Arndt Reuning: Der Europäische Gerichtshof hat heute Deutschland verurteilt wegen eines Verstoßes gegen die EU-Nitratrichtlinie, es ist einfach zu viel Nitrat im Grundwasser. Ein Experte, der sich schon seit seiner Doktorarbeit Mitte der Achtziger Jahre mit der Stickstoff-Problematik beschäftigt, ist der Agrarwissenschaftler Doktor Martin Bach von der Justus-Liebig-Universität Gießen. Von ihm wollte ich vor der Sendung wissen, ob er die EuGH-Entscheidung nachvollziehen kann.
Martin Bach: Diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist in der Sache sehr gut nachzuvollziehen. Die deutsche Bundesregierung hat in den letzten 20 Jahren es immer wieder versäumt, wirksame Regelungen im Düngerecht zu verankern, die es den Landwirten verbieten, das Grundwasser in einer Weise zu beeinträchtigen mit Nitrat, wie das in den letzten 20, 25 Jahren leider immer wieder festzustellen ist. Die Kritik des Europäischen Gerichtshofs, dass nämlich die deutschen Regelungen nicht ausreichend sind, wird schon seit mehr als 20 Jahren von den einschlägigen Fachleuten immer wieder wiederholt, ist aber vom Bundeslandwirtschaftsministerium niemals aufgegriffen und in sachgerechte, tatsächlich wirksame Minderungsvorschriften für die Landwirtschaft umgesetzt worden.
Reuning: Die EU-Nitratrichtlinie ist ja bereits im Dezember 1991 in Kraft getreten. Es gab dann Aktionsprogramme, um die Belastung zu senken, das deutsche Düngegesetz und die entsprechende Düngeverordnung wurden aber erst im März des vergangenen Jahres novelliert. Glauben Sie denn, dass mit diesen Gesetzeswerken nun das Problem in den Griff zu bekommen ist?
Bach: Die einhellige Meinung aller Fachleute auf diesem Gebiet ist - ich verweise da auch auf eine Stellungnahme von Professor Tauber von der Universität Kiel -, geht dahin, dass auch die neue Regelung der Düngeverordnung und der Stoffstrombilanzverordnung, die jeweils Ende des letzten Jahres in Kraft getreten sind, in keiner Weise zu einer Verbesserung der Situation beitragen werden. Dafür sind die neuen Regelungen wiederum viel zu wenig umfassend. Die Sperrzeiten und die Düngungsvorschriften sind wieder viel zu landwirtschaftsfreundlich angesetzt, das heißt, wir erlauben es den Landwirten, viel zu viel Stickstoff auf ihren Flächen auszubringen, so viel, dass davon dann auch wieder erhebliche Mengen ins Grundwasser als Nitrat verlagert werden.
"Hohe Güllemengen in viehstarken Regionen"
Reuning: Welche Rolle könnten denn Ihrer Meinung nach Technologien spielen, die dabei helfen, bedarfsgerecht zu düngen, sei es jetzt mit Wirtschaftsdünger, wie Gülle, oder auch mit Mineraldünger?
Bach: Grundsätzlich sind solche Techniken dazu geeignet, das Nitratproblem zu dämpfen, nicht tatsächlich zu lösen, aber zumindest zu dämpfen. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Landwirte tatsächlich bereit sind, ihre Stickstoffdüngung substanziell zu reduzieren. Wenn sie das wollen, dann können derartige Techniken, die ihnen sagen, wie viel Nitrat, wie viel Stickstoff zum Beispiel in ihrer Gülle ist, die sie auf einer Fläche ausbringen, dann können derartige Techniken hilfreich sein und unterstützen. Aber wesentliche Voraussetzung ist, dass die Landwirte ihre Stickstoffdüngung insgesamt deutlich reduzieren, gerade dort, wo die hohen Güllemengen anfallen, das heißt also, in den viehstarken Regionen, beispielsweise Vechta-Cloppenburg.
Reuning: Was muss also Ihrer Meinung nach geschehen, um diese Nitratbelastung des deutschen Grundwassers dauerhaft zu senken?
Bach: Da gibt es eine ganze Reihe von Vorschlägen und Ansätzen, die umgesetzt werden müssten. Unter anderem müsste die Düngeverordnung wie auch die Stoffstrombilanzverordnung erneut überarbeitet werden und erhebliche Verschärfungen der Auflagen und Vorschriften für die Landwirtschaft dort implementiert werden. Es müssten Schlupflöcher, die jetzt noch vorgesehen sind, mit denen die Landwirte wesentlich mehr Stickstoff ausbringen dürfen als ursprünglich mal in der Verordnung vorgesehen, diese Schlupflöcher müssten geschlossen werden. Die Länder müssten sich dazu durchringen, tatsächlich die Vorschriften der Düngeverordnung bei den Landwirten vor Ort zu überprüfen und im Fall des Zuwiderhandelns dann auch bereit sein, Sanktionen, und zwar spürbare Sanktionen auszusprechen. Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die es zu lösen gilt im Zusammenwirken von Bauernverband, Wissenschaft, Landwirtschaftsberatung und den Kontrollbehörden, die wir in den nächsten Jahren verstärkt angehen müssen.
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