Eigentlich ist das Bundeskartellamt sehr klar in seinen Ausführungen gewesen. Die 50plus1-Regel allein ist aus kartellrechtlicher Sicht erst einmal nicht zu beanstanden. Das bestätigt auch der Präsident der Behörde, Andreas Mundt, im Interview mit dem Deutschlandfunk. Er schränkt dann aber ein: "Wir schätzen die 50plus1-Regel in Summe hier als wettbewerbswidrig ein, weil sie diese Förderausnahme hat."
Die Förderausnahme erlaubt es Sponsoren oder Gönnern, die den Fußballsport des Vereins ununterbrochen und erheblich gefördert haben – in diesem Fall mindestens 20 Jahre – vollständig zu übernehmen. Das betrifft in der Bundesliga die so genannten Werksvereine Bayer 04 Leverkusen und den VfL Wolfsburg, hinter dem Volkswagen steht. Aber auch die TSG Hoffenheim und ihrem Eigentümer Dietmar Hopp.
Einfluss des Muttervereins kann mit Förderausnahme wegfallen
So stellt das Bundeskartellamt dazu fest, dass unter Berücksichtigung dieser Ausnahmeregel der Einfluss des Muttervereins bis auf "0" reduziert werden könne. "Das ist das, woran wir uns gestört haben. Weil hier wird 50plus1 geradezu abgeschafft für bestimmte Fallkonstellationen." Und das würde dem Ziel des vereinsgeprägten Wettbewerbs unter dem Dach der Deutschen Fußball-Liga DFL entgegenstehen, erläutert Mundt.
"Wenn sie es mal ganz einfach formulieren, könnte man etwas flapsig sagen, da wird dann das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Also es ist ein bisschen zu viel der Förderausnahme, die in diesem Fall von uns als unverhältnismäßig bezeichnet worden ist."
Denn die 50plus1-Regel soll laut Aussage des Kartellamts auch für eine gewisse Chancengleichheit im sportlichen Wettbewerb sorgen. Und das sei eben mit der Förderausnahme nicht gegeben. Die Behörde verweist in ihrem 13-seitigen Schreiben an die DFL, das dem Deutschlandfunk vorliegt, unter anderem darauf, dass noch kein Verein abgestiegen sei, der diese Ausnahmeregelung für sich nutze.
Kaum ist dieses Gutachten des Bundeskartellamts öffentlich geworden, ist im Profi-Fußball der ewige Streit um diese Regel neu entflammt. "Die DFL muss bis Ende Juni dieses Jahres ihre Überlegungen darlegen, wie sie diese Probleme lösen will. Mir fehlt im Moment die Fantasie. Mit einer Ausnahme. Sie gibt die 50plus1-Regel endgültig auf", sagt Martin Kind in einem Videocast der WAZ. Seit Jahren will er Hannover 96 in seinen Besitz bringen, die 50plus1-Regel hat dies bisher verhindert. Er sieht sich gestärkt durch die vorläufige Kartellamts-Einschätzung.
DFL grundsätzlich für Erhalt von 50+1
Auf der anderen Seite stehen die Fans, auch sie fühlen sich als Gewinner. So fordert die Initiative "50plus1bleibt", dass nach einer Übergangsfrist die in Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim bestehenden Ausnahmen abgeschafft werden müssten. Wie stark sich die Anhänger mit dieser Regel identifizieren, erforscht seit Jahren Dr. Sebastian Bauers von der Universität Leipzig.
"Die Ergebnisse unserer beiden Fanbefragungen zeigen eine klare Befürwortung der 50plus1-Regel. In der ersten Befragung, die wir bereits 2011 durchgeführt haben, stimmten 91 % für die Beibehaltung der Regel. Im Jahr 2017 waren es 90 %. Besonders auffallend war hier, dass wir hier eine Befürwortung der Regel bei unterschiedlichen Gruppen von Fans sehen. also unabhängig von einer Vereinsmitgliedschaft, den Besuchen im Stadion, dem Alter, oder dem Geschlecht lässt sich eine klare Befürwortung der Regel beobachten."
Grundsätzlich hat die Deutsche Fußball-Liga schon 2018 für den Erhalt der 50plus1-Regel gestimmt. Mit dem Kartellamts-Gutachten will sich die DFL in einer der kommenden Präsidiumssitzungen befassen, teilt sie dem Deutschlandfunk mit.
Profi-Fußball am Scheideweg
Wir fragen zudem die fünf Profi-Clubs an, die ebenfalls an dem Verfahren des Kartellamts als Partei beteiligt sind. Hannover 96 sieht sich wie geschildert in seiner Rechtsauffassung bestätigt. Auch Mainz 05 begrüßt die Entscheidung, spricht sich allerdings für den Erhalt der Regel aus. 1860 München will sich dazu nicht äußern, der BVB und St. Pauli melden sich auf unsere Anfrage nicht zurück.
Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, empfiehlt jedenfalls eine sachliche Debatte aller Beteiligten, auch weil eine solche Konstellation mit verschiedenen Interessen in der freien Wirtschaft gang und gäbe wäre: "Der Ball liegt jetzt ganz eindeutig im Feld der DFL. Weil es geht jetzt darum hier Lösungen aufzuzeigen, wie man diese Gesamtregel, also 50plus1 plus Förderregel, also plus Ausnahme, wie man das kartellrechtskonform gestalten kann. Insofern die Aufgeregtheit sollte man ein bisschen dämmen und sich zusammensetzen und konstruktiv gemeinsam nach Lösungen suchen."
Der Profi-Fußball in Deutschland muss sich nun entscheiden: Zwischen völliger Kommerzialisierung mit Wegfall der Regel, oder langfristiger Einbindung von Vereinsmitgliedern und Fans bei Erhalt von 50plus1.