Frage keinen Deal gegeben habe. Dies habe Yücel selber abgelehnt. Der Journalist habe gesagt, er wolle ein faires Verfahren und keinen Deal, erinnerte Roth. Die Bundesregierung müsse jetzt natürlich Auskunft über den Grund der Freilassung geben.
Die Linken-Politikerin Dagdelen sagte im Deutschlandfunk, sie könne sich kaum vorstellen, dass es keine Absprachen gegeben habe. Der türkische Präsident Erdogan würde Yücel nicht freilassen, wenn er dafür nichts bekäme. Wahrscheinlich werde Deutschland die Modernisierung der Leopard-II-Panzer übernehmen, die für die Türkei im Kampfeinsatz seien, vermutete Dagdelen. Yücel selbst hatte bekundet, er wolle seine Freiheit nicht im Gegenzug für einen schmutzigen Handel.
Jubel auf Twitter
In den Sozialen Medien jubelten viele Politiker über die Haftentlassung. Kanzleramtsminister Peter Altmeier, CDU, freute sich über die Nachricht:
"Herzlich willkommen in der Freiheit", schrieb Bundesjustizminister Heiko Maas, SPD. In Berlin sprach er von einer großartigen und überfälligen Nachricht. "Jeder Tag, den Deniz Yücel im Gefängnis verbracht hat, war einer zu viel."
Freude äußerte auch der Grünen-Politiker Jürgen Trittin.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, Die Linke, betonte, nun gelte es, weiter Druck auf die Türkei auszuüben.
Der Enthüllungs-Journalist Günter Wallraff sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger", es sei wichtig, die Kritik an der Regierung in Ankara aufrecht zu erhalten. Er selbst werde erneut als Prozessbeobachter in die Türkei reisen, um die vor Gericht stehenden Journalisten der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet" zu unterstützen.
Der Verein Türkische Gemeinde in Deutschland sprach von einer sehr glücklichen Nachricht. "Seit über einem Jahr saß Deniz Yücel unschuldig im Gefängnis", sagte der Vorsitzende Gökay Sofuoglu der "Rheinischen Post". Yücel sei "ein freiheitsliebender Mensch, ein Journalist und kein Terrorist. "Es ist gut, dass das jetzt auch die Türkei kapiert hat."
(jasi,mg)