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Nach EuGH-Urteil
Warum Andreas Scheuer die Maut nicht loslässt

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer muss sich wegen seiner Pleite in Sachen Maut immer mehr unangenehmen Fragen stellen. Viele Abgeordnete stören sich an den voreilig abgeschlossenen millionenschweren Verträgen. Dass Scheuer eine Klage gegen Österreich vorbereitet, sehen sie als Ablenkungsmanöver.

Von Gudula Geuther |
Autos und Lkw fahren auf der A2 im Sonnenuntergang, aufgenommen am 16.04.2015 bei Helmstedt (Niedersachsen). Foto: Thomas Eisenhuth/dpa | Verwendung weltweit
Die A2 im Abendlicht - ein deutsches Maut-System für solche Strecken bleibt in weiter Ferne (dpa-Zentralbild)
Nach dem Maut-Debakel ist ein Untersuchungsausschuss noch nicht vom Tisch – trotz des Angebots an die Abgeordneten, Einsicht in die Verträge zu bekommen. Am Abend hatte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer angekündigt, die Parlamentarier könnten die Unterlagen ungeschwärzt einsehen – in der Geheimschutzstelle des Bundestages. Das aber genügt dem Grünen Verkehrsexperten Stephan Kühn nicht.
"In die Geheimschutzstelle darf ich als Abgeordneter rein, mir die Vertragskonstellationen anschauen. Ich darf aber weder Mitschriften machen, noch darf ich im Nachgang über das, was in den Verträgen steht, mir irgendjemandem reden – noch nicht mal mit meinem Mitarbeiter. Das ist aber nicht der richtige Weg. Die Öffentlichkeit muss erfahren, was für ein Schaden für den Steuerzahler und für den Bundeshaushalt entsteht."
Scheuers Angebot bezieht sich auf die Verträge mit dem Mautsystem-Anbieter Kapsch und dem Ticketverkäufer CTS Eventim. Auch das genügt dem grünen Fraktionsvize Oliver Krischer nicht. Er fordert außerdem Einsicht in alle Rechtsgutachten aus dem Ministerium, in Ministervorlagen und interne Kommunikation.
Drohende Entschädigungszahlungen
In einem Schreiben an den Verkehrsausschuss, das heute bekannt wurde, nennt der parlamentarische Staatssekretär im Verkehrsministerium Steffen Bilger neue Zahlen. So seien bis jetzt 53 Millionen Euro an Kosten angefallen. In dem Schreiben verteidigt Bilger erneut die Entscheidung, noch vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs Verträge zu schließen. Da sei geschehen, um den Termin für den Start der Maut nicht zu gefährden und Einnahmeverluste zu vermeiden. Ob und eventuell in welcher Höhe Entschädigungszahlungen zu leisten seien, sei derzeit "rein spekulativ".
"Es wäre völlig an den Haaren herbeigezogen, jetzt Zahlen zu nennen. Das ist ja genau der Gegenstand der Diskussion. Fakt ist: Wir haben Einnahmeausfälle für den Verkehrsetat in Milliardenhöhe. Und das bewegt mich jetzt."
Morgen steht Scheuer dem Verkehrsausschuss Rede und Antwort. Umstritten sind dabei auch die Pläne, vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Österreich vorzugehen.
Klage mit ungewissem Ausgang
Dabei geht es Scheuer zum einen um die Blockabfertigungen von Lastwagen an der Tiroler Grenze. Zum anderen auch um die die Sperrung von Landstraßen für den Ausweichverkehr. Am Rand der CSU-Vorstandssitzung in München hatte Scheuer das gestern als "zutiefst diskriminierend" bezeichnet.
"Ich habe alles in die Wege geleitet, dass Wir eine Klage vorbereiten gegen Österreich. Wir können nicht als Bayern gegen Tirol klagen und auch nicht als Deutschland gegen Tirol. Das geht immer zwischen Mitgliedstaaten."
Der Grüne Stephan Kühn sieht, was die Sperrung der Landstraßen betrifft, wenig Chancen.
"Ich glaube, das was Österreich gemacht hat, ist zulässig. Und die Klage hat vor allem jetzt einen Sinn: Vom Maut-Desaster abzulenken und in Bayern jetzt wieder politisch Oberhand zu gewinnen. Aber das ist natürlich durchsichtig."
Nach Auskunft des Verkehrsministeriums soll der Schwerpunkt der Klage denn auch bei der Blockabfertigung liegen. Die beeinträchtige den freien Warenverkehr, so eine Sprecherin. Unterstützung kommt aus Scheuers eigener Partei.
Kritik aus Tirol: Deutschland erledigt seine Aufgaben nicht
Die verkehrspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion Daniela Ludwig spricht von zunehmend diskriminierenden Maßnahmen des Landes Tirol. Die Androhung der Klage nennt sie richtig und konsequent. Dagegen zeigt sich Tirols Landeschef Günther Platter gelassen. Er rechtfertigt die Blockabfertigung damit, dass Deutschland bei vereinbarten Maßnahmen hinterherhinke. Deutschland habe sich verpflichtet, Kapazitäten auszubauen, eine lange angedachte neue zweigleisige Bahnstrecke durch das Inntal ist aber nicht einmal beschlossen. Ob die Klage gegen Österreich kommt, ist offen. Beschließen könnte sie nur das ganze Bundeskabinett.